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Heidi Friedrich präsentierte Kabarett vom Feinsten im Bürgersaal von Böbingen

Menschen, die Möpse mögen, persönlich vorgestellte Orkane und Teenies in Freilandhaltung. Die Bamberger Kabarettistin Heidi Friedrich klärte an der VHS in Böbingen wie im Vorübergehen Fragen, die sich wohl noch niemand gestellt hat.

Freitag, 05. Februar 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 42 Sekunden Lesedauer

KABARETT (vh). Ist Nacktheit immer eine optische Verbesserung? Brauchen Atomkraftwerke als „grünen“ Ausgleich Frauenparkplätze? Und welche Ekelprüfung muss Monika Hohlmeier im „Dschungel-​Camp Oberfranken“ noch ablegen? Blaue Zipfel? Mit einer auf den ersten Blick kaum wahrnehmbaren Eloquenz und einem ganz eigenen, originellen Stil zieht die Sportlehrerin das Publikum in ihren Bann.
In verschiedenen, zum Teil absurd wirkenden Rollen spielt Heidi Friedrich eine von einem Seelencoach Verdorbene, die ihre Unsicherheit auslebt, die Stimme am anderen Ende der Bergrettungs-​Hotline oder eine völlig überforderte Kevin-​Mutter. Je absurder das Szenario, desto mehr ist Heidi Friedrich in ihrem Element. Da räsoniert sie über Hinrichtungen als frühe Form des Public Viewing, über Glatzen-​Nationalparks im Ostern oder über die Waschkraft indischer Nüsse.
Geschickt spielt Heidi Friedrich mit Klischees, Vorurteilen und Rollenmustern, um diese zuerst hinterrücks, dann frontal anzuspringen. Besonders die Gattung der City-​Manager hat es ihr angetan. Den „Tristesse-​Betreuern mit Wirkungswut“, die mit braunen Autobahnschildern auf die eigene Bedeutungslosigkeit hinweisen, verabreicht sie die richtige Medizin.
Im Wettlauf „Pimp my Kaff“ werden ja selbst Müllhaufen historisch vereinnahmt und keine „unbespaßten Fußgänger“ geduldet. Bis hin zur Wortarmut der studierten Einfallslosigkeit. Dann wendet sich Heidi Friedrich dem alltäglichen Wahnsinn zu, das ausverkaufte Auditorium ahnt, dass die „Stockenten“ (Nordic Walker), die vom Aussterben bedrohte Darmflora und späterstzeugende Männer ins Visier genommen werden.
Mit improvisatorischem Geschick, tänzerischer Chuzpe und stimmlicher Varietät lässt die gebürtige Rheinländerin keine Sekunde Langeweile aufkommen. Dafür sorgen Themen wie die Hamster-​Halbwertszeit, fleischfressende Pflanzen auf Döner-​Diät oder der Sündenstress völlig unschuldiger achtjähriger Kinder bei ihrer ersten Beichte. Unbarmherzig seziert sie. Selbst die frühkriminelle Erziehung einer Pippi Langstrumpf, der SMS-​Hochleistungsdaumen der Generation Bauchfrei und Bahnpolizisten als „pädagogisches Spitzenpersonal“ findet Eingang in einen urkomischen Abend.
Selbst wenn Heidi Friedrich harte Kreativarbeit mit noch härteren Getränken bestreitet, „optisch vorgealtert“ sieht die Mittvierzigerin nicht aus. „Koks und Granufink sorgen für eine gewisse Restjugendlichkeit.
„Erotik im Alter ist kein Tabu. Schließlich gibt es Witwenflüsterer, Gutscheine für Seebestattungen und die Chance auf einen Lebensend-​Abschnittsgefährten“. Zwischen all dem beißenden Spott, der bitteren Satire und manch zündendem Wortspiel versteckt sich ganz leise Ironie. Kaum wahrnehmbar als gesprochenes Augenzwinkern, wirkt sie doch stärker als die eine oder andere offensichtliche Pointe.
Es war wieder ein Kabarettabend der Spitzenklasse im Rahmen des Kabarettprogramms des Regionalen Bildungszentrums der Gmünder Volkshochschule.

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