Weleda entlässt 129 Mitarbeiter in Frankreich

Schwäbisch Gmünd

Foto: David Broglin

Weil in Frankreich Homöopathie und anthroposophischer Arzneimittel nicht mehr von der Krankenkasse erstattet werden, schließt Weleda die Arzneimittelproduktion am Standort Hüningen. 129 Arbeitsplätze werden bis Ende März 2023 abgebaut. Das teilt das Unternehmen mit Hauptsitz im schweizerischen Arlesheim und einer Niederlassung in Schwäbisch Gmünd mit.

Montag, 05. Dezember 2022
Thorsten Vaas
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In Frankreich haben sich die Marktbedingungen für Weleda drastisch verändert, seit die ehemalige Gesundheitsministerin Agnes Buzyn die staatliche Aufsichtsbehörde für Gesundheit (HAS) um eine wissenschaftliche Prüfung homöopathischer Medikamente gebeten hatte. Die Behörde sprach sich aus mehreren Gründen gegen eine Vergütung aus. „Es gebe weder Beweise für die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel, noch führten diese dazu, dass die Patienten dafür auf den Konsum anderer traditioneller Medikamente verzichteten“, zitiert die Neue Züricher Zeitung aus dem HAS-​Dokument. Buzyn war der Empfehlung gefolgt. Seit 2021 wird Homöopathie nicht mehr von der französischen Grundversorgung bezuschusst. Bis 2019 wurden 30 Prozent der Kosten übernommen, 2020 waren es 15 Prozent. Weleda spürt diese neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen massiv.
„In diesem Zusammenhang kam es über die vergangenen Jahre zu einem Umsatzrückgang von 70 Prozent im Bereich Arzneimittel bei Weleda Frankreich“, schreibt Weleda in einer Pressemitteilung. Im Juli stellte das Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz und einer Niederlassung in Schwäbisch Gmünd vor, wie diese Entwicklung gestoppt werden und die französische Organisationsstruktur neu am Markt ausgerichtet werden könnte. Eine Maßnahme: Die Arzneimittelproduktion am französischen Standort Hüningen wird eingestellt, hinzu kommen nach Firmenangabe weitere strukturelle Anpassungen der Niederlassung im Elsass. Bis Ende März 2023 sollen 129 Stellen bei Weleda Frankreich abgebaut werden. Die Produktionsaktivitäten in Hüningen werden ab Februar 2023 auslaufen und bis Ende März 2023 eingestellt. „Die industrielle Arzneimittelproduktion in Europa würde Weleda dann, soweit möglich und sinnvoll, am Standort Deutschland konzentrieren“, schreibt das Unternehmen.
Die Weleda-​Gruppe hat Anfang Juli den Arbeitnehmervertretern an ihrem französischen Standort im elsässischen Hüningen ein Projekt zur Reorganisation der örtlichen Geschäftsaktivitäten vorgestellt. Ende Oktober einigten sich die Geschäftsführung von Weleda Frankreich und die Sozialpartnern auf Unterstützungsmaßnahmen für die betroffenen Beschäftigten. Der Stellenabbau solle so sozialverträglich wie möglich erfolgen.
An Investitionen hält die Weleda-​Gruppe nach eigenen Angaben fest. Dazu zählen der Ausbau der Naturkosmetikproduktion in Arlesheim ebenso wie das neue Logistikzentrum in Schwäbisch Gmünd, das sich aktuell im Bau befindet und Anfang 2024 in Betrieb gehen soll. Die Weleda AG Arlesheim ist eine Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht. Daneben besteht die internationale Weleda Gruppe aus weltweit 27 Gesellschaften und beschäftigt heute rund 2500 Mitarbeitende. Insgesamt ist Weleda in rund 50 Ländern vertreten.

Die HAS-​Untersuchung
Neun Monate lang arbeitete die französische Aufsichtsbehörde für Gesundheit (HAS) an ihrer Stellungnahme zur Aufrechterhaltung der Erstattung von homöopathischen Arzneimitteln. Im Juni 2019 wurde die Arbeit veröffentlicht, in der sich die Behörde aus mehreren Gründen gegen eine weitere Erstattung ausspricht. In der Begründung heißt es, „dass diese Arzneimittel wissenschaftlich keine ausreichende Wirksamkeit nachgewiesen haben, um eine Erstattung zu rechtfertigen“. Das liegt vor allem an der Potenzierung.
Potenzierung — was ist das?
In der Homöopathie wird ein Wirkstoff immer wieder um ein Zehntel verdünnt. Wie oft verdünnt wurde, gibt der Potenzierungsgrad an. D24 bedeutet etwa, dass 24 Mal zehnfach verdünnt wurde, C12 heißt, dass zwölfmal hundertfach verdünnt wurde. „Die Menge an vorhandenem Wirkstoff nimmt jedes Mal ab, bis im Grunde nichts mehr vorhanden ist. Ab Potenzierungen vom Faktor 24 wäre ein mehrfacher Lotto-​Gewinn in Millionenhöhe wahrscheinlicher, als auch nur ein Molekül des Wirkstoffs in der homöopathischen Arznei zu finden“, heißt es beim Wissenschaftsmagazin Quarks. In der Homöopathie hingegen heißt es, dass mit jeder Verdünnung die Wirksamkeit steige.