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Dr. Albrecht Fiedler heilte vor 40 Jahren Christiane Eichenhofer /​Wie arbeiten Kliniken heute?

Als Christiane Eichenhofer – treibende Kraft der jährlich stattfindenden Prominenten-​Radfahrt „Tour Ginkgo“ – vor 40 Jahren an Leukämie erkrankte, waren ihre Überlebenschancen extrem gering. Doch gemeinsam mit dem Gmünder Kinderarzt Dr. Albrecht Fiedler schaffte sie das schier Unmögliche. Von Gerold Bauer

Donnerstag, 27. Mai 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

MUTLANGEN/​LORCH. „Du warst damals die erste meiner Leukämie-​Patienten, die überlebte“, erinnert sich der Gmünder Kinderarzt Dr. Albrecht Fiedler an die Behandlung der seinerzeit fünfjährigen Christiane Eichenhofer. Fiedler, der bis vor Kurzem Mitinhaber einer Gemeinschaftspraxis in Gmünd war und zuvor Jahrzehnte lang im Margaritenhospital gewirkt hatte, war damals erst 27 Jahre alt. Ein Alter, in dem heute kaum jemand den akademischen Teil des Medizinstudiums beendet hat, geschweige denn bereits verantwortlich als Arzt tätig ist.
„Dr. Fiedler hatte es nie eilig“, erzählt Christiane Eichenhofer, für die über lange Zeit zwangsläufig das Krankenhaus zu ihrem zu Hause wurde. Übernachten der Eltern im Krankenzimmer? Damals undenkbar — und auch die strikten Besuchszeiten schränkten den Kontakt mit ihren Eltern sehr stark ein. „Deshalb hat sich Dr. Fiedler immer wieder die Zeit genommen, mit mir am Krankenbett zu sitzen. Dort haben wir zusammen aus leeren Medikamenten-​Packungen Puppenhäuschen gebastelt. Und ich wollte mir nur von Dr. Fiedler meine Spritzen geben lassen!“
Ein damit exakt übereinstimmendes Bild des nun pensionierten Gmünder Mediziners zeichnet auch der Dr. Jochen Riedel, seit Herbst Chefarzt der Kinderklinik in Mutlangen. Da Riedel als Lorcher der zufällig mit der Wahldhäuserin Christiane Eichenhofer zusammen die Schulbank gedrückt hat, und sich sein beruflicher Werdegang mit dem von Dr. Albrecht Fiedler gekreuzt hat, trafen sich beide mit Christiane Eichenhofer dieser Tage. Auch die Rems-​Zeitung durfte dabei sein.
„Dr. Fiedler war mein erster Oberarzt, und für uns junge Ärzte war seine ausgeglichene, stets hilfsbereite Art nicht nur ein Vorbild, sondern auch eine große Beruhigung!“, berichtet Riedel. Denn wenn für die „Anfänger“ die ersten Nachtdienste anstanden, habe Fiedler völlig unbürokratisch sein Nachtquartier in der Klinik aufgeschlagen und den jungen Kollegen gesagt, sie könnten ihn jederzeit wecken, wenn sie sich bei einer Entscheidung nicht sicher sind.
Trotz seines feinsinnigen Humors einer einer betont versöhnlichen Art mangelte es Dr. Albrecht Fiedler nie an der nötigen Konsequenz, wenn er medizinisch nötige Schritte in die Wege leiteten musste. „Ich hatte mich mit der damaligen Autorität in der Leukämie-​Behandlung, Prof. Hertel, beraten und die Therapie abgesprochen“. Neben den Medikamenten, die das unkontrollierte Zellwachstum in Christiane Eichenhofers Blut bremsten, wurde das Mädchen auch in einem speziellen „Bunker“ in München radioaktiv bestrahlt.
„Es war damals zwar nicht üblich, dass Krankenhäuser ihre Patienten weiter überwiesen haben, doch der erst 27-​jährige Dr. Fiedler hat sich damals gegenüber seinem Chef durchgesetzt, so dass ich in München eine Behandlung bekam, die in Gmünd nicht möglich war“, ist Christiane Eichenhofer ihrem damaligen Arzt bis heute dankbar. Dass die zweifache Mutter viel viel später auch mit ihren eigenen beiden Kindern zu Dr. Albrecht Fiedler in die Kinderarztpraxis kam, wundert niemand – eine Sache des Vertrauens, die auf eigenen positiven Erfahrungen beruht.
