Opfer-​Ausstellung des Weißen Ring thematisiert häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Emotionale Betroffenheit mit teils schockierende Darstellungen, dies gepaart mit sachlichen Informationen. Das ist die Wirkung der Ausstellung „Opfer — Mut zum Hinsehen“, die gestern Abend im Prediger mit einer rund zweistündigen Vortragsveranstaltung eröffnet wurde. Thematisiert werden häusliche Gewalt und sexuelle Misshandlungen von Frauen und Kindern.

Dienstag, 12. Januar 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
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SCHWÄBISCH GMÜND (hs). Diese in Teilen außergewöhnlich brutal-​realistische Ausstellung soll bewusst schockieren, wie von den Veranstaltern eingangs wiederholt zum Ausdruck gebracht wurde. Über die so erzeugte emotionale Betroffenheit wollen die Ausstellungsmacher die Betrachter dazu motivieren, in das „äußerst wichtige Thema“ (Bürgermeister Joachim Bläse) auch sehr sachlich und mittels vieler Hintergrundinformationen einzutauchen. Die Präsentation von Fotos, Collagen und anderen Darstellungen wurde von Studentinnen und Studenten der Bauhaus-​Universität Weimar in Zusammenarbeit mit dem Weißen Ring inhaltlich und optisch gestaltet.
Enormes Interesse bereits bei der gestrigen Auftaktveranstaltung
Die Aktion sichere Stadt, die Polizeidirektion Ostalb und der Opferhilfe-​Verband Weisser Ring haben die Ausstellung nach Schwäbisch Gmünd geholt, wo sie noch bis zum 23. Januar im Innenhof des Bürger– und Kulturzentrums Prediger zu sehen ist. Wie enorm das Interesse ist, zeigte gestern Abend bereits die Auftaktveranstaltung, bei der die Sitzplätze für die vielen Gäste kaum ausreichte.
Helmuth Argauer, Leiter des Polizeireviers Schwäbisch Gmünd dankte allen Beteiligten, hieß die Besucher willkommen, besonders auch die „Frauenknastband Jail-​Mail“ aus der Justizvollzugsanstalt Gotteszell. Die Musikerinnen umrahmten die gesamte Vortragsveranstaltung. Erster Bürgermeister und Sozialdezernent Dr, Joachim Bläse kam gleich zur Sache: „Das sind Bilder, die gehen mir nicht nur zu Herzen, sondern auch an die Nieren!“ Die Opfer seien auf das Hinschauen und Hilfe angewiesen. Und er zitierte: „Die Schwächsten unserer Gesellschaft sind auf die stärkste Lobby angewiesen.“ Daher sei es gut, dass diese Ausstellung „hier im Herzen unserer Stadt gezeigt wird“, um die notwendige Öffentlichkeit herzustellen.
Landespolizeipräsident a.D. und Vorsitzender des Weißen Ring Baden-​Württemberg Erwin Hetger ging zunächst gleichfalls auf die drastische Darstellungsweise dieser Ausstellung ein, fügte jedoch den Hinweis aus der Polizeipraxis hinzu: „Die Realität ist leider so, es ist oft der blanke Horror.“ Besonders schlimm sei es, dass sich die aufgezeigten Taten in Familien abspielen, genau dort, wo die betroffenen Frauen und Kinder ja eigentlich einen Hort der Geborgenheit erwarten. Oft unbemerkt von Außenwelt und Nachbarschaft passiere es. Die Statistiken zeigen das tatsächliche Leid nicht auf. Die Botschaft dieser Ausstellung sei „für uns alle“ klar definiert: Aufmerksamer hinschauen, und nicht mehr wegschauen. Viel zu lange seien gewaltsame Auseinandersetzungen, sexuelle Misshandlungen und Demütigungen in häuslicher Umgebung als Tabuthemen behandelt worden. Der Landesvorsitzende des Weißen Ring dankte der Polizei und der Aktion sicher Stadt, dass diese Thema mutig aufgegriffen wurde. Erwin Hetger, der fast 20 Jahre lang Polizeipräsident in Baden-​Württemberg war und nun das neue Ehrenamt übernommen hat, warb bei dieser Gelegenheit auch für eine verstärkte öffentliche Unterstützung des Weißen Ring. Er unterstrich: Nicht nur mit Geldgaben helfe der Verband alljährlich tausenden Opfern von Straftaten , sondern besonders auch mit persönlich-​menschlicher Zuwendung.
Professorin Dr. Ulrike Wegener vom Fachbereich Kriminologie der Fachhochschule für Polizei hielt dann den wissenschaftlichen Fachvortrag zur Eröffnung der Ausstellung (wir werden noch gesondert berichten).