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Konzert mit Stephan Beck: Glanz und Entwicklung

Das bestens besuchte Gotteshaus bewies erneut, wie wichtig den Besuchern eine liebgewordene Adventbesinnung ist: Kein Wunder, wenn sich Münsterorganist Stephan Beck seit Jahren für den Münsterbauverein engagiert.

Dienstag, 03. Dezember 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
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KONZERT (-ry). Das Heilig-​Kreuz-​Münster, seine prächtige Klais-​Orgel und der Künstler bilden eine wunderbare Einheit. Hatte Beck noch am Vorabend beim Soroptimist-​Benefiz-​Konzert mitgewirkt, so brillierte er erneut mit einem Strauß bester Orgelliteratur: vier freie, drei choralgebundene und acht improvisierte Beiträge prägten ein höchst vielfältiges Programm von achtzig Minuten andächtiger Stille. Johann Pachelbels Ciacona in f machte den Anfang. Ganz gegen die angeblich „wissenschaftlich gesicherten“ Mainstream gab es kein (penetrantes) Durchziehen des variierten Themas, sondern eine gelungene Auf– und Abwärtsentwicklung dynamischer Differenzierung mit Echowirkung: periodische Meditation, einem musikalischen „Rosenkranz“ gleich.
Mit Prinzipal, Krummhorn-​Cantus und Tremulant hob Georg Böhms Choralbearbeitung über „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ an. Der Lüneburger Meister beeinflusste nicht von ungefähr den jungen J. S. Bach. Die Kunst der Choraldeutung in barocker Blüte fasziniert heute noch. Dann kam der Thomaskantor selbst „zu Wort“: Präludium und Fuge G-​Dur mit einer animierenden Spielfreudigkeit gehören zum Schönsten dieses Œuvres. Stephan Beck kennt die Konsequenz der Problematik ganz konkret, d. h., er nimmt gemessene Tempi und verleiht der raschen Bewegung durch Leggiero-​Spiel die nötige Durchsichtigkeit jenseits eines sonst zwangsläufig entstehenden Klangbreis.
Zwei romantische Betrachtungen machten den Anfang betont besinnlichen Choralspiels: Max Regers op. 145 Nr. 3, „Weihnachten“ und Johannes Brahms’ manualiter zu spielendes „Es ist ein Ros’ entsprungen“. Der mystische Reger mit seiner zuerst behutsam gesteigerten Entwicklung von „Es kommt ein Schiff, geladen“ bis zu „Stille Nacht“ und „Vom Himmel hoch“ — eben Romantik pur, das Herz stark berührend. Und was sich bei Brahms in der Umspielung der Melodie von der dominierenden Portunalflöte über das Quasi-​Echo bei natürlicher Agogik und Schwellernutzung lieblich entfaltete, ist eine ganz neue Saite des sonst oft herben Brahms.
Felix Mendelssohn Bartholdys 4. Orgelsonate B-​Dur op. 65 holte angenehm aus der Versenkung heraus: Das dicht komponierte Werk mit seinen wechselnden Ideen lotete alle dynamischen Möglichkeiten aus. Das Maestoso der Kopfsätze im Pleno, das Andante religioso in strömender Lyrik von 8’- und 4’-Labialen oder der Dialog im Allegretto mit der Trompete — all das verbreitete schönen Glanz.
Auf Stephan Becks Improvisationen hatten die Zuhörer besonders gespannt gewartet. Jedes Jahr wartet er mit seiner gnadenhaft begabten Kunst auf, spielt sich in die Herzen und verinnerlicht so die vielen Melodien. Und das Schöne: Da wird nicht eitel geprotzt, sondern den zarten Entwicklungen Raum gegeben. Die Introduktion hebt im dreifachen Piano an, Pedaltupfer als Orgelpunkt bereiten „Maria durch ein’ Dornwald ging“ vor. Rasche Umspielungen bei rhythmisiertem Cantus firmus (Sesquialter mit Tremulant); Flöte, tremolierende Trompete, Trillerketten und Tremolandi geben eigenes Kolorit.
Das zweite Thema (dem Rezensenten nicht geläufig) blüht nach und nach kräftig auf, bis es zu „Es ist ein Ros’ entsprungen“ (auch in Moll!) wechselt. Wie wunderschön sich Lied an Lied reiht: „Auf dem Berge, da gehet der Wind“, „Als ich bei meinen Schafen wacht’“ mit Silberkaskaden, „Kling, Glöckchen, klingelingeling“ (natürlich mit Röhrenglocken! — und einem raffinierten Trugschluss). Schließlich „O Heiland, reiß die Himmel auf“. Damit war der Kreis geschlossen: keine überbordenden Weihnachtsklänge, sondern bewusstes Schreiten in den Advent. Die Zuhörer strahlten glücklich!
Die konsequente Psychologie des Programms mündete in die Toccata von Théodore Dubois, jene Nr. 3 der „Zwölf Stücke“ des Organisten an St. Madeleine — ein wahres Kabinettstück mit der Bewegung eines perpetuum mobile; nur im Mittelteil besinnliche Ruhe. Bestechend, wie Stephan Beck die Tempi variiert, Entwicklungen phrasiert, agogisch auskostet und so große Orgelsymphonik zelebriert. Ein wahres Feuerwerk in der Kombination von Barock und Romantik.
Der begeisterte Applaus bescherte — natürlich — noch eine Improvisation: „Tochter Zion, freue dich“ — ein selbstredend klarer Impuls. Summa cum laude.

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