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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Gmünder Friedensarbeiter-​Ehepaar unterwegs in den Niederlanden und Belgien

Damit sie alle Stationierungsorte von US-​Atomwaffen in Europa besucht haben, war das Gmünder Friedensarbeiter-​Ehepaar Brigitte Schlupp-​Wick und Wolfgang Schlupp-​Hauck im Januar in den Niederlanden und Belgien unterwegs – wegen des Winters mit dem Zug.

Dienstag, 01. Februar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (shw). Es wurden drei Wochen unterschiedlichster Erlebnisse: ein Radausflug durch die Nordsee-​Dünen, ein Besuch der Soldatenfriedhöfe bei Ypern, Hintergrundgespräche im Brüsseler NATO-​Hauptquartier, wie die beiden hier berichten:
„Auf der Friedenstour mit unserem Tandem hatten wir in der Türkei mit Incirlic sowie in Italien mit Aviano und Ghedi die Fliegerhorste besucht, auf denen die USA Atombomben lagern. Wir haben nun unsere Besuchsrunde vervollständigt. Mit dem Zug fuhren wir gen Norden und dann kreuz und quer durch die Niederlande und Belgien. Dabei besuchten wir wieder Friedensgruppen und Mayors for Peace.
In den Niederlanden gibt es zur Zeit kaum Aktionen gegen die dort gelagerten Atomwaffen. Pax Christi macht konsequent Lobbyarbeit für deren Abzug. In einem riesigen Einkaufzentrum in Utrecht suchten wir das Büro der katholischen Friedensorganisation. Zwischen einem Drogerie-​Markt und Boutiquen entdeckten wir einen repräsentativen Empfangsbereich hinter dem die Friedenstaube prangt. Wir trafen uns dort mit Susi Snyder. Sie erklärte uns, dass der Eigentümer des Einkaufzentrums Friedensprojekte durch günstige Mieten fördert. Sie berichtete, dass sie mit allen 28 Länder-​Missionen bei der NATO Hintergrundgespräche zur Nuklearwaffenpolitik geführt hat. Wir freuten uns zu hören, dass ihr dabei erzählt wurde, dass sich Deutschland sehr stark für den Abzug der US-​Atomwaffen eingesetzt hat.
Theo van den Heuvel ist ein skurriler niederländischer Aktivist gegen die Atomwaffen vor seiner Haustür. Er hat ein Waldstück neben dem Fliegerhorst Volkl gekauft, das er als „Atomfreien Staat“ bezeichnet. Er übergab uns Pässe, die zum Zutritt berechtigen. Zwischen umgestürzten Bäumen will er ein Friedensdenkmal errichten. Wir pflanzten dort ein Bäumchen. Dafür hat Theo die Presse eingeladen. Das lokale Fernsehen und die Zeitung erwarteten uns schon. Nach den Interviews fuhr uns Theo auf rumpelnden Feldwegen um den Fliegerhorst und begleitete uns dann zum Bürgermeister in Uden. Bürgermeister Henk Hellegers hat keine Unterstützung des Gemeinderates und tut sich nach unserem Eindruck schwer, aktiv als Mayor for Peace aufzutreten.
Ganz anders war das im belgischen Peer. Bürgermeister Theo Kelchtermans berichtete uns, dass der Stadtrat die Mitgliedschaft bei Mayors for Peace unterstützt. Auf dem Fliegerhorst Kleine Brogl gibt es 1600 Arbeitsplätze. Aber die Bevölkerung differenziert zwischen Erhalt der Arbeitsplätze und den Atomwaffen. Selbst der Commodore habe sich gegen Atomwaffen ausgesprochen. Im März veranstaltet die Stadt eine Diskussionsveranstaltung mit dem ehemaligen NATO-​Generalsekretär Willy Claes, der sich für den Abzug der Atomwaffen aus Kleine Brogl einsetzt.
In Belgien ist die Friedensbewegung mit gewaltfreien Aktionen in Kleine Brogel aktiv. Sie organisiert die Kampagne „Bombspotting“. Nachdem der Internationale Gerichtshof in einem Beschluss Atomwaffen als illegal erklärte, starteten erste Go-​In Aktionen. Inzwischen steigen bei Großaktionen über 1000 Menschen über den Zaun. Sie werden festgenommen, aber es gibt keine Strafverfolgung. Der Staatsanwalt müsste Anklage vor einem Geschworenengericht für politische Straftaten erheben. Dies tut er nicht, um einen möglichen Freispruch zu vermeiden. Einer kleinen Bombspotter-​Gruppe ist es gelungen bis zu den Atomwaffenbunkern vorzudringen, ihre Aktion zu filmen und auf „you tube“ zu stellen.
Diese Aktionen haben ihre Wirkung in der NATO. Das erfuhren wir bei zwei Terminen, zu denen wir im NATO-​Hauptquartier verabredet waren. Wir trafen einen Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland und einen Mitarbeiter des „Internationalen Staffs“ der NATO. Mit beiden sprachen wir über die nukleare Teilhabe und das neue strategische Konzept.
Anders als bei den bisherigen Empfängen und Gesprächen gibt es kein Foto und auch keine Namensnennung unserer Gesprächspartner. Wir aßen gemeinsam im Staff-​Center. „Keine Gespräche über Verschlusssachen“ mahnt ein Schild am Eingang. Die Gesprächsatmosphäre war gediegen, freundlich – trotz gegensätzlicher Standpunkte. Dass die NATO Krieg führt, ist hier nicht zu spüren.
Die Kriegsfolgen des ersten Weltkrieges bekamen wir in Ypern zu sehen. Um die Stadt Dutzende Soldatenfriedhöfe. Hier wurde zum ersten Mal auf der Welt Giftgas eingesetzt. Die Grabsteine auf den Friedhöfen, die Namenslisten auf den Denkmälern nehmen kein Ende. Jeden Abend um 20 Uhr wird hier zur Erinnerung am Stadttor der Zapfenstreich geblasen. Ypern will als Friedensstadt neben der Erinnerungsarbeit auch aktive Friedensarbeit leisten. Daher stellt sie im Rathaus Büroräume für die Kampagnenarbeit der Mayors for Peace und Wohnraum für Freiwillige zur Verfügung.
In Alkmaar war uns das Wetter hold, die Sonne schien, so machten wir auf geliehenen Rädern mit Johanna Pfeffer und ihrem Partner Jan einen Radausflug durch die Nordsee-​Dünen. Jan erklärte uns die Landgewinnung in Nordholland. Die Dünen und Deiche schützen vor Überflutung. Die zahlreichen Windmühlen wurden zum Wasserpumpen gebaut, um das Land trocken zu legen. Heute haben elektrische Pumpen diese Arbeit übernommen und moderne Windräder erzeugen Strom.
Neue Radelpläne besprachen wir mit Johanna. Sie organisiert für die bayrische Friedensgesellschaft für den kommenden Sommer eine Friedensradeltour über die Alpen nach Italien. Die Radtour soll international werden. Wir werden mit unserem Tandem teilnehmen und Menschen, die wir bei den Besuchen der Atomwaffenstandorte kennen lernten, zum Mitfahren einladen. Wir entwickelten weitere Aktionspläne für die kommenden Jahre: eine Radtour in der Türkei nach Incirlic und eine weitere vom deutschen Fliegerhorst Büchel über den belgischen Standort Kleine Brogel zum niederländischen Volkl.

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