Kooperation mit Spezialisten
ist heute allgemein üblich
„Heute könnte man es sich als Klinik überhaupt nicht mehr leisten, Patienten im Alleingang behandeln zu wollen. Jeder Mediziner muss verantwortungsvoll prüfen, wo sein eigenes Wissen und Können an Grenzen stößt“, sagt Stauferklinik-​Chefarzt Dr. Riedel mit Nachdruck. „Es wäre nicht zu verantworten, wenn aufgrund von Nichtwissen die optimale Behandlungsmethode nicht eingesetzt würde“. Die Medizin ist laut Riedel in vielen Bereichen so weit fortgeschritten, dass ein einzelner Kinderarzt nicht mehr alle Details und Therapie-​Möglichkeiten überblicken kann – da sei es doch nur sinnvoll, sich mit Spezialisten zu beraten. Und es habe sich inzwischen bewährt, dass im Bereich der Behandlung von Kindern die gleiche Spezialisierung erfolge wie bei den Erwachsenen. So gebe es zum Beispiel heute Kinderonkologen, die sich gezielt mit der Behandlung von Krebs bei Kindern befassen.
„Ein Krankenhaus, das für eine flächendeckende Versorgung möglichst breit aufgestellt sein muss, kann im Hinblick auf ein ganz spezielle Krankheitsbild nie das Gleiche leisten, wie eine damit befasste Uni-​Klinik“. So werden auch Knochenmarkspunktierungen in der Regel nicht in der Stauferklinik gemacht. „Obwohl ich dies natürlich auch selbst könnte“, räumt Dr. Riedel ein. Aber es sei sinnvoll, die Probe gleich dort zu ziehen, wo sie zeitnah und ohne riskanten Transport in den entsprechenden Laboreinrichtungen untersucht werden kann.
Ein weltweiter Informationsaustausch ist mit Hilfe elektronischer Kommunikationsmedien heute sehr einfach geworden, betont Riedel und berichtet, dass erst kürzlich dank der globalen Datenbank-​Vernetzung ein deutscher Patient einen passenden Knochenmarkspender in den USA fand. Mit Hilfe von Stammzellen, also durch Knochenmarksübertragung, eine Leukämie zu behandeln, ist erst sei einem guten Dutzend von Jahren üblich. Vor 40 Jahren, als Dr. Albrecht Fiedler mit den Eltern am Bett der kleinen Christiane stand, gab es diese Therapieform noch genauso wenig wie viele heute alltägliche Diagnosemethoden. Man konnte damals in vielen Fällen nicht auf Apparate und Labormethoden zurück greifen, die inzwischen selbstverständlich sind“, erinnert sich Dr. Fiedler an seine Anfangsjahre im Margaritenhospital.
Wo heute mit wissenschaftlicher Präzision diagnostiziert und therapiert wird, war früher oftmals die ärztliche Intuition die einzige Möglichkeit. „Aber auch heute darf das Menschliche in der Klinik nicht fehlen“, betont Christiane Eichenhofer, die aus eigener Erfahrung besser als alle anderen weiß, wie wichtig persönliche Zuwendung für kleine Patienten ist. Und Chefarzt Dr. Riedel gibt ihr Recht. „Bei allem Termin– und Kostendruck müssen wir uns Zeit nehmen für unsere kleinen Patienten. Und je schlimmer die Erkrankung ist, desto mehr müssen wir uns um die Kinder und ihre Familie kümmern.“
Deshalb machen sich sowohl Eichenhofer als auch Riedel im Rahmen der „Tour Ginkgo 2010“ dafür stark, dass mit Hilfe von Spenden der „Bunte Kreis“ an der Stauferklinik etabliert werden kann — ein interdisziplinäres und stark vom Ehrenamt getragenes Nachsorgeangebot für Familien mit schwerkranken Kindern.

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