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Nachrichten Ostalb

Linienbündelung: Nackte Existenzangst

Die Redaktionen der „Rems-​Zeitung“ und der „Aalener Nachrichten“ haben gemeinsam die Busunternehmer aus dem Kreis eingeladen, um sich ihre Einschätzungen, Sorgen und Befürchtungen zur Neuordnung der Buslinien im Ostalbkreis anzuhören. 13 von ihnen haben bei dem Treffen im „Reichsadler“ in Mögglingen mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg gehalten.

Samstag, 08. Dezember 2018
Edda Eschelbach
2 Minuten 28 Sekunden Lesedauer

Wie ein Damoklesschwert scheint ein Schlagwort derzeit über den Busunternehmen im Ostalbkreis zu hängen: Linienbündelung. Mit ihr will der Kreis ab dem Jahr 2022 einen grundlegenden Systemwechsel im ÖPNV vollziehen. Doch wie sehen die Busunternehmer und –unternehmerinnen, die seit Jahren den gesamten Linienbusverkehr auf der Ostalb bewerkstelligen, diese Entwicklung und das, was da kommen soll? Was ihre Befürchtungen sind, und was sie von der Änderung des ÖPNV-​Systems im Ostalbkreis halten, erfahren Sie am Samstag in der Rems-​Zeitung.

RZ-​Redakteurin Edda Eschelbach hat das Thema kommentiert:

Billig ist nicht besser
Die Linienbündelung samt Ausschreibung birgt große Risiken

Die Sorgen der Busunternehmer und –unternehmerinnen sind spürbar und sehr groß. Zu recht. Allein die europaweite Ausschreibung gefährdet die Existenz von mindestens einem Teil der ortsansässigen Busunternehmen. Es ist illusorisch, dass alle 19, die jetzt den Linienverkehr im Ostalbkreis bedienen, nach der Vergabe der Linienbündel noch existieren. Es werden neue Anbieter auftauchen. Und selbst, wenn man gutwillig voraussetzt, dass es tatsächlich die erwarteten Verbesserungen von Qualitätsstandards und höhere Taktungen im ländlichen Raum geben könnte, ist es unwahrscheinlich, dass es bei der Zerschlagung eines funktionierenden Systems zugunsten eines völlig neuen – mit unabsehbaren Konsequenzen – am Ende nicht ums Geld geht. Folglich werden nicht die Anbieter die Lose gewinnen, die den besten Service, das beste Know-​how, die engste lokale Bindung anbieten. Gewinnen werden diejenigen, die das niedrigste Angebot machen.
Beispiele aus anderen Landkreisen geben wenig Anlass, das positiv zu sehen. Vieles wird anders. Ob es auch besser und billiger wird? In Bezug auf die ÖPNV-​Kosten könnte der Kreishaushalt entlastet und das Zwölf-​Millionen-​Defizit reduziert werden. Wobei mehr Qualität auch mehr kostet (sagt der klare Menschenverstand), wobei bessere Verbindungen, also mehr gefahrene Kilometer, höhere Kosten verursachen würden (reine Mathematik) und wobei schließlich kaputtgegangene Unternehmen am Ort Verluste bei der Gewerbesteuer mit sich bringen. Dafür werden Unternehmen, die aus dem Ausland oder aus anderen Landkreisen kommen, für ihre Stammsitz-​Gemeinden Mehreinnahmen bringen, die sie hier verdienen.
Was wird aus den Busfahrern, die schon viele Berufsjahre hinter sich haben, also bei Tarifbezahlung zu teuer wären? Sie können sich für weniger Geld bei den neuen Anbietern bewerben, die jedoch genauso gut neue Fahrer – solche mit niedrigen Anfangsgehältern – mitbringen könnten. Möglicherweise müssen sogar nur die Tariflöhne der jeweiligen Heimatländer bezahlt werden. Bisher tragen die Busunternehmen noch die Verantwortung für die Mitarbeiter. Wenn die neuen Verträge abgeschlossen sind, ist genau geregelt, was die Unternehmen für ihre Dienstleistung vom Kreis bekommen, wie viele Busse sie auf welchen Linien einsetzen dürfen und wie viel Personal sie dafür haben werden.
Die jetzt noch mögliche Flexibilität, Takte zu verändern, dem Bedarf anzupassen, auf Zuruf einen größeren Bus zu schicken, fallen unter den Tisch. Das müsste dann der Landkreis beauftragen, was eine Vertragsänderung bedeutet und damit auch die Kosten verändert. Hier bewahrheitet sich der Satz: „Never change a running system“ – tausche niemals ein funktionierendes System. Schon gar nicht, wenn es so viele Variablen gibt, die in der Rechnung noch nicht einmal auftauchen. Die größte konkrete Zahl, die nirgendwo auftaucht, sind zum Beispiel 20 Millionen Fahrgäste von Ostalb Mobil im Jahr. Ohne die diese Rechnung nicht gemacht werden darf.
Ehrliche Gespräche sind längst überfällig. Und wenn es an Kommunikation bisher gefehlt hat, ist doch immer noch Zeit, möglicherweise einen völlig anderen, unorthodoxen Weg gemeinsam zu gehen.



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