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Ein Vortrag über die Parlerbauten in Böhmen von Petr Chotebor, Baumeister auf der Prager Burg

Mit welch klangvollen und bekannten Namen sich Gmünd auf Grund seiner reichen Geschichte in eine Reihe stellen kann, ist immer wieder überraschend und mit ein Verdienst Peter Parlers.

Sonntag, 07. März 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 37 Sekunden Lesedauer

VORTRAG (wil). Schließlich schuf der Baumeister des Gmünder Heilig-​Kreuz-​Münsters auch den Prager Veitsdom und noch zahlreiche andere bekannte Gebäude in der Moldaustadt und ihrer böhmischen Umgebung, wie Petr Chotebor darstellte. Umrahmt vom Chor Kantate Domino unter Leitung von Fred Eberle entführte der Chefbaumeister auf der Prager Burg am Mittwoch seine Zuhörer in die mittelalterlichen Bauwerke, die unter Leitung oder Einfluss des großen Gmünders Parler entstanden waren. Münsterpfarrer Kloker konnte mit Petr Chotebor fast schon einen alten Bekannten begrüßen, denn immer wieder informiert dieser in Gmünd oder auch direkt in Prag die Mitglieder des Münsterbauvereins und des Parler-​Rings über das von ihm bestens erforschte Schaffen des bedeutenden Baumeisters. So war auch diesmal der Festsaal des Franziskaners über seine Kapazität besetzt, als Petr Chotebor die Parlerbauten in Böhmen in Wort und Bild vorstellte, wobei er gar auf Fotografien von 1906 zurückgreifen konnte.
Natürlich ist das Hauptwerk Peter Parlers der Prager Veitsdom, und alle Vergleiche und Belege beziehen sich auf ihn. Doch selbst hier fällt es den Stilexperten oft nicht leicht, gesicherte Nachweise zu erbringen, denn es war wohl Parlers Genialität, jedem einzelnen Bauteil des Veitsdomes sein eigenes Gepräge zu geben, den Stil der Funktion des Raumes anzupassen und für viel Individualität zu sorgen. Dennoch zeichnen sich alle Bauwerke Parlers durch zahlreiche typische Details aus, sowohl im baulich-​technischen als auch im künstlerischen Bereich. Für den Veitsdom gelten die Masken und Tiermotive als typisch.
1356 begann Parler, 23-​jährig von Gmünd weggeholt, seine Arbeiten auf der Prager Burg und in der Stadt selbst. Die Allerheiligenkapelle auf dem Hradschin ist ein weiteres Beispiel für Parlers Tätigkeit, doch hat er in der Stadt selbst wichtige Spuren hinterlassen. So baute er die Karlsbrücke und gestaltete vor allem den Altstädter Brückenturm mit seinen Skulpturen. Im Torbogen sind noch heute die Gewölbe-​Experimente zu erkennen, wie Parler die Stabilität des Bauwerks – offenbar erfolgreich – sicherte und eine ganz andere Art der Gewölberippen anbrachte.
Die zweigeschossige St.-Bartholomäus-Kirche in Kolin hat große Ähnlichkeiten mit dem Gmünder Münster und wirkt auch sehr massiv. Die breiten Wandflächen des Chors sind die Stirnseiten der tragenden Pfeiler und wechseln regelmäßig mit den Fenstern, so dass die Statik der Ästhetik untergeordnet wird. Abgeschlossen und stabilisiert wird der Chor dann von einem Pfeiler, der die gotische Steilheit besonders betont. Doch auch am Strebewerk des Domchors ist Parler eine technische Innovation gelungen. Statt wie herkömmlich die Streben mit dem oberen Mauerwerk fest zu verbinden, begnügte sich Parler mit einem Eisenanker, der dem ganzen Aufbau Halt gab. Dadurch wurde die komplizierte Arbeit sehr viel einfacher und schneller bewältigbar. Petr Chotebor konnte mit eindrucksvollen Bildern belegen, dass auch in der Allerheiligenkapelle, in der St.-MichaelsKirche in der Prager Altstadt und am Altstädter Brückenturm diese Bauweise angewandt wurde. Auch die St.-BarbaraKirche in der alten Bergbaustadt Kuttenberg (Kutná Hora) geht auf die Parler selbst zurück und wurde wohl von Peters Sohn Johann geplant. Die Spuren der Parlerfamilie und der Baumeister, die in Parlers Bauhütte ihre Ausbildung erhielten, sind weit verzweigt. Sie finden sich im nordböhmischen Nymburk und an der Kirche Maria im Gestade in Wien, am Altstädter Rathaus und der Tein-​Kirche in Prag, an der Universität und auf der Kleinseite. Auf der Burg Oybin im ostsächsischen Zittau und auf der Burg Elbogen im Egertal sind Parlerzeichen zu finden und selbst im Dom von Bozen sind typische Stilmerkmale aus der Umgebung Parlers nachzuweisen. Direkte Spuren Parlers auszumachen bezeichnete Petr Chotebor als schwierig, war es doch für Parler charakteristisch, alle Aufgaben individuell zu bearbeiten. Doch sein Einfluss reichte weit über die Grenzen Böhmens hinaus, seine Faszination ist bis heute ungebrochen, wie Kurt Scholze angesichts der vielen Zuhörer in seinem Schlusswort befriedigt feststellen konnte.

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