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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Astrid von Fritsch ist tot

SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Nach langen Jahren der Suche hat Astrid von Fritsch in Gmünd, genauer über der Salvatorkirche auf dem Nepperberg eine zweite Heimat gefunden.

Samstag, 15. August 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 9 Sekunden Lesedauer

Ihre vier Söhne besuchten hier das Parler-​Gymnasium, zum Teil auch die Klösterleschule. Sie selbst war während der 70er Jahre im Übergangswohnheim tätig und hat sich viele Jahre lang um eintreffende Spätaussiedler gekümmert – dabei half dieser klugen, gebildeten Frau, dass sie neben fünf weiteren Sprachen das Russische beherrschte. Auch in der Augustinus-​Kirchengemeinde und in der Diakonie war sie engagiert.
Ihr Sohn Rüdiger – Diplomat im Auswärtigen Dienst, der davon spricht, sich eines Tages mit seiner Frau auf dem Nepperberg zur Ruhe zu setzen – erklärt, seine Mutter habe sich in Gmünd sehr wohl gefühlt: „Sie liebte die alte Stadt, fotografierte dort viel und war besonders gerne auf dem Wochenmarkt“. Als sie längst schon auf ihren Rollstuhl angewiesen war, ließ sich sie sich samstags eben über den Münsterplatz schieben. 2006, 40 Jahre, nachdem sich die Familie in Schwäbisch Gmünd niedergelassen hatte, starb ihr Mann Thomas, einst Leiter der Firma „Maypressen-​Bau“ in Straßdorf. Erst im vergangenen Herbst zog Astrid von Fritsch zu ihrer Tochter nach Franken, wo sie besser betreut werden konnte. Dort ist sie jetzt verstorben.
Die Familie der 1922 in Rostock geborenen Wahl-​Gmünderin lebte jahrhundertelang im Baltikum. Im Alter von 14 Jahren kam sie ins Internat, und der Übergang von den glücklichen Mädchenjahren auf dem Land zur preußischen Erziehung war ein sehr harter. 1941, nach dem Abitur, wurde sie für den Reichsarbeitsdienst verpflichtet; die vertraute Arbeit in schwäbischen Bauernfamilien war allerdings keine Strafe – dieses Leben kannte und mochte sie. Ihre Eltern mussten das Gut daheim sehr früh aufgeben; ihre Mutter arbeitete schließlich als Sekretärin in der deutschen Zivilverwaltung in Kowno und lud zu Weihnachten den Chef ein: Wie die junge Astrid, die diese Einladung eigentlich völlig überflüssig fand, in diesem Mann ihre große Liebe fand, ist der Stoff aus dem Familienlegenden gemacht sind. 1943 wurde geheiratet.
Im eisigen Winter 1945, als die Ostfront näher rückte, schloss sie sich einem Treck nach Dresden an – unter furchtbaren Bedingungen und mit Tochter Adelheid schwanger. Keine Chance hatte sie, die ihr Ungeborenes zu schützen hatte, sich in den völlig überfüllten Zug zu drängen, der sie weiter nach Westen bringen sollte. Dieser Zug wurde bombardiert, wie die ganze Stadt. Ihr Überleben im brennenden Dresden – über das sie zeitlebens kaum sprechen konnte – hat sie stets als Wunder empfunden. Als Geschenk.
Die Familie fand wieder zusammen, und schließlich – nachdem mehrmals Umzug und Neuanfang zu bewältigen waren – in Gmünd endlich einen Ort, an dem sie bleiben wollte. Hier widmete sich Astrid von Fritsch ihren Kinder, dann sozialen Aufgaben. Sie führte einen großen Haushalt mit vielen Gästen, die nicht müde werden, von ihrem Humor zu schwärmen, von ihrer Warmherzigkeit, ihrer Herzlichkeit. Sie selbst genoss die Arbeit in ihren Garten und das Bridgespiel, „für das man sie um 3 Uhr morgens hätte wecken können“, wie sich ihr Sohn erinnert. Ein glücklicher Mensch sei sie gewesen, da sind sich die, die sie gekannt haben, einig. Um sie trauern ihre Kinder, 19 Enkel und zwei Urenkelinnen.

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