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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Vom Parlerring zur Arbeitsgemeinschaft Osten: Dr. Kurt Scholze zum 75. Geburtstag

Wagemutig sei er immer gewesen, sagt er von sich. Offenheit und die Bereitschaft, etwas Neues anzufangen, sind Eigenschaften von Dr. Kurt Scholze. Der Initiator des Parler-​Rings feiert am heutigen Dienstag den 75. Geburtstag.

Dienstag, 22. September 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 54 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (rw). Kurt Scholze treibt seit vielen Jahren ein Thema um: die Versöhnung von Tschechen und Deutschen, vor allem der Vertriebenen, die in der Folge des Zweiten Weltkrieges ihre Heimat im Sudetenland und in Böhmen verlassen mussten. Kurt Scholze wurde am 22. September 1934 in Grünwald bei Gablonz geboren. Seine Eltern fertigten in vierter Generation Gablonzer Schmuckwaren an. Zusammen mit seinen Eltern und seiner Schwester kam er am 12. Dezember 1946 am Güterbahnhof an, einer von über 16000 Vertriebenen in jenem Jahr, für die Gmünd zumindest Zwischenstation war. Er kam in der Oberschule für Jungen unter, schlief in einem Raum neben dem Rektorat, in dem 30 Menschen unterkommen mussten. Dennoch erinnert er sich nicht unfroh an diese erste Nacht in Gmünd: „Es hat mir gut gefallen, weil wir keine Angst mehr haben mussten, dass es an der Tür klopft und der Vater abgeholt wird.“ Sein erstes schwäbisches Wort lernte er ein paar Tage später im Stadtbad in der Klösterlestraße. Ahnungslos hatte sich der Bub in die Umkleidekabinen für Erwachsene begeben. Die Bademeisterin verpasste ihm eine Ohrfeige mit den Worten: „Kerle, gang ens Käschdle.“ Gemeint war die Knaben-​Sammelumkleide.
Scholzes Gmünder-​Werdung hat es offenbar nicht geschadet. Er besuchte die Schule, in der er die erste Nacht in dieser Stadt geschlafen hatte, und legte an ihr, dem Parler-​Gymnasium, 1955 das Abitur ab. Sein Vater hatte den Betrieb wiedergegründet, die Familie arbeitete mit, die Schwester übernahm die Buchhaltung. Kurt Scholze konnte Betriebswirtschaft studieren. Er promovierte 1961 zum Dr. rer. pol. und wurde Lehrer am Wirtschaftsgymnasium, kümmerte sich dort später um die Einführung der Oberstufenreform und stieg zum Studiendirektor auf. Ein kurzes Intermezzo im Gmünder Gemeinderat hatte er zwischen 1965 und 1967 auch. Dann, mit 48 Jahren, wagte er 1982 den Sprung und trat als Gesellschafter in die Schmuckwarenfabrik Bihlmeyer & Co ein. Ihn, dem Schmuckwaren gewissermaßen im Blut lagen, lockte die Aussicht auf die Herstellung echten Schmucks. 1998 schied er altershalber aus dem Betrieb aus. Dessen Spezialität war die Herstellung von Wappenringen gewesen. Und so, sagt Kurt Scholze, sei er zwangsläufig auf eine Idee gekommen: „Gmünd ist Parlerstadt — aber es gibt keinen Goldring mit dem Parler-​Wappen.“ Diesen Gedanken habe er mit sich herumgetragen, bis er aus der Firma ausschied. Und noch etwas anderes ging ihm dauernd durch den Kopf: „Als guter Gmünder, der ich inzwischen geworden war, war ich der Meinung, unser Kleinod, das Münster, wird zuwenig beachtet. Dabei ist es der Schöpfungsbau einer ganzen Epoche und ein Parler-​Bau. Und Peter Parler führt automatisch nach Prag.“ So wurde die Idee des Parlerrings geboren, der seinen Beitrag zum Spendenaufkommen für die Münster-​Renovierung leistete. Das Exemplar Nr. 1 ging an den tschechischen Präsident Vaclav Havel. Es folgte die Gründung des Parler-​Rings als Institution. Auch hier war die Zielsetzung eine doppelte: Spenden sammeln fürs Heiligkreuz-​Münster und auf die Parler-​Verbindung nach Prag hinzuweisen. Kurt Scholze gelang es, den Prager Kardinal Vlk nach Gmünd einzuladen, der Kirchenmann hielt im Mai 2005, zum Gedenken des 60. Jahrestags des Kriegsendes, im Franziskaner-​Saal eine zur Versöhnung mahnende Rede und im Münster ein bewegendes Pontifikalamt.
In diesem Sinne will Kurt Scholze weiterwirken. Seit 2004 arbeitet er mit bei der Arbeitsgemeinschaft Heimat und Kultur der Vertriebenen aus dem Osten, kurz „AG Osten“, die aus dem Parler-​Ring hervorging.
Schwäbisch Gmünd habe nach 1945, weil unzerstört, überdurchschnittlich viele Vertriebene aufgenommen, „es ist Aufgabe der Parlerstadt, einen Baustein zur Versöhnung zu liefern.“ Doch es sollen auch Dokumente, Fotos, Bücher, Ausweise, „alles was mit Flucht, Vertreibung und Integration zu tun hat“ gesammelt werden, um das Wissen und die Erinnerung zu erhalten. Dafür wird mit dem Stadtarchiv zusammengearbeitet. Jüngst spielte Kurt Scholze eine Rolle beim Anbahnen eines Schüleraustausches zwischen Hans-​Baldung-​Gymnasium und einem Prager Gymnasium. Er unternahm eine Münsterführung mit den Schülern. Tschechisch ist eine schwierige Sprache, „aber das Vaterunser auf tschechisch kann ich auswendig.“
Seit 1967 ist Kurt Scholze mit seiner Frau Inge verheiratet, eine Tochter und ein Sohn gingen aus der Ehe hervor, und mittlerweile gibt es zwei Enkelkinder. Sie alle und viele andere gratulieren Kurt Scholze zum Geburtstag.

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