Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Kultur

Claus von Wagner zelebrierte drei Sekunden Gegenwart und wirft Schlaglichter auf den Sorgerechtsstreit

Es ist der natürlichste Wunsch des Vaters, seine Tochter zu sehen – doch was macht die sogenannte moderne Gesellschaft aus dem, was man einst Familie nannte? Claus von Wagner singt ein Lied davon.

Freitag, 18. Februar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 26 Sekunden Lesedauer

KABARETT (wil). Die moderne Frau macht Karriere, ist mobil und flexibel auch in der Wahl des Lebensabschnittspartners, und so sind Heerscharen von Juristen und Experten in das Problem der Sorgerechtsregelung involviert. Claus von Wagner zeichnet pointiert und trotzdem sehr menschlich das Bild einer Gesellschaft, die keine Vorbilder mehr kennt.
Zu recht ausverkauft war das Café Spielplatz am Mittwochabend, als Claus von Wagner wieder einmal ein Gastspiel gab. Eine Viertelstunde plauderte der sympathische „Nicht-​Bayer“ mit dem Publikum, ließ in seine fast dramatische Kindheit blicken und erzählte vom schweren Los des Kabarettisten. Schwer getroffen habe ihn der Rücktritt von Roland Koch, der allein in Hessen 300 Kabarettisten ernährt habe.
Doch dann beginnt er sein neues Soloprogramm auf dem Dachboden seiner Eltern, wo er ein Video sucht, das ihn als guten und geliebten Vater zeigt. Denn seine Ex Penthesilea will ihm das Umgangsrecht mit Töchterchen Karla streitig machen – und schon steckt von Wagner mitten in der Gesellschaftssatire. Er schildert ihre gemeinsame Zeit im Espressorausch in der Fußgängerzone, erinnert sich an die per e-​mail verschickten Geburtsanzeigen (30 Fotos nackter Kinder auf dem PC) und den Start ins Berufsleben. Verheiratet waren er und seine Ex nie: Bei der heutigen Scheidungsrate sind Hochzeitsgäste die reinsten Katastrophentouristen! Etwas klischeehaft schildert er die Schulzeit und die Wahl der Schulart, die er rein am Geld festmacht, womit das strohdumme Professorentöchterlein Vanessa dann bei der UNO unterkommt. Geschickt bezieht er früher erwähnte Details wieder ein, verknüpft somit sein Programm zu einem engmaschigen Netz und lässt die Zuhörer zunächst herzlich lachen.
Er betrachtet die Welt, in die seine Tochter geboren wurde und die verantwortlichen Politiker, wobei er Angela Merkel äußerst gelungen imitiert. Auch die CSU bekommt mit ihrem dreistufigem Argumentationskonzept „ha? – wos? – na!“ ihr Fett weg. Andere sind nicht besser: mit der rechten Gehirnhälfte gegen Ausbeutung, gehen sie mit der linken zu H & M einkaufen.
Die biologisch-​dynamische Lebensmittelproduktion ist ihm ein Anliegen, und wenn erst jedes Nutztier seinen Chip hat und jedes Korn nachverfolgbar ist, dann haben wir die intelligenten Lebensmittel. Dann darf es aber auch nicht verwundern, wenn sich der Joghurt auf dem Blackberry meldet und sich über den Biokäse beschwert.
Schon fast ein Standardprogrammpunkt ist der Handytelefonierer im Zug, den Claus von Wagner mit verschiedenen Boshaftigkeiten in den Wahnsinn treibt. Dafür weiß er sich auch im überfülltesten Abteil einen freien Platz zu sichern – während der Schweinegrippehysterie einmal niesen und dann ins Handy über Mexiko sprechen.
Auf seinem Speicher finden sich die Spuren jeder Lebensphase. Das rote Sparbuch bringt ihn zur Bankenkrise und in die Lebenswelt des Urgroßvaters, der im ersten Weltkrieg das Stück vom Kasperl und der Syphilis erfunden hat. Als er dieses nun einem Sender anbieten wollte lehnte dieser ab – man habe schon was mit Oliver Pocher!
Doch all diese Schlaglichter und unermüdlich niederprasselnden Pointen sind nur Einschübe in seinen Sorgerechtsstreit. Immer wieder thematisiert er den Umgang mit den Anwälten, der Richterin und der Sachbearbeiterin beim Jugendamt, wo er als Vater wie ein natürlicher Feind des Kindes angesehen wird. Und dann macht er den Sack zu.
In seiner Gerichtsverhandlung kommen nicht nur seine „Gegner“ wie der neue Lover der Mutter auf die Anklagebank sondern auch die Umstände und die Gesellschaft, die von Angela Merkel vertreten wird. Und so endet das Programm mit großen Worten.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

8594 Aufrufe
586 Wörter
4809 Tage 14 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 4809 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2011/2/18/claus-von-wagner-zelebrierte-drei-sekunden-gegenwart-und-wirft-schlaglichter-auf-den-sorgerechtsstreit/