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Die Straßdorferin Julia Stadelmaier hat für den Waldstetter Verein Hilfe für Togo ein medizinisches Praktikum in Afrika absolviert

ei Monate hat eine 20-​jährige Straßdorferin in Togo verbracht, um dort im Geburtshilfezentrum und im Krankenhaus Menschen zu helfen. Schon als Schülerin hat sich die angehende Medizinstudentin als ehrenamtliche Rettungssanitäterin engagiert. Von Gerold Bauer

Freitag, 11. Februar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
4 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND /​WALDSTETTEN. Als Julia Stadelmaier ihrer Familie mitteilte, dass sie zwischen Abitur und Medizinstudium noch drei Monate lang ein medizinisches Praktikum im afrikanischen Togo absolvieren würde, haben die Eltern und die Schwester der 20-​jährigen Straßdorferin erst einmal die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. „Ich komme aus einem sehr bodenständigen und heimatverbundenen Haus, selbst im Urlaub wurden keine Fernreisen unternommen“, hat die junge Frau durchaus Verständnis dafür, dass ihre Angehörigen zunächst überhaupt nicht von ihren Afrika-​Plänen begeistert waren.
Dabei hat Julia Stadelmaiers Biographie schon bisher deutlich gezeigt, dass sie kein leichtlebiger Mensch ist, sondern sehr vernünftig ihre Ziele angeht – zum Beispiel im sozialen Bereich. Angefangen hat alles mit einer Ausbildung als Schulsanitäterin am Parler-​Gymnasium, wo sie im Kreise einer Handvoll Mitschüler eine vertiefte Erste-​Hilfe-​Ausbildung durchlief und am Ende auch eine Prüfung erfolgreich ablegte. „Es waren vor allem Pflästerle-​Einsätze im Schulsport“, erinnert sie sich an diese Zeit.
Doch ihr soziales Engagement war damit bei Weitem nicht erschöpft. Sie folgte dem Beispiel ihres Onkels Armin Sonnentag und ließ sich ebenfalls als ehrenamtliche Rettungsassistentin beim Malteser Hilfsdienst ausbilden. Während Gleichaltrige am Wochenende auf Partys gingen, büffelte sie in Stuttgart zusätzlich zum normalen Schulunterricht auch noch den Lehrstoff fürs Rettungswesen. Nach bestandener Prüfung leistete Julia Stadelmaier an Wochenenden ehrenamtlichen Dienst auf der MHD-​Rettungswache und fuhr im Krankenwagen als Helferin mit zu den Einsätzen.
Was sie dabei lernte, kam ihr natürlich beim Praktikum in Togo sehr zugute – zumal es dort kaum gesetzliche Einschränkungen gibt und die 20-​jährige deshalb schon medizinische Tätigkeiten ausführte, die in Deutschland nur Ärzte machen dürfen. Der ausgebildete Krankenpfleger habe in der vom Verein Hilfe für Togo getragenen Gesundheitsstation jene Aufgaben, die in deutschen Kliniken die Stationsärzte übernehmen. „Und als man bei der Einweisung gesehen hat, dass ich Zugänge legen und Spritzen geben kann, durfte ich dies fortan selbstständig machen“. Im Geburtshilfezentrum hat die junge Straßdorferin – teils zusammen mit der Hebamme, teils sogar allein – insgesamt 15 jungen Togolesen dabei geholfen, das Licht der Welt zu erblicken. Welcher Medizinstudent kann das schon von sich behaupten? Julia Stadelmaier ist sehr wohl bewusst, dass sich diese Praxis-​Erfahrung sowohl im Studium als auch später als Ärztin vorteilhaft auswirken wird. Schließlich sei Medizin nicht nur eine theoretische Angelegenheit. All jenen, die im Hinblick auf den Numerus Clausus nur „gebüffelt“ haben, hat sie – gemessen an ihrem Lebensalter – eine Menge an Lebenserfahrung voraus. Was ihren medizinischen Einsatz in Afrika angeht, werden diese ersten drei Monate nicht die letzten gewesen sein – da ist sich die angehende Ärztin sicher. „Ich werde versuchen, dass ich zum Beispiel eine Famulatur in Togo machen kann“.
