Marginalie: Solidarität mit dem Iran
Grafik: rz
Solidaritätsbekundungen sind oft als reine Symbolpolitik verpönt. Doch gerade, wenn sie von offiziellen, politischen Stellen kommen, können sie für Betroffene eine wichtige Bedeutung haben. Vor dem Gmünder Rathaus beispielsweise hängt die Flagge der Ukraine. Warum es manchmal wichitg ist, Flagge zu zeigen, damit beschäftigt sich die Marginalie diesen Samstag.
Sonntag, 20. November 2022
Sarah Fleischer
2 Minuten 25 Sekunden Lesedauer
Sie sind vor jedem Rathaus gehisst und zeigen mit dem Stadtwappen unmissverständlich, in welchem Ort man sich befindet, eventuell ergänzt durch eine Deutschlandflagge oder das Wappen des Bundeslandes. Auch vor dem Gmünder Rathaus weht ein auf Stoff gedrucktes Einhorn. Seit März hat sich auch eine blau-gelbe Flagge dazugesellt – ein Zeichen der Solidarität Schwäbisch Gmünds mit dem Land, in dem seit nun fast neun Monaten Krieg herrscht. Vor der Remsgalerie weht ganzjährig die Regenbogenflagge, das Symbol der LGBTQIA+ Gemeinschaft. Man kann das alles als reine Symbolpolitik abtun, weil das ja nur ein Stück Stoff ist, weil daraus nicht zwingend auch Taten folgen, weil manche sich davon belästigt fühlen oder eine ideologische Verschwörung wittern, weil… es gibt sicher noch mehr Argumente.
Gleichzeitig zeigen diese Flaggen denjenigen, denen sie etwas bedeuten aber auch: Ihr seid nicht alleine. Wir denken an euch und ihr habt unsere Unterstützung. Wenn dieses Signal von einer öffentlichen Stelle wie dem Rathaus, der Landes– oder gar Bundesregierung kommt – noch besser. Netter Nebeneffekt: Spätestens jetzt weiß wohl jeder, wie die Flagge der Ukraine aussieht.
Apropos: Weiß eigentlich jemand, wie die Flagge des Iran aussieht? Nein? Schade. Dabei gehen dort seit Wochen, seit dem 16. September, dem Tag, an dem Mahsa Amini durch die Hände der Sittenpolizei starb, die Menschen auf die Straße, jeden Tag mehr. Über 300 Menschen starben bereits, wurden getötet, weil sie für ihre Freiheit kämpften. Tausende sind inhaftiert, vielen droht die Todesstrafe.
Bis in Deutschland von politischen Akteuren eine Regung kam, eine klare Positionierung und Solidarisierung mit den Prosten, das dauerte. Wer die jüngste Ausgabe der „Anstalt“ gesehen hat, weiß, wovon die Rede ist. Alle anderen sei geraten, die Folge anzusehen und Taschentücher bereitzuhalten.
Solidarität mit den Iranerinnen und Iranern kam hierzulande vor allem aus der Bevölkerung, bei Demonstrationen und von Deutschen, deren Wurzeln im Iran liegen, die dort noch immer Familie haben. Die Flaggen bei diesen Demos sind grün, weiß und rot, doch in ihrer Mitte prangt nicht das Hoheitszeichen des Iran. Es ist ein Detail, doch es zeigt, worum es bei den Protesten geht.
Und nein, man sollte nicht Ukraine und Iran gegeneinander ausspielen, weil immer nur Zeit für eine Solidaritätsbekundung ist. Das wäre fatal, denn die Schicksale der Menschen beider Länder hängen zusammen: Das iranische Regime unterstützt Russland, iranische Drohnen töten ukrainische Zivilisten. In beiden Ländern geht es um Freiheit, um Menschenrechte. Also, wie wäre es mit etwas grün, weiß und rot vor dem Rathaus? Zusammen mit blau und gelb, ergibt das schon fast so etwas wie einen Regenbogen.
Diesen und weitere Artikel finden Sie am Samstag in der Rems-Zeitung. Auch erhältlich am iKiosk.
Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 521 Tagen veröffentlicht.