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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Erinnerung an das Lebenswerk von Rosa Sigg

Am 3. Oktober 1993, also vor 25 Jahren, verstarb die Altverlegerin der Rems-​Zeitung, Rosa Sigg, die das Unternehmen über ein halbes Jahrhundert geprägt hat. Wir halten Rückblick auf ihr Wirken.

Dienstag, 02. Oktober 2018
Heinz Strohmaier
2 Minuten 26 Sekunden Lesedauer

Sie war eine starke Persönlichkeit, gehörte sie doch zu den Frauen, die – wie es im Nachkriegsdeutschland so gerne hieß – ihren Mann standen. Rosa Sigg, geborene Aich, kam 1911 in Schwäbisch Gmünd zur Welt. Dass sie ihr Lebensweg ins Zeitungsgeschäft führen, ja dass sie dort in eine Spitzenposition einrücken sollte, war ihr sicher nicht in die Wiege gelegt. Die nämlich stand in einer Familie, in der das Goldschmiedehandwerk Tradition hatte. Dennoch trat Rosa Aich im März 1928 als Verlagsangestellte in die Rems-​Zeitung ein, wo sie ihren zukünftigen Ehemann, Georg Sigg, kennenlernte. Seit 1923 Schriftleiter des Verlags, wurde er ein gutes Jahrzehnt später persönlich haftender Gesellschafter und zum Geschäftsführer bestellt. Während der NS-​Zeit wurde die Zeitung auf einem Kurs gehalten, der zwischen den Zeilen Kritik an der Ideologie des Regimes erkennen ließ.
1937 heiratete das Paar, drei Kinder kamen zur Welt. Doch das Familienglück war nicht von Dauer. 1941 wurde Georg Sigg, inzwischen Angehöriger der Wehrmacht, mit seiner Einheit an die Ostfront versetzt. Seine Spur verlor sich im Schlachtgeschehen, er blieb „kriegsvermisst“. Urplötzlich sah sich Rosa Sigg vor die Situation gestellt, ihren Mann in der Geschäftsführung vertreten und zugleich für drei kleine Kinder sorgen zu müssen. Eine Herausforderung, der sie energisch und wagemutig begegnete. Die junge Frau erwies sich bald als durchsetzungskräftige und klug wirtschaftende Verlegerin – und behauptete sich inmitten einer Gesellschaft, in der ansonsten Männer das Sagen hatten.
Bereits unmittelbar nach Kriegsende handelte sie nicht nur die Genehmigung zum Druck eines Amtsblatts für den Stadt– und Landkreis Schwäbisch Gmünd aus, sondern bald auch den Auftrag, eine Zeitung für die vor Ort stationierten US-​Soldaten herzustellen. Schwieriger gestaltete sich die Wiederbelebung der Rems-​Zeitung als unabhängige Heimatzeitung, die Rosa Sigg am Herzen lag. Gegen viele Widrigkeiten erreichte sie dieses Ziel 1949, im Schulterschluss mit den Kollegen Karl Aberle und Fritz Harzendorf, die in Göppingen die Neue Württembergische Zeitung herausgaben.
Kaufmännisches Talent und Gespür fürs Wesentliche sorgten dafür, dass Rosa Sigg die Zeitung zum Blühen brachte. Sie besaß dabei auch ein gutes Händchen für die Besetzung der Redaktion, der eine Zeit lang etwa der spätere Chefredakteur und Herausgeber der ZEIT, Theo Sommer, angehörte. Die Verlegerin sparte, wo es sinnvoll schien – und investierte nach dem gleichen Rezept. So erwarb sie ein dem Verlagsgebäude in der Paradiesstraße benachbartes Grundstück, ließ darauf einen Anbau errichten und eine neue Rotation installieren. Ab 1956 wurde die Rems-​Zeitung in den neuen Räumlichkeiten produziert.
Es spricht für sich, dass Rosa Sigg ihre Wohnung im Verlagsgebäude hatte. Sie ging in ihrem Beruf, der ihr zugleich Berufung war, auf. Auch gesellschaftlich bewahrte sie sich nicht nur ein waches und durchaus meinungsfreudiges Bewusstsein. Vielmehr engagierte sich die Verlegerin, in deren Büro stets ein Rauhaardackel die Tür hütete, etwa als Mitbegründerin und Förderin des Gmünder Tierschutzvereins.
Ab 1966 teilte sich Rosa Sigg die Geschäftsführung und Gesellschafterstellung mit ihrem Sohn Meinrad Sigg. Die Rems-​Zeitung bewährte sich in den folgenden Jahren als fortschrittliches Unternehmen, das technische Neuerungen wie Fotosatz oder Digitalfotografie enorm frühzeitig umsetzte.
Im Jahre 1990 zog sich Rosa Sigg aus dem Geschäft zurück, ihre Tochter Franziska Sigg trat ihre Nachfolge an.
Drei Jahre später starb Rosa Sigg, eine geachtete, unerschrockene Verfechterin der Presse– und Meinungsfreiheit in Baden-​Württemberg. Ihr Unternehmergeist lebt in dem nach wie vor familiengeführten Unternehmen fort.
Heute wird der Verlag von Franziska Sigg und Kerstin Sigg, der Tochter von Meinrad Sigg, gemeinsam geführt.

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Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 2005 Tagen veröffentlicht.


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