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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Geschichte und Geschichten rund um den St. Salvator (6): Der heilige Holunderbaum an der Kerkerkapelle und die prüfende Salvatorbrille am Golgatha-​Felsen

Was haben der emotionalste Wallfahrtsort der Christenheit (Lourdes) und die schönste Pilgerstätte im Remstal (St. Salvator) gemeinsam? Beide Orte haben eine große Anziehungskraft auf Menschen, die um Gesundheit, Leben und auch Seelenheil fürchten. Und dem Wasser aus beiden Quellorten wird seit vielen Generationen eine heilsame Wirkung nachgesagt.

Sonntag, 28. März 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (hs). Der Beweis dieser Kraftquelle des Glaubens sowie des körperlichen und seelischen Wohlbefindens, von der die Menschen in früheren Jahrhunderten am St. Salvator geradezu felsenfest überzeugt waren, ist in der unteren Felsenkapelle zu sehen. Eher unscheinbar hängen dort hinter dem schmiedeeisernen Gitter und an der felsigen Nordwand an einer Wandleiste eine Vielzahl von so genannten Votivgaben. Sie sind Zeichen des Dankes für an dieser Stelle erhörte Gebete in allerschwerster Lebensnot. Mit unheilbar erscheinenden Körperleiden müssen schon sehr viele Menschen zum St. Salvator gepilgert sein, um im Gebet Trost und Hilfe zu suchen. In jenen frühen Tagen dieses Gmünder Wallfahrtsberges gab es fürs gemeine Volk ja kaum eine ärztliche Versorgung. Die ersten Krankenhäuser (Spitäler) widmeten sich eher hilflos dem Siechtum als Therapien. So machten sich Schwerkranke auf, um bei Pilgergängen zum St. Salvator ihr Heil zu suchen.
Wohltuendes Wasser und heilsame Begegnung mit der Salvatorbrille
Das Quellwasser aus dem Herz-​Jesu-​Brünnlein am Kreuzweg ist sogar bis in die Neuzeit hinein bekannt dafür, dass es sehr gesund und wohltuend sein soll. Als der Brunnen noch voll funktionierte (er wartet derzeit gleichfalls auf seine Sanierung) waren auch auffallend viele türkische Mitbürger mit Kanistern zugegen, um dort reines Wasser zum Teekochen zu holen. Also fast schon ein interreligiöser Ort. In zeitgenössischen Hinweisen alter Chroniken taucht immer wieder der Hinweis auf Heilwirkung auf, wenn der Pilger sich an den Salvator-​Brunnenfassungen zumindest benetzte, wenn nicht sogar das Wasser reichlich trank.
Und an solchen Ort war es Ehrenpflicht eines jeden Hilfesuchenden, dass er zurück kommen werde, um nach einer Heilung zu danken. Dieses Gelübde lösten die Betroffenen ein, indem sie kleine Votivgaben als Beweis für die Gesundung zwecks öffentlicher Präsentation in der unteren Kapelle hinterließen. Bei genauer Betrachtung der als Votivgaben aufgereihten Körperglieder gewinnt der Forscher den Eindruck, dass im spätmittelalterlichen Gmünd besonders viele Beinleiden an der Tagesordnung gewesen sein müssen.
Seit Menschengedenken wird im ganzen Gmünder Raum auch im Falle von Sehschwächen und Augenleiden ein gutgläubiger Gang auf den Salvator empfohlen. Der große Kirchenbaumeister und Skulputernkünstler Caspar Vogt hat ab 1620 ganz raffiniert mit den Naturgegebenheiten der Felsblöcke gespielt. Am Golgatha-​Felsen sind zwei natürliche Höhlungen erkennbar. Sie wirken auf den Betrachter — je nach Sonneneinstrahlung — so, als würde da der prüfend-​finstere Blick des Herrn den Pilger mit der Frage empfangen, ob dieser seinen Bußgang auf den St. Salvator tatsächlich ernst nimmt. Wohl alle Gmünder zumindest der älteren Generationen sind mit dem mahnenden Sprüchlein der Eltern aufgewachsen: „Mach deine Auga auf! Wenn des jetzt net erkennscht, dann gang schnell nauf zur Salvatorbrill’!“ Es gibt weitere Brillen-​Sehweisen, auch nach dem Motto, dass derjenige Zeitgenosse ein „hoffnungsloser Lügenbeutel“ sei, der die beiden Felsenaugen partout nicht erkennt.
Menschen mit Augenleiden haben diesen Ort verehrt, weil sie im Gebet mit der Hand das Felsenbild hoffnungsvoll streiften, um sich dann zu bekreuzigen. Caspar Vogt hat die Wirkung dieser besonderen Zwischenstation noch mit einem Reliefbild der Kreuzigungsszene verstärkt. Im gelehrten Latein ist dort die zur berühmten Salvatorbrille passende biblische Aufforderung zu lesen: „Erhebe Deine Augen und schau!“ Von hier sind es ja nur noch wenige Meter bis auf den Golgatha-​Felsen am St Salvator, wo sich als dramatischer Höhepunkt der Passionsgeschichte die große Kreuzigunggruppe erhebt. So haben wohl schon unendlich viele Generationen an Salvator-​Pilgern die prüfende und mahnende Station der Salvatorbrille als letzten Hinweis verspürt, endlich darüber nachzudenken, um was es im Leben eines Christen eigentlich geht.
Durchaus als Wunder vom St. Salvator haben kürzlich auch die Archäologen und Historiker bei ihrer umfassenden Begutachtung des Wallfahrtsbergs auch den großen Baumstumpf an der Kerkerkapelle eingestuft. An dieser Wegstation steht ein uralter Holunderbaum. Münsterarchitekt Hermann Hänle hatte in den letzten Jahrzehnten wohlwissend immer wieder seine schützende und bewahrende Hand vor dieses zunächst unscheinbare Holz gehalten. Der Stamm wirkt abgestorben, ist jedoch von wundersam-​lebendiger Bedeutung. Vermutlich wurde er schon vor 400 Jahren im Zuge des Kreuzwegs gepflanzt und scheint für die Ewigkeit bestimmt zu sein. Holunderbäume hatten schon in der Urchristenheit eine heilige Bedeutung. Denn das Holz des Kreuzes Jesu soll aus einem Holunderbaum gefertigt gewesen sein. Zudem gelten Substanzen des Holunder als natürliches und sehr wirksames Heilmittel. Ganz gezielt und hintergründig steht der alte Holunderstamm also an der Kerkerkapelle. Wobei es zauberhafte Erzählungen gibt, wonach auch scheinbar völlig abgestorben Holunderhölzer ganz plötzlich zu neuem Leben erwachen können.
Geheimnisvoller Gang, laut einer Legende bis nach Lorch
Wunder-​Geschichten vom St. Salvator wären unvollständig, würde man Besucher nicht auch an jene geheimnisvolle Türe auf der Turmseite und innerhalb der unteren Felsenkapelle führen. Einst soll dieser finstere Gang, so kennt fast jedes Gmünder Kind diese Gruselgeschichte, bis ins zehn Kilometer entfernte Kloster Lorch geführt haben. Also immer am Limes entlang und vermutlich durch die enorme Ingenieurskunst der Römer verwirklicht. Wir haben nachgeschaut, standen bereits nach einigen Meter am Ende des Gangs.
Doch vielleicht ist er ja nur verschüttet. Auch die Unwahrheit dieser abenteuerlichen Legend muss erst noch jemand beweisen…

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