Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Arbeitskreis Alt-​Gmünd öffnet an Sonn– und Feiertagen den Königsturm mit seinem furchterregenden Verlies

Er ist zwar überragend in der so reichen „Türmleslandschaft“ der Stauferstadt, dennoch ist der „Riese“ in den letzten Jahren ein wenig in den Schatten des Johannisturms gerückt. Dabei können Bürger und Besucher von Schwäbisch Gmünd auch im Königsturm so unendlich viel über die Geschichte der Stadt erfahren und nachempfinden.

Mittwoch, 02. Juni 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (hs). Nicht zuletzt aufgrund der bürgerschaftlichen Spendenaktion „Treppen in den Gmünder Himmel“, die den Johannisturm zum öffentlich besteigbaren Aussichtsturm direkt am Marktplatz gemacht hat, ist bei vielen Gmündern und Touristen fast schon in Vergessenheit geraten, dass unsere schöne Stadt das Glück hat, gleich zwei sehenswerte und öffentlich zugängliche „Hochwächter“ zu besitzen. Fast noch prächtiger als von der Turmstube des Kirchturms aus können Besucher des Wehrturms einen majestätischen Blick über die gesamte Altstadt und weit ins Remstal hinein genießen. Und hierbei können sie viel über stolze und auch manche traurige Geschichten der Staufer– und Freien Reichsstadt nachempfinden.
Der Arbeitskreis Alt-​Gmünd hatte schon vor etwa 30 Jahren in mühsamer Überzeugungsarbeit und vor allem auch in ehrenamtlicher Handarbeit den Königsturm als Aussichtspunkt und Geschichtsstätte für die Allgemeinheit hergerichtet. Man will’s fast nicht glauben, dass der mächtigste der sechs noch erhaltenen Wehrtürme bis in die 70er-​Jahre hinein sogar noch bewohnt war. Etliche Jahre stand er leer. Im Rathaus wurden ehrgeizige Pläne für ein „Höhencafe“ entwickelt und wieder verworfen. Zupackende Gmünder griffen ein und bewahrten das mittelalterliche Bauwerk erstens vor dem Verfall und zweitens vor einem übertriebenen Ansturm modernen Zeitgeistes. An allen Sonn– und Feiertagen halten treue und sachkundige Mitglieder des Arbeitskreises Alt-​Gmünd „Turmwache“. Für einen Euro Eintritt gibt’s nicht nur den grandiosen Aufstieg über 144 Treppenstufen in fast 40 Meter Höhe, sondern viel Information rund um die Entstehung und die wechselvolle Geschichte des Königsturm. Allein schon um dessen Namensgebung ranken sich viele Geschichten. Waren es die „Königsjuden“ im unmittelbar am Fuße des Turms liegenden historischen Judenviertels der Stadt, die dem großen Nachbar den Namen verliehen? In der Nähe gab es im Mittelalter auch einen „Königsbronner Hof“. Auf jeden Fall passt die königliche Namensgebung allerbestens zum majestätischen Erscheinungsbild des besonders kräftigen und vermutlich sogar ältesten Wehrturms, der die äußere Stadtmauer sicherte. Mitte des 14. Jahrhunderts beginnen die Bauphasen. Der Königsturm ist Symbol dafür, dass die Stauferstadt seinerzeit innerhalb des ersten Stadtmauerrings aus allen Nähten platzte.
Denkmal einer stolzen Stadtentwicklung bereits im Mittelalter
Neue Vorstädte für die besonders erfolgreichen Handwerker, so beispielsweise die international bekannten Sensenschmiede in den beiden Schmiedgassen, mussten her. Dazu auch einige städtische Bauernhöfe, um im Falle einer längeren Belagerung die Versorgung der stolzen Stadt sicherzustellen. In der damaligen Kleinstaaterei und durch all die vielen politischen und religiösen Wirren hindurch hatte die erfolgreiche Stadt Gmünd viele Neider und Feinde. So war der Königsturm der wichtigste Hochwächter, um frühzeitig Feinde zu erkennen, um die Stadttore zu schließen und die Wehrmauer zu besetzen. Doch in früheren Jahrhunderten drohten in der Stadt auch große innere Gefahren. „Einem Feinde, den es mit aller Kraft zu bekämpfen gilt“ wurde in mittelalterlichen Stadtgesetzen besonders die Feuersgefahr gleichgestellt. Dazu kamen auch moralische Bedrohungen durch Trunkenbolde, Mannsbilder und Weibsleute, die in den Nachtstunden vergaßen, wo sie daheim sind. Rund um die Uhr hielten Turmwächter Ausschau. Entdeckten sie Feinde oder Feuersgefahr wurde mit der Turmglocke Sturm geläutet. Laternen und Fahnen zeigten die Himmelsrichtung an, wo Unheil drohte. Noch in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts beschäftigte die Stadt auf dem Königsturm solche Turmwächter. Es muss ein harter Job gewesen sein — ohne Wasseranschluss, die vielen Treppen, die Kälte, dann auch bei Blitz und Donner. Ist für den heutigen Besucher der himmlische Blick vom Turm und die vielen Einzelheiten der Bauweise mit ihren Wehreinrichtungen (Schießscharten, Zugang zur Stadtmauer usw.) voller Bewunderung, so erlebt man beim Gang hinab ins Turmverlies Furcht und Schaudern. Im Erdgeschoss befindet sich das vergitterte „Angstloch“. Durch dieses wurden die Gefangenen hinab in den dunklen Keller gehievt. Bei Brot und Wasser in fast völliger Dunkelheit waren es Haftbedingungen, die die Gefangenen in Verzweiflung trieben. Davon zeugen die Zeichen, Zahlen und Kreuze, die dort unten in die Steinquader geritzt wurden. Das Verlies erinnert auch an die finstere und furchtbare Epoche der Hexenverfolgung, die auch vor den Stadtmauern von Gmünd nicht Halt machte. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Verlies zu einem Luftschutzkeller ausgebaut. In der Turmwohnung hielten Luftschutzbeobachter nach feindlichen Flugzeugen Ausschau.
Exakt 39.89 Meter hoch ist der Königsturm. Weil er eh auf einem höhergelegenen Gebiet der Altstadt steht, wirkt er noch mächtiger. Der Blick schweift sozusagen „in Augenhöhe“ hinüber zum Wetterhahn auf dem Johannisturm. Auch dort schauen die Turmbesteiger aus den Fenstern. Lustig winkt man sich zu — und freut sich als Gmünder, zwei so tolle Aussichtstürme seinen Gästen anbieten zu können.

Der Königsturm ist in den Sommermonaten an allen Sonn– und Feiertagen jeweils zwischen 14 und 16 Uhr geöffnet. Mit dem Eintrittsgeld in Höhe von einem Euro unterstützen die Besucher die ehrenamtliche Arbeit des Arbeitskreises Alt-​Gmünd.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

2520 Aufrufe
803 Wörter
5076 Tage 5 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 5076 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2010/6/2/arbeitskreis-alt-gmund-offnet-an-sonn--und-feiertagen-den-konigsturm-mit-seinem-furchterregenden-verlies/