Den Restauratoren in der wundervollen Johanniskirche über die Schultern geschaut
Auf dieser Großbaustelle läuft kein Radio. Auch schreit kein Polier seine Kommandos. Schon gar nicht kreischen irgendwelche Maschinen. Vielmehr scheint jeder Arbeiter mit höchster Konzentration, ja fast schon andächtig mit sich selbst und vor allem mit wunderbaren Kunstwerken früherer Generationen beschäftigt zu sein. Wir befinden uns in der Johanniskirche.
Freitag, 26. März 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
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Dass Geld und Mühe gut investiert sind, wird allein schon an einer etwa handgroßen, viereckigen Fläche deutlich, auf die der aus Waldstetten stammende Restaurator Karl Fiedler beim Rundgang auf dem mächtigen Innenraum-Gerüst deutet: Dort wurde ein Stück der bis vor kurzem völlig rußgeschwärzten und auch sonst verbleichten und verschmutzten Wand belassen, damit die Wirkungsweise der Reinigungs– und Konservierungsarbeiten deutlich wird. Ganz dringend hatte der so wundervoll bemalte Innenraum der rund 800 Jahre alten Kirche diese Auffrischung nötig. Wesentliches Augenmerk richten die Restauratorenteams auf die Bewahrung der Farben. Die Malereien sind so empfindlich, dass sie sofort weggewischt wären, würde man da mit der Hand drüberfahren. Auch schon ein kräftiger Windstoß könnte einen Teil der Farbpartikel und das teils verwendete Blattgold abtragen. So wurde ein schonendes Konservierungsverfahren entwickelt: Schützend und bindend wird Sektor für Sektor ein hauchdünnes Japanpapier auf die bemalten Wände gelegt. Eine spezielle Flüssigkeit mit leicht klebender Wirkung wird dann aufgetragen, um die Farben dauerhaft zu binden und die bedrohten Malereien zu retten. Immer wieder müssen auch Fugen– und Steinrisse behandelt werden. Es kommt, so wird betont, kein Kunststoff zum Einsatz. Nur im Ausnahmefall wird Stein– und Fugensubstanz ersetzt. Der Erhalt des ursprünglichen Zustands steht im Vordergrund der Bestrebungen, wobei immer wieder auch die Entdeckung von Original-Farbresten aus der Ursprungszeit der Kirche bei den Experten für Glücksgefühle sorgt.
Die heut sichtbaren Wand– und Deckenmalereien stammen „nur“ aus dem 19. Jahrhundert, sind also relativ jung. Kunsthistorisch erklärt Hermann Hänle, dass seine Vorgänger sich seinerzeit bemüht haben, die zwischenzeitlich gotisch gewordene Kirche mit dieser Malkunst zu reromanisieren. Sie also in ihre ursprünglichen Zustand zurück zu versetzen. Hierbei orientierten sich die Kunstmaler des 19. Jahrhunderts an entsprechenden Original-Vorbildern. Die Motive sind Heilige bzw. Märtyrer, durchmischt mit fantasievollen Tierbildern und Blumenornamenten, wobei sich die Künstler hierbei offenbar am äußeren Steinmetzschmuck der Kirche Anregungen suchten. Auch die mächtige Holzdecke der Johanniskirche wird von einem weiteren Spezialistinnenteam restauriert, Gleichzeitig muss dort oben auch der Holzwurm und Schimmelbefall bekämpft werden.
Schön und interessant anzusehen auf der historischen Baustelle Johanniskirche derzeit auch das Kunsthandwerk der Glasmacher, die aufgrund des guten Wetters nun zügig die Kirchenfenster „erneuern“. Und nebenbei ein Blick in einen normalerweise völlig verborgenen Raum, denn ohne das hohe Baugerüst wäre die Zimmermannskunst des Dachstuhls nicht sicht– und erreichbar. Dort grüßt tagsüber die Fledermaus verschlafen auf die rastlosen Restauratoren herab.
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