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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Annette Assfalgs persönliches Förderprogramm

Annette Assfalg will mehr, als nur gute Kaufleute im Groß– und Außenhandel ausbilden. Wer ausbildet, übernimmt Verantwortung, davon ist sie überzeugt – und rüstet ihre Lehrlinge in mehr als einer Hinsicht fürs spätere Leben.

Freitag, 07. August 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (rz). „Die Sprache macht den Menschen, die Herkunft macht es nicht“, verkündet Prof. Higgins in „My Fair Lady“. Sich ausdrücken zu können, in Wort und Schrift, ist in der Tat Türöffner, Voraussetzung für Integration, Anerkennung, Erfolg. Unternehmerin Annette Assfalg weiß um die Bedeutung dieser Fähigkeiten und war entsprechend entsetzt, als ihr bereits vor Jahren bewusst wurde, in welchem Maß manche Auszubildende diese Fertigkeiten vermissen lassen. Insbesondere bei jungen Leuten aus türkischen oder russlanddeutschen Familien, aber auch bei jungen Deutschen traf sie auf „katastrophale Texte“. Das war der Beginn ihrer Freitags-​Lektion: Einmal wöchentlich gibt sie den jungen Leuten eineinhalb Stunden lang intensiven Deutschunterricht; dazu schlägt sie als „Hausaufgabe“ ein Thema vor, das schriftlich erörtert werden kann. Es sei eine gute Erfahrung, zu sehen, in welchem Maß sich mit der richtigen Motivation Leistung steigern lasse, freut sie sich. Als Mitglied im IHK-​Prüfungsausschuss wurde ihr mehrfach vor Augen geführt, dass auch anderen Auszubildenden diese spezielle Förderung gut getan hätte.
Eine der jüngsten Aufgaben war eine Europa-​Diskussion, die sie nun heranzieht, um die Fortschritte der derzeitigen Auszubildenden aufzuzeigen. Sebastian Weiss etwa lässt sich über das Vorhaben aus, alle Unterschiede in Europa vergessen zu machen. Der unterschiedliche Lebensstandard führe dazu, dass das reiche Deutschland die ärmeren Länder mitversorgen müsse – der junge Mann ist damit nicht allzu glücklich, wie seinem Text zu entnehmen ist. Er fragt, ob so viel Solidarität in Zeiten der Weltwirtschaftskrise noch finanzierbar ist, und findet, dass sich die EU in dieser Krise bislang nicht von ihrer besten Seite gezeigt hat. Mario Bloch vermisst „eine richtige Trennung von Inlands– und EU-​Politik“. Bei der Wahl sei es zudem sehr schwer gewesen, zwischen den Interessen der unterschiedlichen Parteien zu unterscheiden – er hätte sich mehr Werbung für die Europawahl gewünscht, und auch wenn sich jeder Wahlberechtigte selbst informieren müsse, könnte dies doch erleichtert werden. Im Schatten der Bundestagswahl, bedauert er, sei Europa untergegangen. Johann Pavlenko nimmt sich ebenfalls die weiter gesunkene Wahlbeteiligung vor; seiner Ansicht nach eine bedenkliche Entwicklung, die vor allem den radikalen Parteien zu Gute komme: Extreme jeder Art hätten es auf nationaler Ebene viel schwerer als auf internationaler. Nicht zu wählen ist für ihn keine Option: allzu leicht würden aus radikalen Minderheiten Mehrheiten, wie sich gerade im Deutschland des 20. Jahrhunderts gezeigt habe. Zur Wahl gehen zu können sei, so Johanns Appell, ein Privileg. Das müsse sehr viel stärker betont werden, nicht zuletzt in den Schulen. Yavuz Küpele schließlich sieht ein Problem der EU darin, dass keine „Regierungsmacht“ vergeben werde, für Parteien und Bürger mithin weniger auf dem Spiel stehe. Pfiffige Wahlkampfstrategen könnten die Gunst der Stunde nutzen und mit neuen Methoden und Themen auf sich aufmerksam machen – bessere Werbekampagnen und intensivere Berichterstattung sind für ihn allemal notwendig. Und noch effektiver wäre es, Ländern mit schwacher Wahlbeteiligung die Einflussmöglichkeiten im Parlament zu beschneiden: „Damit wären Parteien gezwungen, sich im eigenen Land für die Europawahl stark zu machen“. Die Chefin zeigt diese Ausarbeitungen mit sichtlichem Stolz vor: Diese jungen Leute kann sie dereinst guten Gewissens ins Leben hinaus schicken. Vorläufig will die Firma allerdings alle Azubis weiter beschäftigten, so lange es geht. Auch das ist Verantwortung.
Annette Assfalg hat Englisch und Französisch studiert, lebte in Japan, ließ sich im eigenen Betrieb ausbilden und begleitet nun, als Prokuristin, große Teile der Ausbildung im von ihrem Mann geleiteten Werkzeugmaschinen-​Großhandel. Hier kann sie eine ihrer Überzeugungen umsetzen: Dass alle jungen Leute eine Chance verdient haben, sich in der Gesellschaft zu behaupten. Aus einem Gefühl der Verantwortung heraus hat sie zudem bereits mehrfach soziale Tage organisiert, sprich, dafür gesorgt, dass Assfalg-​Mitarbeiter mit ihr irgendwo anpacken, wo Hilfe gefragt ist. So hat sie mit drei ihrer Auszubildenden in der Vesperkirche in Stuttgart ausgeholfen, weil auch „Menschen, die es aufgrund physischer und psychischer Umstände einfach schwieriger im Leben haben,“ unterstützt und begleitet werden müssten. Auch um den Kindergarten St. Michael in der Weststadt hat sich das Assfalg-​Team unter anderem mit dem Streichen der Fenster verdient gemacht. Annette Assfalg war und ist „aus Leib und Seele“ Mutter mittlerweile erwachsener Kinder und wurde auch schon gebeten, als eine der Vorzeigefrauen im Ostalbkreis aufzutreten, denen die Mutterrolle wichtig ist und die als Managerinnen trotzdem nicht zurückgesteckt haben. Ihre eigenen Kinder so gut wie möglich auf ihr späteres Leben vorzubereiten, war für sie selbstverständlich. Ein bisschen etwas davon will sie auch den jungen Azubis mitgeben.

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