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Wer zahlt die Kosten einer Suchaktion?

Wenn mehrere Polizeistreifen über viele Stunden ein Gebiet durchkämmen, wenn der Polizeihubschrauber mit der Wärmebildkamera Licht ins Dunkel bringen möchte oder Spürnasen der Rettungshundestaffel Vermisste suchen – dann ist dies auch mit Kosten verbunden. Wer kommt dafür auf?

Donnerstag, 02. Januar 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

Von Gerold Bauer
OSTALBKREIS. Vor einigen Tagen kreiste über einer Landgemeinde stundenlang der Hubschrauber, weil aufgrund der Umstände der Verdacht bestand, dass ein Bürger sich etwas antun könnte. Auch mehrere Streifenwagenbesatzungen wurden für die Suchaktion zusammengezogen. Da es keine konkreten Anhaltspunkte gab, wo sich der Vermisste befinden könnte und er außerdem mit dem Auto unterwegs war, glich die Aktion natürlich einer Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen. Die Polizei tat ihr Möglichstes, doch nachdem der Mann im näheren Wohnumfeld nicht gefunden worden war, musste die Suche in der Nacht ergebnislos abgebrochen werden.
Der Vermisste tauchte schließlich wohlbehalten wieder auf – doch im Dorf wurde noch tagelang darüber gesprochen. Unter anderem ging es dabei auch um die Frage, wer denn die Kosten für diesen Einsatz trägt. Bekommt der vermeintliche Selbstmordkandidat nun eine hohe Rechnung ins Haus? Oder wird jene Person, die Alarm geschlagen hat, im Rahmen eines so genannten „Polizeikostenbescheids“ vom Staat zur Kasse gebeten?
„Rein rechtlich ist es zwar möglich, dass die Polizei in solchen Fällen ihren Aufwand in Rechnung stellt – allerdings nur dann, wenn der Alarm nachweislich nicht gerechtfertigt war“, räumte Bernhard Kohn, stellvertretender Pressesprecher des neuen Polizeipräsidiums Aalen auf Nachfrage der Rems-​Zeitung ein. „Und dies ist wirklich nur dann der Fall, wenn jemand absichtlich einen auslöst, obwohl er von Anfang an weiß, dass dieser gar nicht nötig wäre“, fügte Kohn hinzu – ähnlich wie bei einem Feueralarm.
Wenn sich jemand zum Beispiel in der Kneipe in launiger Runde einen Spaß daraus macht, bei der Polizei seinen eigenen Selbstmord anzukündigen und danach fröhlich mit den Kumpels feiert, während Polizei und Hundestaffel im Wald nach ihm suchen, wäre es ein klarer Fall. Oder wen sich eine Frau am Ende einer Beziehung beim Partner mit einer Selbstmorddrohung verabschiedet und unmittelbar danach in bester Stimmung zu einer Party geht. Unter solchen Voraussetzungen wäre es dann auch zweifelsfrei nachzuweisen, dass mutwillig ein falscher Alarm ausgelöst wurde – und dann werden die „Scherzbolde“ auch zur Kasse gebeten.
Solche Fälle sind allerdings die absolute Ausnahme. Laut Bernhard Kohn besteht zum Zeitpunkt des Notrufs in der Regel ein sehr begründeter Verdacht, dass ein Mensch seinem Leben ein Ende machen will. Oft sind es ja die Angehörigen, aber manchmal, so Kohn, sogar die Suizidgefährdeten selbst, die die Polizei anrufen. Wer den festen Vorsatz habe, sich umzubringen, schaffe dies meistens auch – aber oft sind seine angekündigten Selbstmorde ja auch eine Art letzter Hilfeschrei. „Wenn ein Mensch in einer solchen Situation rechtzeitig gefunden wird, lässt man ihn ja nicht allein, sondern sorgt dafür, dass er professionelle Hilfe bekommt – zum Beispiel in einer Fachklinik“, betont der Aalener Polizeisprecher. Auf diese Weise sei es dann möglich, dass die seelischen Wunden geheilt werden können. Die Kosten für die Suchaktion trägt dann die Staatskasse. „Und im vorhinein denken wir überhaupt nicht an die Kosten, sondern rücken sicherheitshalber auch im Zweifelsfall sofort aus“, machte Kohn deutlich, dass die Gesundheit und das Leben von Menschen für die Polizei die oberste Priorität habe.
An der jüngsten Aktion in der Kreisgemeinde war die Rettungshundestaffel des Malteser-​Hilfsdienst Schwäbisch Gmünd zwar nicht beteiligt, aber in vielen Fällen holt sich die Polizei bei der Vermisstensuche die Hilfe der Rettungshunde. „Unsere Einsätze sind immer polizeigeführt. Wir sind quasi eine Art Erfüllungsgehilfe“, betont Michael Berger. Seit 14 Jahren leitet er die Rettungshundestaffel, insgesamt ist er seit rund 18 Jahren aktiv dabei. „Grundsätzlich leisten wir unsere Hilfe ehrenamtlich“, unterstreicht Berger und kann sich in diesen knapp zwei Jahrzehnten spontan nur an einen einzigen Fall erinnern, in dem jemand den Kostenaufwand für den Einsatz der Hunde in Rechnung gestellt bekam und auch anstandslos bezahlt hat. Dabei habe es sich um einen betrunkenen Autofahrer gehandelt, der nach einem Unfall gesucht wurde. Letztlich habe sich das Ganze als Fahrerflucht herausgestellt.
Der Aufwand für die ehrenamtlichen Hundeführer, zum Beispiel die Fahrtkosten, darf nicht unterschätzt werden. „Allein bei mir kommen im Jahr rund 5000 Kilometer zusammen, die ich im Dienst der Rettungshundestaffel zurücklege. Es wird deshalb zur Zeit auf Landesverbandsebene über eine Regelung für die Aufwandsentschädigung nachgedacht.“ Bei den 30 bis 40 Suchaktionen, an denen die Rettungshundestaffel im Jahr eingesetzt wird, halten sich Suizidgefährdete und Demenzkranke so in etwa die Waage, schätzt Michael Berger. Wobei in nicht wenigen Fällen auch Depressionen oder Einsamkeit eine Rolle spielen, wenn verwirrte Menschen weglaufen.
Weihnachten 2013 war für die Rettungshundestaffel ein ruhiges Fest, denn es gab keinen Alarm. „In Vorjahren mussten wir immer an Weihnachten ausrücken“, machte Michael Berger deutlich. Aber warum? An Weihnachten und in der stillen Zeit „zwischen den Jahren“ ereignen sich mehr Familiendramen als in der übrigen Zeit des Jahres. Das Fest ist mit vielen Emotionen verbunden, und der Stress bei der Vorbereitung lassen die Nerven blank liegen. Angesichts der oft viel zu hohen Erwartungen ist die Enttäuschung schon programmiert. Hinzu kommt, dass Leute, die das ganze Jahr über nur wenig Zeit wirklich miteinander verbringen, über die Feiertage „aufeinanderhocken“. Schnell ist bei dieser Konstellation das Gefühlschaos perfekt.

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