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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Eine etwas andere Maßnahme, dem Dauer-​Schneefall zu begegnen: Die alte Tradition der Hyazinthen-​Gläser bringt viel Freude

Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, eine Blumenzwiebel aufs Hyazinthenglas zu setzen. Von Birgit Trinkle

Sonntag, 10. Januar 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 22 Sekunden Lesedauer

SCWÄBISCH GMÜND. Schneefall, nichts als Schneefall wird vorausgesagt. Schneefall und Kälte. Mehr Winter geht nicht. Wer durch die Grabenallee geht, braucht schon sehr viel Phantasie, sich das Krokusmeer vorzustellen, das bereits im Februar aufblühen könnte.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, loszuziehen und sich zwei, drei gute Blumenzwiebeln zu sichern. Möglichst große Hyazinthenzwiebeln — viele Nährstoffe bedeuten viel Kraft. Auch die riesenhaften Amaryllis lassen sich gut antreiben. Und die kleinen Krokusse. Womit die zweite Bedingung Thema ist: Gläser werden benötigt, unbedingt, die eignen sich nämlich viel besser als jeder Blumentopf, Blumenzwiebeln vortreiben zu lassen und Frühling zu spielen, mitten im Winter. Wer noch nie ein Hyazinthenglas hatte, darf sich über eine Riesen-​Auswahl freuen – vom Designerstück aus venezianischem Glas über die noch teurere Barock-​Antiquität bis hin zum angemackten Flohmarktfundstück. Vielleicht erbarmt sich ja die Oma oder eine Tante: Hyazinthengläser waren in allen Teilen Europas immer wieder mal groß in Mode. Natürlich tut’s auch eine bauchige, sich oben verengende Vase – transparent sollte sie halt sein. Glashell und kristallen. Reinhold Krämer vom „Küchengarten“ hat eine Sammlung wunderschöner Hyazinthengläser, die zeigt, wie groß die Vielfalt ist, wie zahlreich die Herkunftsländer und die Epochen, denen sie entstammen. Die Zwiebel wird mit warmem Wasser abgespült, die abgestorbene Haut vorsichtig abgestreift, der Wurzelbereich vom toten Material befreit. Das Glas wird soweit mit Wasser gefüllt, dass es die Zwiebel beinahe berührt. Reinhold Krämer sagt: „Sie darf das Wasser nur riechen“ – andere lassen es in der allerersten Phase zum Kontakt zwischen Zwiebel und Wasser kommen und sind ebenfalls erfolgreich, aber die Krämer-​Methode ist jahrhundertelang bewährt.
Das Zwiebelglas wird jetzt für die nächsten Wochen zum Kellerkind, zumindest kühl muss es sein und dunkel. Die Zwiebel soll denken, dass sie im Winterboden auf den Frühling wartet. Recht schnell entwickelt sie nun einen dichten Wurzelkranz, der sich ans Glas heftet. Und dann lässt sich beobachten, wie die Zwiebel förmlich explodiert: Unglaublich, wie viel Lebenskraft sich ansonsten unbeachtet im Erdboden verbirgt. Wenn die Wurzeln in einem hohen Glas den Boden erreicht haben — in einem kleineren Gefäß dürfen sie ruhig noch ein bisschen durcheinandergeraten –, darf die Zwiebel in einen warmen Raum. Spätestens jetzt ist es Zeit für ein Hütchen aus bunter Folie oder schlichtem Papier; der Trieb muss noch eine kleine Weile im Dunkel bleiben. Wann es Zeit ist, das Hütchen abzunehmen? Das ist fast der schönste Teil: Der zunächst noch so winzige Trieb macht sich selbst frei, sprich trägt seine Last in die Höhe. Und jetzt lässt sich Schritt für Schritt beobachten, was im Frühjahr vieltausendfach geschieht: Der grüne Spross zeigt irgendwann eine erste Ahnung von Farbe, bricht auf und ist schließlich üppig blühende Blume.
Viele Freunde von Hyazinthengläsern sorgen dafür, dass sie zu Weihnachten auch Blütenschmuck vorzeigen können. Etwa, indem sie „Barbarazweige“ schneiden, also Apfel-​, Kirsch-​, Rosskastanien-​, Pflaumen-​, Holunder– oder Forsythienzweige, die (meistens) an Weihnachten blühen, wenn sie am Tag der heiligen Barbara, 4. Dezember, in einer Vase in der Wohnung aufgestellt werden. Ähnlich lässt sich die Hyazinthenblüte kalkulieren, auch wenn sie sich deutlich mehr Zeit lässt. Wer jetzt Hyazinthen auf ein Glas setzt, könnte im Rennen um die erste Blüte durchaus von den Krokussen der Grabenallee geschlagen werden. Trotzdem ein guter Zeitpunkt. Mitten im tiefsten Winter erinnert das Wurzelgewirr im Hyazinthenglas mehr als alles andere ans alte Mandelbaum-​Lied: Ist das nicht ein Fingerzeig, dass das Leben siegt.

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