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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Politik sauer über „Antiquariat“ auf der Remsbahn

Die für Fahrgäste zeitweise kaum noch zumutbaren Situationen auf der Remsbahn und auch der Einsatz von Nostalgie-​Wagenmaterial aus dem vergangenen Jahrhundert (die Rems-​Zeitung berichtete) hat jetzt die Politik auf den Plan gerufen.

Samstag, 21. April 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND. Erheblichen Unmut, so schreibt das Landratsamt Rems-​Murr in einer Presseerklärung zu den Vorgängen, ruft derzeit die Deutsche Bahn bei ihren Fahrgästen hervor, weil sie auf der ohnehin nicht mit modernen Zügen ausgestatteten Remsbahn aus Materialmangel antiquierte Ersatzwagen weit unter Niveau einsetzt. Die sonst genutzten Wagen hat die Bahn in andere Bundesländer abgezogen.
Wartezeiten, Störungen, Überfüllungen, Oldtimer-​Waggons
Eine solche Benachteiligung ist für Landrat Johannes Fuchs nicht hinnehmbar. In einem Schreiben an die DB Regio AG hat er den Vorsitzenden der Regionalleitung, Andreas Moschinski-​Wald, aufgefordert, umgehend Abhilfe zu schaffen. „Tragen Sie bitte zeitnah dazu bei, dass das ‚rollende Antiquariat’ von der Remsbahn wieder abgezogen wird. Unsere Bürger haben einen zeitgemäßen Beförderungsstandard verdient. Ich werde das Thema auch in einem Vier-​Augen-​Gespräch mit dem Verkehrsminister am 16. Mai erörtern“, kündigt Fuchs an. Die Zustände seien nicht haltbar, zumal die Fahrgastauslastung auf der Rems– und Murr-​Schiene nach Angaben der Bahn zu den höchsten Kostendeckungsbeiträgen landesweit im Regionalverkehr führe.
Besonders ärgerlich sei dieser massive Rückschritt, weil die DB Regio vor einem Jahr noch bei einem Ortstermin im Instandhaltungswerk in Stuttgart der Politik und den Medien eine Qualitätsoffensive angekündigt hatte, um die Kundenzufriedenzeit auf der Rems– und der Murrbahn zu steigern mit umfangreichen Maßnahmen zu Beförderungsqualität, Sauberkeit und Service. Im Kontrast dazu häuften sich nach Presseberichten massive Klagen der Fahrgäste. Zu wenige, veraltete und überfüllte Waggons, ausgediente Liegewagen, nicht benutzbare Toiletten, Türen, die viel zu eng sind – sofern sie sich überhaupt öffnen lassen: Die Liste der Beschwerden sei lang. Den Berichten zufolge vergehe kein Tag ohne Verspätungen, Wartezeiten, Störungen und fehlende Informationen.
Landrat Fuchs nennt Begründungen nicht akzeptabel
„Maßgeblichen Anteil an der gärenden Unzufriedenheit und Wut der Bahnkunden hat das von Ihrem Unternehmen bei der Firma Euro Express angemietete und auf der Remsbahn eingesetzte Wagenmaterial“, schreibt Fuchs. „Die für einen Zeitraum von annähernd drei Monaten angemieteten ausgedienten ehemaligen Schnellzugwagen verschärfen im Rems-​Murr-​Kreis zusätzlich die seit Jahren bestehende suboptimale Situation.“ Die Begründung sei nicht akzeptabel, betont der Landrat. Da die DB Regio in anderen Regionen, wie auf Regionalstrecken in Berlin und Brandenburg oder im S-​Bahn-​Verkehr in Franken, neue „Talent 2“-Züge erst verspätet wird einsetzen können, hat sie die renovierten Wagen der Remsbahn dorthin abgezogen, bis die neuen Fahrzeuge zur Verfügung stehen.
„Mir erschließt sich nicht, warum die Bahnkunden entlang der Remsbahn dafür geradestehen müssen, dass DB Regio-​Unternehmen in anderen Bundesländern ihre gemachten Zusagen nicht einhalten können“, erklärt Fuchs. „Es scheint fast so, als ob die Bahn meint, man könne den an veraltete Wagen gewöhnten Remsbahn-​Fahrgästen die ausgedienten ehemaligen Schnellzugwagen eher zumuten als Fahrgästen in anderen Bundesländern, die bald von neuen Fahrzeugen profitieren werden.“
Der Landrat weiter: „Auch über die Informationspolitik der DB Regio bin ich enttäuscht. Ohne eine Vorankündigung wurde der Einsatz der ausgedienten ehemaligen Schnellzugwagen am 5. April gestartet. Erst nachdem sich die Unzufriedenheit und der Frust der Bahnkunden zu entladen begann, hat Ihr Unternehmen reagiert und mit einem Schreiben vom 12. April die Bürgermeister der Anliegerkommunen sowie das Landratsamt informiert. Dies entspricht nicht einem offenen Dialog, wie er von Ihnen auf der Informationsveranstaltung am 3. Mai 2011 angekündigt wurde.
Zur Beruhigung werden Reisegutscheine angeboten
Auch die beiden SPD-​Landtagsabgeordneten Gernot Gruber (Rems-​Murr) und Klaus Maier (Ostalb) haben sich in das Remsbahn-​Drama eingeschaltet. Sie schreiben in ihrer Mitteilung von gestern: Die Schwierigkeiten der Remsbahn seien inzwischen behoben. Das teilte die Nahverkehrsgesellschaft Baden-​Württemberg auf Nachfrage mit. Die SPD-​Landtagsabgeordneten Gernot Gruber und Klaus Maier hoffen auf Besserung.
Am 10. und 11. April hatte die Remsbahn Verspätungen von mehr als einer Viertelstunde. Außerdem fuhren weniger Wagen als sonst, so dass die Fahrgäste in den Gängen gedrängt standen oder gar nicht mehr zusteigen konnten. Grund dafür sei gewesen, dass viele Waggons beschädigt sind und derzeit repariert werden müssen. Für die Remsbahn hat die Deutsche Bahn daher seit Anfang April Wagen der Firma Euro-​Express angemietet. Beim Einsatz der angemieteten Wägen sei es zu technischen Problemen, vermutliche Startschwierigkeiten gekommen.
Reisenden, die in dieser Zeit zwischen Stuttgart und Aalen in einem verspäteten oder überbesetzten Zug saßen, bietet die DB Regio Baden-​Württemberg Reisegutscheine an. „Besser natürlich, es kommt erst gar nicht so weit“, so Klaus Maier. Und sein für Alfdorf zuständiger Kollege Gernot Gruber ergänzt: „Ein komfortabler öffentlicher Personennahverkehr ist das Herzstück sozialdemokratischer Verkehrspolitik, und dazu gehören Pünktlichkeit und ausreichend Sitzplätze.“

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