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Besuch im Hofladen in Adelstetten: Der jüngste Dioxin-​Skandal hat bei bäuerlichen Direktvermarktern die Nachfrage verstärkt

„Die Zeche zahlen meistens nicht die Verursacher, sondern viele Bauern, die sich korrekt verhalten haben und trotzdem unter dem Preisverfall leiden“, sagt Guido Neumaier zum jüngsten Dioxin-​Skandal. In seinem Hofladen in Adelstetten ist die Nachfrage allerdings gestiegen — weil die Kunden froh sind, dass sie dort vertrauenswürdige Produkte kaufen können. Von Gerold Bauer

Mittwoch, 02. Februar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 56 Sekunden Lesedauer

ALFDORF-​ADELSTETTEN. Immer wieder wird vom Bauernverband darauf hingewiesen, dass die Bürger selbst Einfluss auf die Qualität der Lebensmittel nehmen können. Wenn beim Füllen des Einkaufskorbs einzig und allein der Preis den Ausschlag gibt, muss man sich nicht wundern, dass die Handelsketten beim Einkauf ständig den Preisdruck auf die Produzenten erhöhen und am Ende auch mal Abstriche an der Qualität gemacht werden, um im Geschäft zu bleiben.
Eine gute Möglichkeit für qualitätsbewusste Verbraucher, auf Nummer Sicher zu gehen, ist der Kauf von regionalen Produkten direkt beim Erzeuger — zum Beispiel in einem der Hofläden bei Bauern im Gmünder Raum oder auf den Bauernmärkten in Gmünd oder in Mittelbronn. Durch den Wegfall des Zwischenhandels und der langen Transportwege sind diese Produkte frisch und trotzdem gar nicht so teuer, wie man vielleicht denken mag. Und sie haben den Vorteil, dass sich der Kunde direkt beim Erzeuger über die Herkunft der Lebensmittel informieren kann. Ein Rundgang durch den Schweinestall ist aus hygienischen Gründen zwar nicht so leicht möglich (die Tiere sind sehr anfällig gegenüber bestimmten Infektionskrankheiten), aber sonst gilt bei den Direktvermarktern nicht nur an Aktionstagen, sondern ganzjährig das Motto „Gläserne Produktion“.
So auch bei der Familie Neumaier im Alfdorfer Teilort Adelstetten, wo die Kunden manchmal von Gänsegeschnatter auf dem Hof begrüßt werden. Bevor das Geflügel an Weihnachten im Backofen landet, wird es freilaufend großgezogen. „Unsere Gänse haben sich auch schon als natürliche Verkehrsberuhigung betätigt“, berichtet Guido Neumaier schmunzelnd. Auch die 100 Milchkühe sowie die Nachzucht werden artgerecht gehalten, sagt er und fügt hinzu: „Wir sind da noch vom alten Schlag und wollen, dass es unseren Tieren gut geht.“
Die Neumaiers sind in Adelstetten die letzten Milchbauern. „Als ich 1973 auf den Hof kam, gab es noch insgesamt zwölf Bauern mit Milchkühen in dem kleinen Ort; von 17 oder 18 Kühen konnte man damals noch ordentlich leben“, erinnert sich Monika Neumaier, die auf einem Bauernhof in Alfdorf-​Brech aufgewachsen ist. „Und man hatte sogar noch mit dem Nachbarn zusammen einen eigenen Mähdrescher; die Erzeugerpreise waren einfach noch so, dass sich die Bauern dies leisten konnten“, ergänzt ihr Mann. Selbst kleinere Bauern hatten seinerzeit Hilfskräfte angestellt, die ihnen zum Beispiel beim Melken oder auf dem Feld zur Hand gingen, sagt Neumaier.
Heute hingegen beginnt der Arbeitstag eines Landwirts im Morgengrauen und erstreckt sich nicht selten über zwölf und mehr Stunden. „Wir kommen unterm Strich nur deshalb auf ein ausreichendes Einkommen, weil wir unsere Arbeitsstunden nicht zählen“, beschreibt die Bäuerin aus Adelstetten die wirtschaftliche Situation der heimischen Landwirtschaft. Doch im Hause Neumaier will man nicht jammern, und man sieht allen auf dem Hof an, dass sie gerne Bauern sind. Einer der Söhne steht als Nachfolger bereit und lebt mit seiner Frau und drei Kindern auf dem Hof. Insgesamt gehören schon neun Enkel zur Familie.
Auch wenn die Direktvermarktung unterm Strich mit weniger als 20 Prozent am Gesamtergebnis des Betriebs beteiligt ist, steckt bei Monika und Guido Neumaier viel Herzblut in ihrem Hofladen. Das meiste des reichhaltigen Sortiments wird selbst erzeugt — von Fleisch– und Wurstwaren bis zum eigenen Gemüse aus dem Gewächshaus oder vom Feld. „Wir sind zwar kein Bio-​Betrieb, aber wir verzichten dennoch auf Spritzmittel und arbeiten beim Pflanzenschutz lieber mit Hacken und mit Nützlingen“; also mit Insekten, die man gezielt aussetzt, damit sie die Schädlinge auffressen. Wenn es Engpässe gibt, zum Beispiel im Winter, dann werde in einer Gärtnerei in Lautern etwas hinzu gekauft; aber auch da wisse man genau, wo alles herkommt und wie es erzeugt wird.
Als Besonderheit bietet der Betrieb in Adelstetten in Zusammenarbeit mit einer mobilen Käserei Spezialitäten aus der eigenen Milch an — zum Beispiel einen würzigen Käse mit Bockshornklee-​Samen. „Oder mit gerösteten Brennessel-​Samen; die sind das Viagra des armen Mannes“, erzählt Monika Neumaier lachend. Als ausgebildete Kräuterpädagogin weiß sie viel darüber, wie gesund und schmackhaft viele heimische Pflanzen sind. Auch die im Hofladen verkauften Teigwaren werden von einem Betrieb auf der Alb im Auftrag des Hofladens hergestellt — aus selbst erzeugtem Getreide und eigenen Eiern versteht sich.

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