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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Das a.l.s.o-Projekt zur Ausbildung in Teilzeit funktioniert Dank einiger Vorzeigeprojekte

Beide Seiten müssen flexibel sein. Das war gestern Ergebnis einer Präsentation der „Ausbildung in Teilzeit“ bei den Stadtwerken. Und: Beide Seiten haben so viel zu gewinnen. Noch etwas war gestern von allen zu hören, die eine solche Ausbildung angetreten oder bereits absolviert haben: „Ich will meinen Kindern, meinem Kind Vorbild sein.“

Freitag, 06. April 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Das ist eine starke Motivation; deshalb stehen diese jungen Mütter – Väter haben sich bislang ebenso wenig gemeldet wie Pflegende – diese Doppelt– und Dreifachbelastung auch durch. Leicht ist es in keinem Fall: Die meisten schaffen es, sich zu 75 Prozent einzubringen; dann ist nämlich keine Verlängerung der Ausbildungszeit notwendig. Das heißt, sie haben weniger Zeit als die anderen, und daheim noch jede Menge Aufgabe, die auf sie warten. Die Unternehmen machten dennoch die Erfahrung, dass sich das Ganze lohnt: Sie gewannen motivierte, engagierte Auszubildende, die durch die Familienarbeit gelernt haben, den Alltag zu organisieren, strukturiert zu arbeiten und die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.
Karl Groß sprach nicht nur als Vorsitzender des Regionalen Bündnisses für Familie Ostwürttemberg, unter dessen Dach versucht wird, die „Ausbildung in Teilzeit“ zu einer regulären Variante im Ausbildungssystem der Region zu machen, sondern auch als Chef der Stadtwerke, die solche Stellen anbieten. Mira Maganja, Auszubildende in Teilzeit zur Industriekauffrau bei den Stadtwerken, steht kurz vor den abschließenden Prüfungen. Sie ist gelernte Buchhändlerin, die ein Kind zur Welt brachte, in eine andere Stadt zog und dann einfach nicht mehr Fuß fassen konnte im alten Beruf. Beide, Groß und Maganja, zeigten sich gestern sehr zufrieden: Der eine würdigte im Zeitalter zunehmenden Fachkräftemangels eine gute Mitarbeiterin, der schon jetzt ein Vertrag zur Weiterbeschäftigung angeboten wurde; die andere ist einfach nur froh und dankbar, über diese Chance, „rauszukommen aus dem Kreislauf der 400 Euro-​Jobs und dem Wissen, nie auf einen grünen Zweig zu kommen“. Es habe schon der Überzeugungsarbeit bedurft, räumte Karl Groß gestern ein; es habe Vorbehalte gegeben, und hätte es gleich zu Anfang mit einer Auszubildenden Schwierigkeiten gegeben, hätten sich die Stadtwerke wohl ungleich schwerer getan, dieses Modell zu etablieren. Aber es gab keine Schwierigkeiten.
Stefanie Hönle, Ausbildungsleiterin der Stadtverwaltung, sprach von einem „Projekt“, das 2008 begonnen wurde – und das heute Alltag sei. „Das muss einfach Schule machen“, sagt sie; die Bewerberinnen wollten ihre Chance unbedingt nutzen, und sie brächten ein Mehr an Erfahrung mit, das gebraucht werde. Meral Ekinci, Mitarbeiterin der Stadtverwaltung, wurde in Teilzeit ausgebildet. Sie ist heute noch dankbar für die Unterstützung, die sie in dieser Zeit erfahren hat. Als die Schwiegermutter, die bei der Betreuung half, krank wurde, organisierte die Stadt ihr einen Kita-​Platz; war ihr Kleines krank, hat man ihr selbstverständlich den Rücken gestärkt. Und weil sie sich nach der Zeit im Büro konsequent ihrem Kind widmete, erst spät abends dem Haushalt, der Wäsche und dem Lernen, drohte ihr das Ganze über den Kopf zu wachsen: „Da wurde ich eine Stunde freigestellt, um im Büro lernen zu können.“ Das wird sie nie vergessen, und mittlerweile hat sie sich vielfach bewährt. Dieses Geben und Nehmen ist heute keine große Sache mehr, und dass Jevgenija Leister derzeit in der Stadtverwaltung in Teilzeit zur Kauffrau für Bürokommunikation ausgebildet wird, ein Stück Selbstverständlichkeit.
Das ist auch die Erfahrung, die Daniela Ploss macht, Ausbildungsleiterin der Weleda AG: „Mittlerweile ist es gar keine Frage mehr, dass wir in Teilzeit ausbilden“; auch hier haben junge Pionierinnen den Weg bereitet. So konnte eine 17-​Jährige mit Hauptschulabschluss in Verbindung mit der Weleda-​Kindertagesstätte zu ihrer Ausbildung und einem ganz anderen Leben geführt werden. Melanie Blum, die zur Zeit in der Weleda zur Industriekauffrau ausgebildet wird, berichtet von Vorbildfrauen in der Weleda, „die auch Kinder haben und beruflich erfolgreich sind“: „Die haben mir gezeigt, dass es möglich ist. Wie die strahlen, wie positiv sie sind; man darf nur nicht überall die Probleme sehen.“ Ihrem Kind, ist sie überzeugt, tut es sichtlich gut, eine zufriedene Mama und gleich mehrere liebevolle Bezugspersonen zu haben.
Martien de Broekert hat das
Projekt für die a.l.s.o vorangebracht
Martien de Broekert ist die Frau, der das alles maßgeblich zu verdanken ist. Baden-​Württemberg ist, wie Bayern, Schlusslicht in Sachen Teilzeitausbildung; erst seit wenigen Monaten ändert sich das. Der Ostalbkreis geht diesen Weg seit 2008 konsequent, weil sich de Broekert Projektleiterin „Ausbildung in Teilzeit“ der a.l.s.o. Schwäbisch Gmünd so einsetzt. Zudem ist sie Vorstandsmitglied im Regionalen Bündnis für Familie Ostwürttemberg und Vorstandsmitglied des Soroptimist-​Clubs Schwäbisch Gmünd, was das Projekt ebenfalls vorangebracht hat: Die Soroptimistinnen, erfolgreiche, berufstätige Frauen, setzen sich als Mentorinnen mit ihren Netzwerken und ihren Fähigkeiten für die jungen Mütter ein
Ab September 2008 wurden die ersten sechs jungen Mütter in Teilzeit ausgebildet; dass es heute 20 sind, ist Vorreitern wie Stadtverwaltung, Weleda und Stadtwerken zu verdanken. Durch den Blockunterricht in den meisten Ausbildungsberufen müssen neue Modelle gefunden werden — aber alles ist auf diesen einen Punkt zurückzuführen: Mit Flexibilität auf beiden Seiten ist es zu schaffen, und es hat Vorteile für beide Seiten.

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