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Dichte Atmosphäre in und unter der Oper — eine beeindruckende Musical-​Aufführung des Phantoms im Stadtgarten

„Und wo war jetzt das berühmte Phantom-​Lied?“ Die Frage einer Zuschauerin nach der Aufführung des Musicals „Das Phantom der Oper“ am Dienstagabend im Stadtgarten offenbarte sicher eine der wenigen leichten Enttäuschungen der etwa 400 Besucher. Sonst aber: eine gelungene Inszenierung. Von Manfred Laduch

Donnerstag, 14. Januar 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 51 Sekunden Lesedauer

MUSICAL. Nun: Wie schon mehrfach in der fast 20-​jährigen Geschichte seit seiner Uraufführung in London wurde das „Phantom“ neu inszeniert — etwas dichter an der 1911 entstandenen literarischen Vorlage und mit Betonung auf die faszinierenden Stimmen der Hauptdarsteller sowie eine ausgezeichnete Ausstattung.
Im Mittelpunkt der Handlung steht hier die Rivalität zwischen dem Phantom Erik (gespielt und gesungen von Axel Olzinger) und dem Grafen Raoul de Chagny (Joachim Sautter) um die Liebe der Chorsängerin an der Pariser Oper Christine Daaé. Auf sie, bzw. ihre Darstellerin Deborah Sasson ist das Stück im Besonderen zugeschnitten. Nicht zu Unrecht: Die Stimme des aus Amerika stammenden und seit Jahrzehnten in Deutschland lebenden Weltstars ist schlicht brillant.
Doch auch die anderen Solisten boten eine erfreuliche Leistung. Das gilt sowohl für Olzinger und ganz sicher für den in Stuttgart aufgewachsenen Sautter als auch für Sonja Heiermann, die Christines Rivalin, die Star-​Sopranistin Carlotta darstellt. Alle trafen in Stimme und Gestik genau die vom Autor einst beschriebenen Charaktere: Sasson als vom Sangesruhm gelocktes aber am Ende von aufrichtiger Liebe zu Raoul und Mitgefühl für den entstellten Erik umfangenes Chormädchen; Sautter als rettungslos verliebter Jung-​Adliger, der zu Eifersucht ebenso neigt, wie zu überstürztem Heldentum; Olzinger als ob seiner Hässlichkeit verbittertes Genie; Heiermann als herrlich aufgedrehte Diva mit italienischem Akzent. Sie werden ergänzt von beachtlichen Nebendarstellern, unter denen die mit viel Komik angelegten Operndirektoren Richard (Stefan Schael) und Moncharmin (Nils Schwarzenberg) sowie „der Perser“ (Christian Böhm) herausstechen. Die Inszenierung ist sehr aufwändig. Einschließlich der mehr als ein Dutzend Stimmen zählenden Sänger und des noch größeren Orchesters gehören über 50 Personen zum Stab. Besonders gut gelungen ist das Bühnenbild. Es wird einerseits bestimmt von grandiosen Projektionen, die den Eindruck vermitteln, die Handelnden stünden tatsächlich in einem riesigen Opernhaus, von dessen Decke mit Schmackes ein Kronleuchter auf die Bühne kracht. Andererseits von opulenten Ausstattungsgegenständen, wie zum Beispiel einer vier Meter hohen Orgel in der „Wohnung“ des Phantoms, tief unter der Pariser Oper gelegen.
Die Szenerie spielt zum Teil hinter einem halbtransparenten Gaze-​Vorhang. So entsteht permanent eine sehr dichte Atmosphäre, in die der Zuschauer förmlich hineingesogen wird — vielleicht am besten gelungen in der gruseligen Friedhofsszene. Die Musik ist schön — auch wenn die Hits von Andrew Lloyd-​Webber fehlen. Dafür gibt es einige wirklich hörenswerten Opernarien wie zum Beispiel „O mio babbino caro“, „Libiamo“ oder als Zugabe die „Habanera“ aus Carmen. Insgesamt ein gelungener Abend im Stadtgarten, der ein paar mehr Besucher durchaus verdient hätte.

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