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Nachrichten Kultur

Keine Angst vor Kairo

Herausgeber, Autoren und Verleger des neuen Stadtlesebuch „Mein Kairo“ waren nach Gmünd gekommen, um zu lesen, zu erzählen und für diese wunderbare Stadt zu begeistern: für ihr Kairo.

Freitag, 24. April 2015
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 34 Sekunden Lesedauer

LITERATUR (brd). Es war eine ganz besondere Veranstaltung, die Vorsitzende Brigitte Häussermann vom Freundeskreis der Gmünder Stadtbibliothek unter dem ehrwürdigen Dachgebälk vor vielen Zuhörern ankündigen konnte: Kairo, die „Mutter der Welt“ oder auch „die Siegreiche“, wie im Vorwort zu lesen ist.
Vielen ist der ARD-​Korrespondent Jörg Armbruster bekannt von seiner Berichterstattung vom Nahen und Mittleren Osten oder vom „Weltspiegel“. Um es vorweg zu nehmen: Es ging an diesem Abend weder um seine gefährliche Schussverletzung in Aleppo, auch nicht um Horrormeldungen über IS-​Truppen. Es ging vielmehr um Menschen in Kairo, ihren Überlebenswillen, ihre Würde. Dies alles findet sich wieder in den ausdrucksstarken Bildern der aus Schwäbisch Gmünd stammenden Fotografin und Künstlerin Barbara Armbruster, der Ehefrau von Jörg Armbruster. Zusammen mit Filmemacherin und Fotografin Hala Elkoussy hat sie das Leben in der mit 15 – 20 Millionen Einwohnern größten Stadt Afrikas in 140 Bildern eingefangen.
Barbara Armbruster berichtete, wie es möglich war, auch in Vierteln zu fotografieren, wo sie und ihre Dolmetscherin die einzigen „Fremden“ waren. Die meisten hätten sich gern fotografieren lassen, wenn sie erst mal Vertrauen zu ihr gefasst hätten. Allerdings hätte man auch immer mit unliebsamen Begegnungen der Geheimpolizei rechnen müssen, besonders zu Zeiten von Hosni Mubarak. „Wärme, Licht, Lärm, aber auch Stille“, das sei ihr Kairo.
60 ägyptische und deutsche Autoren haben zu diesen Bildern Beiträge geschrieben, so auch ARD-​Nahost-​Korrespondent Jürgen Stryjak, der trotz Bahnstreik extra aus Berlin angereist war. Er las seine Schilderung seines Stadtviertels vor, wo er Mitte der 90er-​Jahre für sieben Mark Monatsmiete gelebt hatte. Was nach 1001 Nacht ausgesehen hätte, sei für die Bewohner in ihrem täglichen Überlebenskampf gar nicht märchenhaft gewesen. Zusammen mit dem in Syrien geborenen und seit 1971 in Aachen lebenden Mitherausgeber und Autor Suleman Taufiq versuchten die drei Kairo-​Kenner, die Veränderungen nach der Revolution 2011 unter der Muslimbrüderschaft von Präsident Mohammed Mursi zu beleuchten. Dessen immer mehr auf Machterhalt fixierte Regentschaft hätte 2013 zum Militärputsch durch den derzeitigen Präsidenten al-​Sisi geführt und damit zu der jetzigen „Friedhofsruhe“.
Sie sahen dies als Folge der Tatsache, dass al-​Sisi sich derselben Mittel bediene wie sein Vorgänger, „nur perfektionierter“. Damit verbunden beobachteten sie den Abbruch eines vorsichtigen Reifeprozesses, wobei sich die Politik für das Leben der einfachen Menschen nicht wirklich interessiere und sie auch nicht erreiche. Noch immer würden die Ursachen von Armut nicht bekämpft.
„Fahren Sie nach Kairo, haben Sie keine Angst!“ war die klare Botschaft des 84-​jährigen Dr. Bruno Sandkühler, Orientalist, der vorlas, wie er Anfang der 50er-​Jahre zum ersten Mal nach Kairo gekommen war. Der Autor ist Mitbegründer eines Reiseunternehmens, war Pädagoge, und ist immer noch Reiseleiter für Studienreisen, vor allem in Luxor. Trotz aller Veränderungen während eines halben Jahrhunderts sei Kairo eine „menschliche Stadt“ geblieben, wo mit Hilfe des Familienzusammenhalts das beschwerliche Leben gemeistert werde.
Architekt und Stadtplaner Jörg Esefeld aus Stuttgart war als Verleger der Stadtlesebücher seiner Edition Esefeld & Traub ebenfalls zugegen. „Ökonomisch verrückt“ sei diese Reihe, von der er gleichzeitig zutiefst überzeugt sei. Wenn 60 Autoren ohne Honorar, die Fotografen und die Herausgeber so wunderbare Bücher entstehen ließen und dies dreisprachig, arabisch, englisch und deutsch, so sehe er sich damit auch dem bedrohten Weltkulturerbe verpflichtet und denke bereits an weitere Bände über Istanbul oder Isfahan.
Und Suleman Taufiq betrachtete den Kairo-​Band dank seiner umfangreichen Übersetzungsarbeit auch als „ein Geschenk für die Ägypter“, wo Autoren die Veröffentlichung ihrer Bücher selber bezahlen müssten. Mit seinen arabischen Wurzeln hat Taufiq viel zum Verständnis der Thematik beigetragen, und mit seinem Vortrag eines Gedichtes in arabischer Sprache verbreitete er im mittelalterlichen Gemäuer des Spitals einen ganz eigenen Zauber. Stauferkaiser Friedrich II. hätte es sicher verstanden.

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