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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

In der Nacht zum Samstag ist Stadtkapellmeister Dietmar Spiller im Alter von 67 Jahren gestorben

Er hatte sich so auf den morgigen Dienstag gefreut. Und viele, die von seiner schweren Krankheit wussten, hofften, dass die anstehende Verleihung der Bürgermedaille ihn noch eine zeitlang im Kampf gegen den Krebs die Oberhand behalten lassen würde. Vergebens. In der Nacht zum Samstag ist Stadtkapellmeister Dietmar Spiller mit 67 Jahren gestorben. Von Manfred Laduch

Montag, 28. Februar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 34 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND. Man fällt in unserer schnelllebigen Welt oft recht flott das Urteil, dass jeder Mensch ersetzbar sei. Das wird bei Dietmar Spiller kaum möglich sein. Einen wie ihn wird es nicht mehr geben. Das kulturelle Leben in Gmünd ist mit seinem Tod um ein großes Stück ärmer geworden.
Dass der 1943 in Schlesien zur Welt gekommene Spiller an einem Wochenende starb, an dem die ganze Gmünder Innenstadt von Musik – Blechblasmusik zumal – erfüllt war, kommt dem Betrachter wie ein Wink des Schicksals vor. Wer sich Dietmar Spillers Bild vor Augen ruft, wird ihn wohl mit einer Trompete in der Hand sehen. Seine ersten Erfahrungen mit diesem Instrument hatte er beim Musikverein Holzhausen gemacht, wo die Familie nach der Vertreibung wohnte.
Später spielte er in der von seinem Bruder Egon dirigierten Kolpingkapelle. Von 1978 bis November vergangenen Jahres leitete Dietmar Spiller als Dirigent den 1. Musikverein. Er baute den Traditionsverein wieder auf und machte ihn zu einem der leistungsstärksten Blasorchester Gmünds, was zunächst in der Verleihung des Prädikats „Stadtkapelle“ und später des persönlichen Titels „Stadtkapellmeister“ an Spiller resultierte.
Generationen junger Musikerinnen und Musiker lernten bei ihm die Freude am Musizieren – unter anderem im von ihm gegründeten Fanfarenzug. Konzertreisen führten sein Orchester durch halb Europa. Besonders in den fünf Gmünder Partnerstädten war Dietmar Spiller als musikalischer Botschafter immer wieder gern gesehen.
Doch nicht nur die Jugend brachte Dietmar Spiller zur Musik. 1991 gründete er das Seniorenorchester, das er seither leitete – sogar noch am Nachmittag vor seinem Tod, als er es bei der Verabschiedung von Gertrud Kolbe-​Lipp als Chefin der Spitalmühle dirigierte.
Die Reihe der Promenadenkonzerte, das traditionelle Muttertagskonzert – beides sind Erfindungen von Dietmar Spiller. Seine langjährige Erfahrung und seinen enormen Sachverstand brachte er über Jahrzehnte im Vorstand des Stadtverbands Musik und Gesang sowie im Arbeitskreis Kultur ein. Und wenn nach einem Unglück eine Benefizveranstaltung aus dem Boden gestampft werden musste – keiner konnte das wie er.
Schon vor Jahren gab Dietmar Spiller das Buch „Schwäbisch Gmünd in Noten“ heraus und sammelte, kommentierte und vermittelte dadurch Gmünder Musikschätze. Das Buch ist eine Sammlung von Gmünd-​spezifischen Liedern – vom Alois über das Nazeonal-​Lied bis hin zu unbekannteren Stücken. Damit sicherte er wesentliche Teile der Gmünder Musikgeschichte.
Das von ihm eingeführte Turmblasen an Samstagen auch außerhalb der AGV-​Umzüge hat sich zu einem touristischen Glanzlicht entwickelt. Ob beim „Gmünder Ring“ oder bei der Weihnachtsmusik vom Rathausbalkon – Dietmar Spiller war ein Symbol und eine Legende für die Musikszene der Stadt.
Dieses Vermächtnis zu bewahren wird eine Herkulesaufgabe für die Gmünder Kulturschaffenden. Das gilt erst recht für Dietmar Spillers größten Geniestreich, die inzwischen bundesweit kopierte „Musik in Gmünder Kneipen“. Tausende von Besuchern genossen es, wenn der Stadtkapellmeister in wochenlanger Vorarbeit für über 50 Lokale genau die passende Band, den richtigen DJ einteilte, um dann an diesen Oktoberabenden in seiner geliebten weißen Corvette durch die Stadt zu eilen, um zu überprüfen, ob auch alles funktionierte.
Für sein überragendes Engagement hatte Dietmar Spiller, der beruflich bis zur Pensionierung als Außenprüfer beim Finanzamt tätig war, bereits die Bundesverdienstmedaille verliehen bekommen. Die vom Gemeinderat Mitte Dezember einstimmig beschlossene und für morgen vorgesehene Ehrung mit der Bürgermedaille sagte der vom Tod seines langjährigen musikalischen Mitstreiters tief betroffene Oberbürgermeister gestern ab. Sie soll zu einem späteren Zeitpunkt postum nachgeholt werden. Dietmar Spiller hat sie im höchsten Maße verdient.

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