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Gewalt und Sicherheit: Sind Behörden und die Justiz zu träge?

Ereignisse wie der gewaltsame Tod eines Kindes gehen den meisten Menschen emotional nahe. Auch scheinbar geduldete Kriminalität oder nicht entschärfte Unfallschwerpunkte erhitzen die Gemüter. Und sehr schnell fragt man sich: Könnte so etwas nicht durch rechtzeitiges Reagieren der Polizei, der Justiz oder der Behörden verhindert werden? Zumal sich im Nachhinein nicht selten herausstellt, dass so manches Problem bereits vorher bekannt war. Mit diesem Thema befassen sich diese Woche die „Marginalien“ der Rems-​Zeitung, die Sie hier auch online und gratis in voller Länge lesen können:

Sonntag, 31. Oktober 2021
Gerold Bauer
2 Minuten 50 Sekunden Lesedauer

Erst warten, bis etwas passiert?
Warum muss erst etwas Schlimmes passieren, bis die Behörden aufwachen? Diese Frage hört man immer wieder. Ganz besonders dann, wenn durch eine Straftat oder eine Nachlässigkeit Menschen den Tod finden – obwohl das Problem ja allen Verantwortlichen längst bekannt war. Das jüngste und ganz besonders erschütternde Beispiel: In Bopfingen hat ein kleiner Junge, noch keine zwei Jahre alt, statt familiärer Fürsorge und Zärtlichkeit so viel Gewalt erleben müssen, dass sein kleiner geschundener Körper diese Torturen nicht mehr aushalten konnte und den Verletzungen erlag. Weil den Behörden schon vor diesem gewaltsamen Tod bekannt war, dass es in der Familien offenbar massive Probleme gibt, wurde ein vielstimmiger Schrei der Entrüstung laut, dass man diese Misshandlungen hätte vorher stoppen müssen.
Trägheit oder Sturheit wird der Obrigkeit in vielen Bereichen des Lebens vorgehalten. Nicht selten fordern Elterninitiativen die Einrichtung einer Fußgängerampel oder das Aufmalen eines Zebrastreifens, um den Weg zum Kindergarten oder zur Schule sicherer zu machen. Solche Forderungen sind meistens berechtigt – aber oft nur im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs! Denn wenn man den Akzent dabei auf „Recht“ legt, wird schnell klar, warum diese Elternwünsche häufig zum Scheitern verurteilt sind. Im Verkehrsrecht ist nämlich sehr genau definiert, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit Zebrastreifen oder Fußgängerampeln in die Tat umgesetzt werden dürfen. Hohenstadt hat erst nach jahrelangem Hin und Her eine Fußgängerampel bekommen.
Doch zurück zum Thema „Gewalt“ in Familien oder unter Nachbarn. In einer Gemeinde im Raum Gmünd schaukelte sich vor Jahren ein Nachbarschaftsstreit über lange Zeit hoch, es gab unzählige Anzeigen bei der Polizei – und am Ende schlug der eine alte Mann dem anderen alten Mann eine Schaufel auf den Kopf. Zum Glück ohne schwerwiegende Folgen, doch es hätte böse ausgehen können.
Schlimme Folgen könnte es auch haben, dass ein Senior im Zuge einer Demenz nun schon seit Jahren in einer Kreisgemeinde immer wieder Scherben auf Rad– und Wanderwegen auslegt und dafür schon zweimal zu Bewährungsstrafen verurteilt wurde. Und allem Beteiligten, auch dem Gericht war eigentlich klar, dass man wohl kaum etwas bewirkt, wenn man von einen geistig völlig verwirrten Menschen erwartet, dass Strafandrohung zur Einsicht führt.
In einem anderen kleinen Ort im Gmünder Raum hat ein junger Mann schon mehrfach einen Polizeieinsatz ausgelöst, weil er im psychischen Aufnahmezustand mit dem Messer gedroht hat. Bislang hat er nie auch nur versucht, damit jemanden zu verletzen. Längst fragen sich aber Nachbarn, ob es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Waffe tatsächlich zum Einsatz kommt. Vielleicht, weil sich eine Situation so hochschaukelt wie bei den Senioren mit der Schaufel.
Alle, die in solchen Fällen auch nur in vagen Gedanken die Selbstjustiz ins Kalkül ziehen, sei an dieser Stelle gesagt: Wir leben Gott sei Dank nicht in einem Gebiet, in dem wie einst im Wilden Westen das Faustrecht oder das Lynchen üblich ist. Der Rechtsstaat hat nicht zuletzt die Aufgabe, Schwächere vor Stärkeren zu schützen. Auf diese Weise wird auch der Einzelne vor der Willkür des Staats geschützt. Und deshalb ist es nötig, dass jedes Handeln – auch das von Behörden – immer sorgfältig auf seine Rechtmäßigkeit geprüft wird. Bevor man einen über 80-​Jährigen in die „Klapse“ sperrt, Kinder von Mütter wegnimmt und in ein Heim schickt oder vorschnell neue Verkehrsregelungen einführt, muss eine Abwägung erfolgen, ob sich dieses Tun mit den Gesetzen verträgt. Meistens dauert dieses Abwägen der Einzelfälle lang – und manchmal eben auch zu lang! (pilatus)

Wie denken Sie darüber? Wir freuen uns auf die Meinungen unserer Leserinnen und Leser — gerne per Mail an redaktion@​remszeitung.​de oder als Kommentar zum entsprechenden Artikel auf unserer Facebook-​Seite https://​www​.face​book​.com/​r​e​m​s​z​e​i​tung/

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