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Der Haushalt zollt der Wirtschaftskrise Tribut — die Lorcher Stadträte versuchen, das Beste daraus zu machen

In die zweite Lesung, die Stellungnahmen der Fraktionen, ging gestern Abend der Lorcher Haushalt, der ein Volumen von knapp 25 Millionen Euro aufweist. Im Gefolge der Finanz– und Wirtschaftskrise steigt auch in der Klosterstadt die Verschuldung. Die Fraktionen richteten sich an der Lage aus: Man streckt laufende Vorhaben und macht sich Gedanken über Lorchs Zukunft — Prinzip Hoffnung.

Freitag, 22. Januar 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
6 Minuten Lesedauer

LORCH (str /​rw) „Bei den Einnahmen klafft ein Loch von 2,1 Millionen Euro, das ist wahrlich nicht lustig!“ sagte CDU-​Fraktionsvorsitzender Gerhard Hackner, der in erster Linie aber Kritik an der Bundesregierung äußerte und eine Reform der Kommunalfinanzen forderte.
Doch in der Krise gebe es auch eine Chance. Man sei mehr denn je gefordert, eine aktive und weitsichtige Kommunalpolitik zu betreiben. Ein neuer Mut zu Strukturveränderungen werde verlangt, denn wer zögere, verspiele alle Chancen.
Trotz erkennbaren finanziellen Risiken sei es absolut richtig gewesen, dass die Stadt Lorch auf das Angebot der Konjunkturprogramme I und II mit hohen Bundeszuschüssen eingegangen sei und ihre Investitionen entsprechen ausgerichtet habe. Hiervon profitieren die Dachsanierung der Grundschule Waldhausen, Sanierung des Kindergartens in der Mühlstraße mit Ausbau der Ganztagesbetreuung, Sanierung der Heizzentrale des Schulzentrums Schäfersfeld und die energetische Ertüchtigung der Gebäude des Bauhofs. Ausdrücklich stehe die CDU-​Fraktion aber hinter diesen Maßnahmen und fordere, dass die einzelnen Projekte auch zeitnah in 2010 umgesetzt werden. Die Prokopf-​Verschuldung der Stadt Lorch befinde sich mit 460 Euro noch in einem vertretbaren Rahmen. Auf der Ausgabenseite seien ernsthafte Sparbemühungen der Verwaltung bemerkbar. Doch diese Maßnahmen würden der aktuellen Lage noch nicht gerecht.
CDU: Freiwillige Leistungen für Vereine sollen unverändert bleiben
Deshalb sei bei den Personalkosten ein stringenter Sparkurs zu fahren. Mehrkosten beim Personal seien durch Umorganisation und Teilzeitkomponenten in den Verträgen zu kompensieren. Frei werdende Stellen dürften vorläufig nicht wieder besetzt werden.
Bei der mittelfristigen Finanzplanung setzt die CDU-​Fraktion auf die Schwerpunktthemen Stadtentwicklung, Stadtsanierung und Dorferneuerung; familienfreunde Stadt; Unterhaltung der städtischen Immobilien und Erhalt der Modifizierung der Verkehrsinfrastruktur.
Hackner stellte den Antrag, ein Zukunftskonzept zur Entwicklung der Kloster– und Limesstadt Lorch auszuarbeiten. Unter konsequenter Einhaltung der Ausgabendisziplin stimme seine Fraktion dem geplanten Investitionspaket mit insgesamt 1,6 Millionen Euro zu. Man wolle sich antizyklisch verhalten. Trotz der schwierigen Haushaltsssituation wolle man keine Erhöhungen bei Steuern und Gebühren vornehmen. Die freiwilligen Leistungen an Vereine und Einrichtungen sollen auf dem Niveau des Vorjahres weiter gewährt werden. Die vorgesehene Kreditaufnahme von 2,8 Millionen Euro solle man so weit wie möglich nach unten reduzieren, da eine weitere Kreditaufnahme im Jahre 2011 nicht zu vermeiden sein werde.
Der Abverkauf der städtischen Wohnbauplätze müsse zu realisierbaren Preisen erfolgen und man müsse von fixen Preisvorstellungen abgehen. Weitere Anträge der CDU: Erschließungsmaßnahmen aus den Haushaltsresten zu finanzieren; den Abwasseranschluss des Wachthauses zeitlich verschieben; nach Fertigstellung des zentralen Feuerwehrhauses die beiden Altstandorte zu revitalisieren und zu veräußern. Für die Schäfersfeldhalle sei zu prüfen, ob eine Generalsanierung oder eine Teilsanierung wirtschaftlich sinnvoller sei.