Von Afrika geträumt und sich anhand von Büchern und Reportagen damit beschäftigt – dies hat sie schon als sehr junges Mädchen getan. Doch erst durch die Vermittlung des Togo-​Verein-​Vorsitzenden Anton Weber vom Schlatthof wurde es möglich, diesen Traum auf eine so besondere Art zu verwirklichen. So konnte sie im Herbst (nach einem anderen Praktikum in der Stauferklinik) mit Weber und anderen Mitglieder einer Delegation nach Togo reisen. Dank des Französisch-​Unterrichts in der Schule klappte nach ein paar Wochen die Verständigung mit den Einheimischen recht gut, und von ihrer Gastfamilie schwärmt Julia Stadelmaier geradezu. „Ich habe eine tolle Familie zu Hause, die mich mit Mails, SMS und Anrufen immer unterstützt hat – und ich habe nun noch ein zweites Zuhause bekommen!“.
Wo die Menschen mit
so wenig zufrieden sind
Generell habe sie die Herzlichkeit der Leute in Togo tief beeindruckt. „Die Menschen sind mit so wenig zufrieden, und die Schulkinder sind glücklich darüber, wenn sie die Möglichkeit bekommen, etwas zu lernen“. Die Schulranzen, Mäppchen und kleinen Geschenke aus dem Gmünder Raum machen den Kindern in Togo eine Riesenfreude, hat die Straßdorferin immer wieder erlebt.
Mit Hilfe einer Spende von Abiturienten am Parler-​Gymnasium (rund 600 Euro) wurde von Julia Stadelmaier in Absprache mit Anton Weber im Gesundheitszentrum Solidarité in Kpalimé inzwischen ein Fond für Sozialfälle, der von Hilfe für Togo e.V. eingerichtet. Ziel dieses Fonds ist es, die Untersuchung und Behandlung aller Menschen, die das Centre aufsuchen, zu gewährleisten. Kein Kranker soll nach Hause geschickt werden, weil er nicht die finanziellen Mittel hat.
Sobald ein Patient nach der Erstuntersuchung die Laboranalyse oder die notwendigen Medikamente nicht bezahlen kann, entscheidet ein Komitee darüber, inwieweit der Kranke Unterstützung erhalten kann. Wenn medizinisches Material, wie Spritzen, Kanülen oder Verbände benötigt wird, stelle man dieses aus den Sachspenden des Togovereins kostenfrei zur Verfügung. Gleichzeitig wird versucht, die Patienten je nach ihren Möglichkeiten zu einer kleinen Selbstbeteiligung zu motivieren.
„Wir als Weiße bleiben bei diesem gesamten Vorgang im Hintergrund, da der Fond in erster Linie dem Solidarité dienen soll. Es ist nicht unser Anliegen, das Bild der reichen Geldgeber aus Europa zu verstärken.”, erzählt Julia Stadelmaier.
Einige Beispiele zeigen, dass dieser Fonds schon in den wenigen Monaten seines Bestehens sehr segensreich wirken konnte. Dabei wurden für Laboruntersuchungen insgesamt zirka 29 Euro zur Verfügung gestellt, für Medikamente und Behandlungen waren es etwa 85 Euro. Man sieht, dass mit für deutsche Verhältnisse geringen Summen sehr viel bewirkt werden kann. Beispielsweise kam ein vierjähriges Mädchen in sehr schwachem Zustand ins Gesundheitszentrum. Die Mutter konnte zwar die erste Untersuchung und Behandlung selbst bezahlen, doch für die Analyse fehlten ihr knapp fünf Euro, die aus dem Fonds übernommen wurden. Bei der Blutuntersuchung stellte sich heraus, dass die Kleine an einer schweren Malaria erkrankt ist. Nach vier Tagen im Krankenhaus erholte sie sich dank der Unterstützung gut. Die benötigten Medikamente im Wert von etwa 42 Euro hätte sich diese Familie nie leisten können – das Kind wäre vermutlich gestorben.
„Es hat sich gelohnt – ich bereue keinen einzigen Tag!”, lautet das Fazit ihres Afrika-​Einsatzes. „Man kann zwar allein die Welt nicht verändern, aber man kann in kleinen Dingen Erfolg haben und Menschen helfen!”.

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