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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Die Gmünderin Maren Schütte studiert an der Sungkyunkwan University Seoul und verfolgt sehr aufmerksam das nahe Drama

Ihren heutigen 24. Geburtstag hat sich Maren Schütte im fernen Südkorea etwas anders vorgestellt. Anstatt einer fröhlichen Multikulti-​Party in der internationalen Sungkyunkwan University gilt die ernste Aufmerksamkeit der Gmünderin und ihrer Studienkollegen aus aller Herren Länder seit Tagen den Fernsehnachrichten, dem Internet, den Zeitungen und vor allem auch den aktuellen Sicherheitsinformationen der Botschaften.

Mittwoch, 16. März 2011
Andreas Krapohl
2 Minuten 49 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (hs). Die Erdbeben-​, Tsunami– und Nuklearkatastrophe in direkter Nachbarschaft beschäftigt vor allem auch die Japaner an ihrer Uni. Etwa 700 Kilometer Luftlinie sind die havarierten Atomkraftwerke Fukushima und Onagawa und die Evakuierungszonen von der südkoreanischen Hauptstadt Seoul entfernt. Wie Maren Schütte berichtet, setzen die Koreaner, die an der Südküste des japanischen Meeres teilweise sogar in Sichtweite zum benachbarten Inselstaat leben, ihre Hoffnung auf den normalerweise steten Wind, der in dieser Jahreszeit überwiegend in Richtung Pazifik weht und so das asiatische Festland vor einer großräumigen Verstrahlung bewahrt. Maren Schütte zeigt Aufmerksamkeit, jedoch keine Angst. Sie habe auch das Gefühl einer gut organisierten Sicherheits– und Informationsstrategie seitens der deutschen Botschaft. Auch wegen des latenten militärischen Spannungsszenarios zwischen Nord– und Südkorea müssen sich Deutsche bei einem längeren Aufenthalt in Südkorea in der Botschaft registrieren lassen und für eventuelle Evakuierungsmaßnahmen erreichbar bleiben. Dass dies nun auch für diese Dreifach-​Katastrophe in Japan von Nutzen sein könnte, damit habe niemand gerechnet. Das Erdbeben am Freitag sei auch in Korea zu spüren gewesen. Weil die Hauptinsel Japans wie eine Mauer zwischen dem Epizentrum des Bebens und Korea liegt, sei die Ostküste auch nur von einer relativ kleinen Tsunamiwelle getroffen worden. Maren Schütte bewundert nahe am Geschehen eine gute Organisation: Schon Minuten nach dem Erdbeben seien zahlreiche Hubschrauber und Flugzeuge für Beobachtungen und Rettungseinsätze in der Luft gewesen. Der zivile Flugverkehr ins Nachbarland sei zwar eingestellt, doch Helferteams und Hilfsgüter seien unablässig auf dem nur einstündigen Luftweg in die Katastrophengebiete unterwegs. Schon im Kindergarten lernen die Jungen und Mädchen, was ein Erdbeben ist und wie man sich richtig zu verhalten habe. Bis weit ins vergangene Jahrhundert hinein war die heutige Republik Südkorea eine Provinz Japans mit einer mehr oder eher weniger rühmlichen Kolonialpolitik. Trotz der Schattenseiten der Geschichte pflegen die beiden Länder Verbundenheit. Junge Leute beider Länder studieren gerne diesseits und jenseits des japanischen Meeres. Maren Schütte ist von der asiatischen Kultur sehr fasziniert, beschäftigt sich im Rahmen ihres Studiums auch intensiv mit dem Wirtschaftswesen Asiens. Ihre Bachelor-​Abschlussarbeit an der Zeppelin University Friedrichshafen mit einem Auslandssemester an der Hallym University in Chuncheon/​Korea widmete sie den Merkmalen und Erfolgen von traditionsreichen Familienunternehmen in Deutschland und Asien. Für ihren Master-​Abschluss hat sie jetzt ein Stipendium an der Sungkyunkwan University in Seoul erhalten. Etwa 20 000 junge Leute aus 55 Nationen studieren dort. Die Asiaten sind unglaublich wissbegierig, was die europäische Kultur und wirtschaftspolitische Denkweise anbelangt, so dass die Gmünderin auch Seminare und Vorträge hält. Umgekehrt hat sich Maren Schütte einen enormen Wissensschatz mit Menschen– und Ortskenntnis in Asien mit teils sehr großen Mentalitätsunterschieden zwischen den einzelnen Nationen angeeignet. So kann sie auch aktuell erklären, warum die Japaner augenscheinlich mit unendlicher Geduld mit dieser furchtbaren Katastrophe umgehen. Es liege in der Mentalität und in der traditionellen Prägung von Familie, Schule, Ausbildung und Beruf, dass „die Japaner ungern Gefühle in der Öffentlichkeit zeigen. Somit sieht man auch kaum einen Japaner weinen, und die wichtigen Akteure in diesem Geschehen treten nur mit einer versteinerten Miene auf. Nur im engsten Familienkreis werden Gefühle und Stimmungslagen gezeigt.“
Diese Mentalität, so die Einschätzung der Asien-​Expertin, strahle auch Ruhe aus, „was in solch einer Situation sehr gut ist. Die Japaner sind auch in einer Notsituation stolze Menschen und gestehen nicht gerne Fehler ein, daher hat es vermutlich auch etwas Überwindung gekostet, Hilfsorganisationen ins Land zu lassen. Doch bei solch einer Zerstörung und Bedrohung haben die Japaner sehr mit dem Verstand gehandelt und internationale Hilfe zugelassen. Dennoch halten sie sich mit Entschuldigungen und Eingeständnissen von Fehlern sehr zurück, da sie ihr Gesicht nicht verlieren möchten.“ Das Ansehen in der Öffentlichkeit sei den Japanern sehr wichtig.
Maren Schütte bedauert: „Sicherlich ist dies mit unter auch ein Grund, warum die Informationen über den tatsächlichen Zustand der Atomkraftwerke sehr ungenau formuliert werden.“

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