FWV: Informationsveranstaltung über städtebauliche Entwicklung
Die Haushaltsrede von Heinz-​Joachim Herzig von der Freien Wählervereinigung stand unter dem Leitspruch „Wem das Wasser bis zum Hals steht, soll den Kopf nicht hängen lassen. Die Kommunen seien die Leidtragenden einer verfehlten Bankenpolitik und der daraus resultierenden weltweiten Wirtschaftskrise. Dank umsichtiger Haushaltspolitik sei es in Lorch möglich gewesen, eine Neuverschuldung zu vermeiden und trotzdem habe man Vieles auf den Weg gebracht wie zum Beispiel das neue Gymnasium, die neue Sporthalle auf dem Schäfersfeld oder die Sanierung der Remstalhalle.
Auch die FWV wolle Erhöhungen im Bereich der Steuern und Abgaben vermeiden. Wichtige Maßnahmen, die im vorliegenden Haushalt finanziert oder anfinanziert werden müssten, seien der Neubau des gemeinsamen Feuerwehrgerätehauses, die städtebaulichen Erneuerungsmaßnahmen Lorch-​Süd und die Maßnahmen im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms (ZIP). Doch nicht nur der Bau des Feuerwehrhauses sei notwendig, sondern auch die technische Ausstattung des Gebäudes.
Mit der Ausschreibung der Bauleistungen des Feuerwehrgerätehauses solle bis zum Frühjahr gewartet werden, um günstigere Preise zu erhalten. „Dass sich dadurch der Zeitpunkt der fertigstellung ins Jahr 2011 verschieben wird, ist aus Sicht dieses Haushalts eher als positiv zu werten.“
Die Freie Wählervereinigung stellte den Antrag, in einer öffentlichen Informationsveranstaltung die Möglichkeiten der weiteren städtebaulichen Entwicklung vorzustellen. Der Zustand des Binz-​Areals sei kein Aushängeschild für Lorch. Vorrangig müsse man für eine Begrünung der Fläche sorgen und eine sinnvolle Vermarktung der Flächen anstreben.
Die FWV will das touristische Gesamtkonzept der Stadt fortschreiben. Als ersten Baustein sehe man die Stärkung des Stadtmarketings. Deshalb stelle man den Antrag zur Einrichtung eines Arbeitskreises Stadtmarketing unter Beteiligung der Gewerbetreibenden.
Die Freien Wähler wollen die 30 Jahre alte Sporthalle sanieren und wollen geklärt haben, ob diese Maßnahme im Konjunkturprogramm II untergebracht werden kann. Erfreut sei man darüber, dass im Haushaltsplan Mittel für die Verkehrserschließungsmaßnahmen auf dem Schäfersfeld vorgesehen seien und dass man diese Baustelle.aus Sicherheitsgründen, vor allem für die Kinder, zu Ende bringen könne.
Die Freien wähler fordern auch eine Vorlage der dringendst notwendigen Straßenunterhaltungsmaßnahmen. Außerdem soll im Zusammenhang mit der Umsetzung des Verkehrskonzepts und der Sanierung der Hauptstraße ein Leitsystem für Ärzte und Apotheken in Lorch angebracht werden. Der Aufstellung von Hinweisschildern für Einkaufsmärkte und Discounter müsse Einhalt geboten werden.
Heinz Herzig griff im Zuge von Einsparpotentialen die Idee der kommunalen Zusammenarbeit wieder auf und stellte den Antrag, zu prüfen, welche Projekte es in der Umgebung gebe und nach weiteren Möglichkeiten für Lorch zu suchen.
Lorch habe eine gute Infrastruktur, doch in den kommenden Jahren würden vier der fünf niedergelassenen Ärzte in der Ruhestand gehen. Im Schulterschluss mit den Ärzten und dem Landkreis müsse man dem drohenden Ärztemangel entgegenwirken. Gemeinsam sei man aufgefordert, Ziele und Prioritäten für Lorch zukunftssicher zu strukturieren. Ein solches Entwicklungskonzept, also eine Art Masterplan, sieht die Freie Wählervereinigung als Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft, damit sich Lorch im Wettbewerb mit anderen behaupten könne.
Zukunftsfähige Politik müsse mehr sein als die Politik des Machbaren und Finanzierbaren. Gemeinsam sei man aufgefordert, Ziele und Prioritäten für Lorch zukunftssicher zu strukturieren.
Namens seiner Fraktion stimme er der Haushaltssatzung und dem Haushaltsplan 2010 in der vorliegenden Fassung zu.
„Weil die Stadt Lorch immer eine vorsichtige und vorausschauende Finanzpolitik betrieben hat, sind wir auch weiterhin handlungsfähig“, sagt SPD-​Sprecher Manfred Schramm und verwies gleich darauf, dass aber ein weiteres Ansteigen des Schuldenbergs nur durch eine Verringerung der städtischen Ausgaben oder durch eine Erhöhung der Einnahmen vermieden werden kann. Man könne froh sein, dass der vorgelegte Entwurf noch keine drastischen Erhöhung der Gebühren enthalte. Einsparmöglichkeiten sieht die SPD durch die vorgeschlagene Zurückstellung der Sanierung der Schäfersfeldhalle und der Stadthalle. Zudem soll die Finanzierung des Neubaus der Feuerwehr so gestreckt werden, dass noch 2010 mit dem Bau begonnen werden kann, aber die Fertigstellung erst 2011 erfolge, damit die wesentlichen Baukosten erst nächstes Jahr fällig werden.
