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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Dank der Hector-​Akademie konnten sich Grundschüler aus dem Gmünder Raum ein Theaterstück erarbeiten

Kindheit in Zeiten der Staufer. Singen und spielen und lachen und tanzen wie vor fast tausend Jahren. Freilich auch arbeiten. Und Zukunft planen. Daraus entstand während der Osterferien im Rahmen der Hector-​Akademie ein Theaterstück, das am Samstag in der Theaterwerkstatt aufgeführt wurde .

Montag, 16. April 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Eineinhalb Wochen lang wurde in einem Kompaktkurs ein Theaterstück einstudiert. Zehn Kinder erarbeiteten sich ein Wintergedicht von Walther von der Vogelweide und wurden zu Stauferkindern am ersten Frühlingstag im Wald.
Wie war die vergangene Zeit lang und grausig: „Uns hat der winter geschat über all.“ Aber jetzt ist es gut. Sie treffen sich. Sie spielen, klopfen Holz, jonglieren, haben ihr Knochenspiel ausgebreitet; die eine schleppt ihren Tannenzapfenkorb an, die andere will den Lenzreigen tanzen. Und alle miteinander wagen sie sich an schaurig-​schönes „Hexen“-Ringelreihen. Sie genießen den Frühlingschauer und zitieren Hildegard von Bingen, um einen Streit zu schlichten: „Und wer jähzornig ist, der nehme die Rose und weniger Salbei und zerreibe es zu Pulver. Und in jener Stunde, wenn ihm der Zorn aufsteigt, halte es an seine Nase. Denn der Salbei tröstet, die Rose erfreut.“
Sie singen, Chume Chum aus der Sammlung Carmina Burana, wozu Anneliese Schneider die Altflöte spielt, oder auch „Nun will der Lenz uns grüßen“, das 1140 entstanden ist, mithin ebenfalls in diese Zeit passt. Sie fluchen nach der Manier dieser Jahre, das hat ihnen wohl am meisten Freude gemacht, und sie versenken sich in ganz fremde Spiele. Was wohl aus ihnen werden wird? Der Friedrich und Peternella sind einander versprochen – „dû bist mîn, ich bin dîn“. Jonata: „Ich bin der Zehnd, den meine Eltern dem Kloster vermachen und werde bei Hildegard im Kloster wachen.“ Die zehn Teilnehmer schaffen den Spagat und bewältigen das Deutsch der Gegenwart ebenso wie mittelhochdeutsche Wendungen („Niemen seneder suoche an mich deheinen rät“) und Poesie, etwa von Dietmar von Eist („Uf der Linden obene, da sanc ein kleinez vogellin“). Gar nicht so leicht.
Am Anfang stehen die Kinder in einer Reihe, mit dem Rücken zum Publikum und kommen dem Publikum mit einem im Leisen beginnenden, immer lauter werdenden Stimmengewirr näher, bis sie sich mit einem Klatschen umdrehen und schreien „Stauferstimmen im Gewimmel“. Und am Ende entfernen sie sich auf die selbe Weise. Nur mit der Stimme, und mit dem Rücken zum Publikum. Solche Sequenzen werden wohl mehr und mehr zum Markenzeichen der Gmünder Schauspielerin und Theaterpädagogin Annabella Akcal, die das Projekt leitete.
Die Kostüme, die die Kinder trugen, waren einfach gehalten, Säcke aus der Horner Mühle, umgearbeitet von Sigrid Bleicher. Fürs Bühnenbild hat Akcal die Bühne mit Moos ausgelegt und mit Apfelzweigen und kleinen Baumstämmen geschmückt — wie oft sie da wohl ihren kleinen Fiat Panda beladen musste? An ihrer Seite arbeitete Anneliese Schneider, Gestalttherapeutin, und gemeinsam sind die Beiden nach Kräften auf jedes Kind eingegangen. Ihr großes Anliegen war, „aus den Kindern zu schöpfen“, sie authentisch spielen zu lassen, wenn möglich improvisieren, selbst etwas entwickeln, ohne das von Akcal konzipierte und geschriebene Stück aus den Augen zu verlieren. Das, meint sie, sei schwieriger, als das Jungvolk einfach nur einen Text auswendig lernen zu lassen: Aber es sei auch ungleich bereichernder und erfüllender für die kleinen Darsteller. „Sie konnten sie selbst sein auf der Bühne.“ Vielleicht hat das Ganze den Eltern deshalb so gefallen. Im Spendenkässchen fanden sich schließlich 158 Euro für den Verein „Der Bunte Kreis“, der sich schwerkranken Kindern und deren Familien widmet.
Die Hector-​Akademie
macht’s möglich
Möglich gemacht wurde dieser Ferienkurs von der Hector-​Kinderakademie Schwäbisch Gmünd und seinen Geschäftsführerinnen Schulleiterin der Friedensschule, Daniela Maschka-​Dengler, und die Schulleiterin der Grundschule Mutlangen, Dorothea Brecht. Diese Akademie gilt als Meilenstein in der Förderung der Bildung von Kindern und Jugendlichen: Sie hat sich dem Vorankommen „hochbegabter und besonders begabter Kinder“ sowie besonders interessierter, motivierter und kreativer Kinder im Grundschulalter verschrieben.
Standort der Hector-​Kinderakademie ist die Friedensschule. Für das erste Jahr hat die Hector-​Stiftung II eine Fördersumme von 65 000 Euro zur Verfügung gestellt; damit lassen sich an den verschiedenen Grundschulen in und um Gmünd viele interessante, spannende und abwechslungsreiche Kurse für die Schülerinnen und Schüler anbieten.
Im Schwerpunkt werden vor allem Kursen aus dem MINT-​Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) organisiert – unter Beteiligung vieler Firmen und Institutionen von der Weleda bis zu ZFLS, vom Naturkundeverein bis zur PH. Zudem gibt es Kurse im Bereich musikalischer Förderung, weil Musikalität, so Maschka-​Dengler erwiesenermaßen eine gute Basis für Kreativität und Phantasie ist, sowie eben auch Angebote zur städtischen (Staufer-​) Geschichte. Die Hector Stiftung II, 2008 von den Eheleuten Hans-​Werner Hector und Josephine Hector gegründet, fördert den flächendeckenden Ausbau der Kinderakademien in Baden-​Württemberg mit 32 Millionen Euro. In den Kursen der Kinderakademien haben Grundschulkinder und irgendwann wohl auch Kindergartenkinder, die Möglichkeit, ihre persönlichen Begabungen und Fähigkeiten zu entdecken und auszubauen. Die Kurse regen zu selbstständigem und experimentellem Lernen an: So sollen sich die Kinder außerhalb der Schule weiterentwickeln, werden ganzheitlich gefördert, dürfen nach Herzenslust entdecken, forschen und lernen – immer jedoch mit Freude, und immer spielerisch. So wie jetzt in den Osterferien.

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