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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Damit das Leben nicht „zum Kotzen“ ist: Prävention bei Essstörungen gelingt vor allem durch Stärkung des Selbstbewusstseins /​Theaterstück „Püppchen“ im Blick

Was bitte ist unterhaltsam, wenn sich jemand die Seele aus dem Leib kotzt, buchstäblich, wenn junge Leben aus dem Ruder laufen? Das Theaterstück „Püppchen“ in der Theaterwerkstatt versucht sich erfolgreich an einem anderen, neuen Ansatz. Dabei kommt ein Gmünd-​Problem zur Sprache.

Dienstag, 19. November 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 53 Sekunden Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). In Aalen läuft’s. Richtig gut sogar. In Aalen wird das Netzwerk Essstörungen nicht nur gebraucht, sondern auch tatsächlich in Anspruch genommen. Der Suchtbeauftragte für den gesamten Ostalbkreis, Berthold Weiß, kann sich nicht erklären, warum in Gmünd diese Hilfe kaum nachgefragt wird: „Als ob es hier weniger Frauen mit diesen Problemen gibt.“ Und das ist natürlich Unsinn. Disziplin und Selbstkontrolle – gemeinhin durch Anerkennung belohnt – können ebenso in Extreme und in eine Essstörung münden wie das Unvermögen zwischen Hunger, Angst und Wut zu unterscheiden oder Schwierigkeiten damit, sich selbst und auftretende Probleme einschätzen zu können. Es werden mehr, nicht weniger, die Hilfe benötigen. Weiß koordiniert alle Initiativen in diesem Bereich, überhaupt das gesamte Suchthilfesystem im Kreis und würdigt das Gmünder Angebot ausdrücklich; vor allem sei diese Hilfe einst von Gmünd aus initiiert worden, von den Nervenärzten Dr. Peter Scheidt und Dr. Ullrich Brickwedde. Hilfe bietet die Caritas-​Anlaufstelle mit Ruth Rothenberger ebenso an wie „qualifizierte, langjährig erfahrene, sehr gute Therapeuten“ – Weiß nennt Claudia Bub-​Elbin und Jan Glasenapp, Jorinde Bär, die vor allem mit Jugendlichen arbeitet, Bettina Alles: „Die sind alle sehr engagiert.“ Und dass sie gebraucht werden, dringend, auch in Gmünd, machen jüngere Ergebungen deutlich, die die vermutete extrem hohe Dunkelziffer nicht berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Prävention von großer Bedeutung.
„Püppchen“ sein macht
nicht wirklich Freude
Das Stück „Püppchen“ erzählt von Lena und Shirin, die nicht viel miteinander teilen, außer eben, dass sie einen selbstzerstörerischen Weg gewählt haben, mit all dem klarzukommen, was nicht stimmt in ihrem Leben. Lena soll daheim ganz viel auffangen, was ihre Eltern nicht auf die Reihe kriegen. Sie muss funktionieren, unentwegt stark sein – irgendwie kein Wunder, dass sie ihr Leben zum Kotzen findet. Na und das tut sie dann auch.
Schulfreundin Shirin wird immer dünner und merkt gar nicht, wie sich ihre Wahrnehmung verändert. Nur noch zwei Kilo abnehmen, wo soll da das Problem sein – wirklich ein Problem für sie ist, dass niemand sie versteht, niemand sich interessiert und auf sie einzulassen scheint. „Warum macht die das? Schade, vorher was sie so witzig!“ „Na ja — die Biene Maja war auch lustiger als sie noch mehr Kilos auf den Rippen hatte.“
„Püppchen“ ist ein Stück über Essstörungen, und das war und ist weitgehend ein Thema für Frauen und Mädchen. Aber auch Jungs-​Geschichten werden erzählt. Simon etwa ist überzeugt davon, dass Erfolg hat, „wer ‘nen Ferrari fährt und Muskeln ohne Ende hat. Die haben doch nachher das Sagen! Ich will bei den Machern sein und je früher du anfängst, desto besser ist das!“ Sein Kumpel Torsten denkt völlig anders: „Ach und wenn man was kann, dann ist das nichts wert, ja? Und ich kann dir sagen: jeder kann was.“ Und darum geht es. Dieser Ansatz soll und kann helfen, Essstörungen vorzu beugen, davon sind die Theatermacherinnen Sarah Gros und Monika Wieder (rechts) überzeugt. Die beiden haben gemeinsam viele Themen bearbeitet, gespielt, theaterpädagogisch aufbereitet – Themen die mit Gewaltprävention zu tun haben oder mit Integration, die Jugendliche an der Schwelle zum Erwachsenwerden umtreiben. Wie gerade junge Leute es schaffen, miteinander und vor allem mit sich selbst zurecht zu kommen, davon handelt auch das neue Stück. „Püppchen funktionieren, sehen hübsch aus und hängen am Faden.“ So soll und will niemand sein. Regisseurin Monika Wieder will das Selbstbewusstsein von Kindern und Jugendlichen stärken, sie zu aktivem selbstständigen Handeln anregen, ihre Wahrnehmung schärfen, damit sie lernen für sich einzustehen und sich Hilfe zu holen, wenn sie diese benötigen: „In jedem steckt etwas, das ihn einzigartig macht und daraus entspringt eine große Kraft.“

Püppchens „Uraufführung“ in Gmünd findet am morgigen Donnerstag, 21. November, um 14 Uhr in der Theaterwerkstatt in der Ledergasse 2. statt. Wenn noch Einzelpersonen oder eine Schulklasse interessiert sind , bitte direkt bei der AOK, Adelinde Mailänder, 0 73 61 584 – 103 anmelden. Die Premiere ist kostenfrei. Mitglieder des Netzwerks Essstörungen Ostalbkreis (www​.neo​-iv​.de) sind auch anwesend und können über Hilfeangebote in Gmünd persönlich berichten.

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