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Michael Wessels „Geschichten rund um den Unimog“

Alles schon gesagt über den Unimog, dessen Prototypen in Schwäbisch Gmünd bei Erhard & Söhne gebaut wurden? Inzwischen gibt es viel Literatur über dieses Fahrzeug. Ein Kenner der Materie legt in einem neuen Buch den Schwerpunkt auf die an der Unimog-​Geschichte beteiligten Menschen. Von Reinhard Wagenblast

Samstag, 05. September 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 32 Sekunden Lesedauer

GESCHICHTE. Autor Michael Wessel war 15 Jahre lang Vorsitzender des Unimog-​Clubs Gaggenau. 1992 veröffentlichte er den ersten Band seiner „Geschichten rund um den Unimog“, ein zweiter Band folgte, und jetzt erschien der dritte, dessen Schwerpunkt wiederum auf den ersten zehn Produktionsjahren des Unimog von 1945 bis 1955 liegt. Dabei stehen nicht die technischen Details und Sonderausführungen im Vordergrund, sondern die Zeitumstände und die Personen. Auf diese Weise kommen Genrebilder der Nachkriegszeit zustande, die auch für Leser, die keinen Bezug zum Unimog haben, von Interesse ist. Für Gmünder sowieso — spielte sich doch die Entwicklungsgeschichte des „Universal-​Motor-​Geräts“ zwischen Schwäbisch Gmünd, Göppingen und Stuttgart ab, bei den Firmen Erhard, Boehringer und Daimler-​Benz. Darauf verweist nicht zuletzt ein Objekt, das derzeit in der Ott-​Pauserschen Fabrik während der Erhard-​Ausstellung zu sehen ist, ein grüner 55er Unimog. Hinzu kommt im Buch ein erstaunliches und umfängliches Bildmaterial: „Ich habe mich bemüht, Fotos aus privaten Alben oder noch nicht veröffentlichte Bilder zu verwenden“, sagt Wessel, hübsche Kalenderblätter aus den 50er-​Jahren beispielsweise, die einiges von den Wünschen und dem damaligen Zeitgeist transportieren.
Vor allem lässt Wessel die Zeitzeugen selbst zu Wort kommen, in oft anschaulichen, manchmal auch anekdotischen Beiträgen. Der Gmünder Albert Köhler (Jahrgang 1919), früher Mitinhaber und Geschäftsführer bei Erhard & Söhne berichtet von seinem Bruder Eduard, der heute als einer der „Väter des Unimog-​Erfolgs“ gilt. Selbst war Albert Köhler allerdings nicht mit dabei, als der Unimog-​Prototyp am 9. Oktober 1946 seine erste Fahrt unternahm – er kehrte erst 1948 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Damals liefen die Vorbereitungen der Serienproduktion bei Erhard und Boehringer schon auf Hochtouren. Köhler beschreibt, wie Albert Friedrich, im Krieg Leiter der Flugmotoren-​Entwicklung bei Daimler-​Benz, mit Eduard Köhler zusammentraf. Von Interesse sind Gesprächsnotizen, die Eduard Köhler über Friedrichs Konzeption des vierradgetriebenen Fahrzeugs für die Landwirtschaft anfertigte, „das eine gewisse Ähnlichkeit mit dem amerikan. Jeep besitzen“ sollte. Einen Tag später folgte ein weiteres Gespräch in größerem Kreis: ein Gmünder ZF-​Direktor und ein Landwirt kamen hinzu. Am 9. Oktober 1945 wurde bei der amerikanischen Militärbehörde der Antrag zum Bau von zehn Prototypen des „Landgeräts“ gestellt. Dann kam Boehringer als Mitgesellschafter der Entwicklungsgesellschaft hinzu; Erhard & Söhne sollte künftig die Eisenkonstruktion und Blechteile liefern.
Erhard sollte zudem nur Prototypen fertigen, „wir versprachen uns aber zukünftige Beschäftigung durch die Lieferung von Bauteilen und Baugruppen und auch durch die spätere Eigenentwicklung von Zusatzgeräten. Für mich ist es nicht hoch genug einzuschätzende Leistung, dass es der Entwicklungsmannschaft (…) mit Unterstützung von zwei Meistern und sieben besonders fähigen Facharbeitern aus unserem Hause in nur wenigen Monaten gelang, den ersten Prototyp zu bauen. (…) Schließlich mussten die erforderlichen Rohstoffe, Teile und Aggregate unter äußerst schwierigen Umständen beschafft werden“ (Albert Köhler). Das bescheidene Honorar für Hans Zabel, von dem die Abkürzung „Unimog“ stammte, habe in „einer guten Flasche Rotwein“ bestanden. Die ersten vier Unimog – mehr wurden am Ende nicht in Gmünd gebaut – wurden in der Umgebung der Stadt intensiv getestet. Auch Karl Bareiß (Jg. 1923), auf dessen Hof in Wustenriet (im Buch irrtümlich „Hustenried“) Einsatzversuche durchgeführt wurden, kommt zu Wort. Sie waren nicht immer erfolgreich: Der Prototyp Nr. 1 grub sich dabei tief in aufgeweichten Waldboden ein, auf das Ziehen von Baumstämmen wurde verzichtet. Den Erfolg des Unimogs konnte dies nicht aufhalten, wie man weiß.

Michael Wessel, Geschichten rund um den Unimog, Band 3 (Buch & Bild Helma Wessel) ‚156 Seiten 19,90 Euro. Im Buchhandel und beim i-​Punkt im Spital.

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