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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Gedankenmalerei für Waisen: Außergewöhnliches Kunstprojekt zugunsten der Waisenkinder in Ellen Dietrichs Heimen

Wer Michael Raschkes Roboter zum Malen bringt, unterstützt damit die Arbeit Ellen Dietrichs, die von Gmünd aus das von ihr gegründete Kinderheim „Haus der Hoffnung“ in Nepal leitet.

Montag, 02. September 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Mit den Gedanken malen – für Fantasiebegabte und Technikfans gleichermaßen von unglaublicher Faszination. Menschen aber, denen der Körper diesen Kunst-​Dienst grundsätzlich versagt, muss diese Möglichkeit anmuten wie ein Geschenk des Himmels. Der Stuttgarter Roboter, der das zu leisten vermag, malt auch auf Smartphone-​Kommando, und wenn er das tut ist das mit großzügiger Unterstützung nepalesischer Waisen verbunden. Zu verdanken ist das Ganze einem jungen Wissenschaftler – Michael Raschke.
Über Kontakte im Familienkreis lernte er Wahl-​Gmünderin Ellen Dietrich kennen, die seit über fünfzehn Jahren das Haus der Hoffnung leitet. Ihr Ziel ist es, Waisenkindern in Nepal ein Zuhause zu geben und ihnen eine Schulausbildung zu ermöglichen. Ihr Verein betreibt dazu zwei Waisenhäuser in Kathmandu, der Hauptstadt von Nepal. Michael Raschke: „Nach dem Kennenlernen war uns klar, dass wir die Schulausbildung von Kindern dort unterstützen wollen.“ Im Sommer war es dann soweit. Ein erster Betrag aus dem Gewinn der Live-​Auftritte des malenden Roboters und aus den Bilderverkäufen ging an Ellen Dietrich. Raschke freut sich: „Mit diesen fünfhundert Euro können dort fünf Kinder für jeweils ein Jahr die Schule besuchen. Somit haben wir ein Ziel unseres Projektes erreicht – die Welt für fünf nepalesische Kindern verändert! Wer weiß, was dieses Schuljahr ihnen in ihrem späteren Leben ermöglichen wird?“
Raschke hat unter anderem in Heidelberg Physik studiert. Bereits damals hat ihn das Konzept eines malenden Roboters sehr fasziniert: Das war sein Traum, sein Ziel – das zu erreichen freilich richtig viel Arbeit war. Orientiert hat er sich an Jackson Pollock; dessen im Drip-​Painting-​Verfahren entstandene Bilder trugen ihm bereits zu Lebzeiten den Spitznamen „Jack the Dripper“ ein, der Tröpfler, und Raschke gelang es, einen Roboter zu bauen, der wie Pollock Farbe kleckst und spritzt. Nicht irgendwie freilich, sondern eben gesteuert von Menschenhand. Abschlussarbeit des jungen Tüftlers war ein solcherart malender Roboter; seine Forschungen hat er privat fortgesetzt, gegründet und sich begeistern lassen, als Benjamin Höferlin und André Burkovski ihn fragten, ob es möglich sei, einen Kunstroboter mit einer App zu steuern – Anwendungsprogramme für Smartphones und Tablet-​Computer. So wurde „roboPix“ gegründet, und so entstand die 10 Sekunden-​Kunst. Mit diesem Projekt waren die Jungs beim 1. App-​Award des Zentrums für Kunst und Medientechnik ZKM 2011 in Karlsruhe, und seither tritt das junge Team immer wieder auf, ist zu Gast bei Firmenjubiläen und Kundenabenden, auch mal bei einer Hochzeit, bei der die Braut selbst zur Künstlerin wird. Für den malenden Roboter gab’s mit der Zeit eine ganze Reihe von Preisen.
Raschke arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme der Universität Stuttgart – Forschungsschwerpunkt sind kognitive Aspekte in der Visualisierung; er arbeitet mit Grafiken, Börsendiagrammen, Wetterkarten etc. und zeigt auf, welche Denkvorgänge es ermöglichen, diese Grafiken zu verstehen. Parallel dazu arbeitet er mit seinem Kunstroboter, der sich nun auch über ein Brain-​Computer-​Interface (BCI) steuern lässt, eine Mensch-​Maschine-​Verbindung, die ganz ohne das periphere Nervensystem auskommt, die also noch nicht mal einen Wimpernschlag verlangt, sondern mittels Umwandlung von Gehirnströmen funktioniert. Mit einem EEG wird Begeisterung ebenso genutzt wie die Aktivität des Motorcortext, um den Roboter zu steuern: Je stärker diese Signale sind, umso stärker schlägt der Roboterarm aus. Mit diesem Experiment wird Kunst in der Geschwindigkeit von Gedanken geschaffen. Erst jüngst hat Raschke das bei einer internationalen Wissenschaftskonferenz in Stuttgart vorgeführt; nächste Station ist in wenigen Tagen in Bremen die Konferenz „Mensch und Computer“.
Oftmals wird ein roboPix-​Preis ausgelobt – der Gewinner darf den Computer dazu bringen, ein Bild zu malen, was für die Zuschauer immer ein großer Spaß ist. Raschkes Arbeit gibt nämlich dem Wort Aktionpainting eine neue Bedeutung. Eine Art Happening ist angestrebt — der Moment, in dem Kunst entsteht, ist die Kunst selbst. Wer sich eine Verabredung mit diesem Computer gesichert hat, erhält ein Startsignal und hat dann zehn Sekunden, um eine Bewegung aufzunehmen, die der Roboter umsetzt. Die Bewegung kann aus dem Handgelenk erfolgen oder auch ein ekstatisch Hüpfen sein: Je stärker und schneller sich bis zu vier Personen bewegen – die dann je eine Achse bedienen –, um so schneller bewegt sich auch der malende Computer. Das lässt sich nach den zehn Sekunden live über die Webcam des Smartphones beobachten oder auch projizieren. Und das fertige Bild wird dann zugesandt.
Für Raschke ist die Möglichkeit wichtig wissenschaftliche Fragestellungen vor allem zum Themenkomplex BCI ins Projekt roboPix zu integrieren. Aber er nutzt auch sehr gerne die Gelegenheit, seinen kleinen Roboter Geld für die Kinder in Nepal verdienen zu lassen.

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