Weiterhin schlägt die SPD vor, die Verzögerung des Ausbaus der Verkehrserschließung Schäfersfeld und sollte sich die finanzielle Situation der Stadt im Laufe des Jahres weiter verschlechtern, so müsse man alle freiwilligen Leistungen der Stadt kritisch unter die Lupe nehmen. Ein großes Einsparpotential sieht Schramm bei den Personalkosten. Bei jeder frei werdenden Stelle müsse man nach Möglichkeiten suche, durch eine effektivere Arbeitsstruktur Einsparungen vorzunehmen.
Durch die staatlichen Konjunkturprogramme hätte man größere Härten der Wirtschaftskrise abfedern können. Lorch sei durch rechtzeitige Planung in den Genuss von beträchtlichen Zuschüssen aus dem Konjunkturpaket II gekommen, insgesamt über eine halbe Million Euro. Allerdings habe man auch den Haushalt mit einem Eigenanteil belasten müssen.
SPD: Nicht an Jugendarbeit und Familienförderung sparen
Die städtebauliche Erneuerungsmaßnahme Lorch-​Süd müsse weiter verfolgt werden, um das Eingangsportal zur Innenstadt attraktiv zu gestalten. Auch wenn kurzfristig keine Mittel vorhanden seien, müsse man die Frage klären, wie der Oria-​Platz und der Platz vor der Schillerschule ansprechender gestaltet werden könne und welche Funktionen diese beiden Plätze künftig erhalten sollen. Das Binz-​Areal könne man nicht länger brachliegen und verwildern lassen, bis Klarheit über die Nutzung bestehe. Die Stadtverwaltung sollte die Initiative ergreifen und engagierte Bürger, Vereine oder Klassen einladen, ihre Ideen und deren Verwirklichung einzubringen, um das Binz-​Areal attraktiv zu gestalten. Es gebe viele Beispiele in der Stadt (Schelmenklinge, Spielplatz Kloster, Skulpturenpfad), wo bürgerschaftliches Engagement zur Verschönerung der Stadt hervorragend funktioniere. Alle drei Fraktionen sollten sich dafür einsetzen, dass der geforderte Generalplan für die Innenstadtgestaltung bei einer Bürgerversammlung diskutiert und weiter entwickelt werde.
Trotz knapper Kassen sollte man an der Jugendarbeit und Familienförderung nicht sparen und alle Anstrengungen unternehmen, die Angebote der kirchlichen Träger zum Ausbau der Kleinkinderbetreuung nach Kräften zu unterstützen.
Tourismus und Fremdenverkehr seien für eine Stadt mit historischer Bedeutung unverzichtbar. In Zusammenarbeit mit dem Tourismusverband Remstalroute sollte man das Radwegenetz auf dem Stadtgebiet attraktiv und deutlich sichtbar machen. Und schließlich finde 2014 in Schwäbisch Gmünd die Landesgartenschau statt. Hier sollte man nach Möglichkeiten der Kooperation suchen, um auch davon profitieren zu können. Man sollte weiterhin das Konzept der Errichtung eines Heimatmuseums verfolgen.
„Es gäbe noch manch Wünschenswertes, das man bei der Haushaltsberatung ansprechen und fordern könnte“, sagte Schramm, doch die SPD-​Fraktion trage der prekären Haushaltslage Rechnung und stelle in diesem Jahr keine haushaltswirksamen Anträge.
Stadträtin Julia Frank, die über die FDP in den Gemeinderat einzog, gehört keiner der drei Fraktionen an. Doch auch sie gab eine Stellungnahme zum Haushalt ab. Sie wollte keinen Grund zum Pessimismus sehen. Doch das System der Gemeindefinanzierung müsse dringend reformiert werden, „die zeigt die Krise.“
Für das Binz-​Areal sei „alles besser als der jetzige Zustand“, freiwillige Helfer könnten zumindest einen Rasen pflanzen.Frank plädierte für die Schaffung einer Bürgerstiftung, diese könne sich z.B. des Heimatmuseums annehmen, das man im künftig leerstehenden Feuerwehrhaus einrichten könnte. Im Haushalt vermisste sie die Berücksichtigung der veränderten Strukturen im Schulwesen.
Die Einzelanträge, so Bürgermeister Karl Bühler, sollen am 25. Februar behandelt werden, wenn der Haushalt verabschiedet wird.

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