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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Die Fettecke am Sebaldplatz

Visualisierung: Stadtverwaltung

Kunst kann alles sein, was ein Künstler zur Kunst erklärt. Das macht es der Kunst einfach, dem Betrachter oft jedoch mühselig, einen tieferen Sinn des Machwerks zu erfassen. Man denke nur an Fett, das Joseph Beuys Ende der 1950er Jahre in seiner Kunst verwendete, alles Erdenkliche damit bedeutungsschwanger einkleisterte und schamanisch erklärte, die Sache mit Fett habe einen großen Anspruch auf Theorie. Das macht es zwar auch nicht verständlicher, liefert aber einen Hinweis darauf, was das Ding auf dem Schwäbisch Gmünder Sebaldplatz sein könnte: Ein fetter Klotz, der einen etwas ratlos zurücklässt.

Sonntag, 01. Mai 2022
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 9 Sekunden Lesedauer

Man fragt sich schon, was sich die Künstler bei dem Etwas gedacht haben, das am kommenden Mittwoch, 4. Mai, im Bauausschuss als neue Feuerwache vorgestellt werden soll. Vor allem das, was einmal die Fahrzeughalle sein könnte, wirkt auf den ersten Blick wie ein Entwurf, den man einem dänischen Hersteller von Klemmbausteinen als Modellbausatz andienen könnte. Als echtes Gebäude auf dem Sebaldplatz kann man sich das mit Arkadenfenstern verzierte Bauwerk im knallroten Industrie-​Chic allerdings kaum vorstellen. Es passt so gar nicht ins Ensemble. Ganz davon abgesehen, dass in der Animation, die den Räten am Mittwoch präsentiert wird, seltsam abgestufte Terrassen direkt vor die Einfahrt des neuen Florian eingezeichnet sind.

Stadtplanerisch sehen diese Terrassen zugegebenermaßen hübsch aus. Sie ergeben bloß wenig Sinn. Die Animation zeigt eine Frau mit Kinderwagen, die spazieren geht – man will nicht wissen, was sie über solche Stufen denkt, die man recht planlos eingeplant zu haben scheint. Oder die beiden Radfahrer, die hier unterwegs sind, und das auch noch ohne Helm! Ein blöder Fahrfehler an den Stufen genügt, und die Radler liegen auf der Nase! Man kann von Glück reden, dass auf dem animierten Sebaldplatz echt was los ist. Irgendjemand wird schon da sein und Erste Hilfe leisten. Der Autofahrer könnte es sein, der inmitten der Terrassen parkt. Wie der wohl dorthin gefahren ist, ist in einer solchen Situation sicher zweitranging. Man kann froh sein über den Erste-​Hilfe-​Kasten im Kofferraum. Und ganz nebenbei: Auch die Feuerwehr darf über die Treppen zum Einsatz fahren darf.

Bei aller Kritik muss man jedoch sagen: Oben auf dem Flachdach der Fahrzeughalle machen die Planer der Stadt viel richtig. Dort könnte ein Kleinspielfeld entstehen, das nicht nur die Feuerwehr selbst, sondern die breite Öffentlichkeit nutzen darf. Eine tolle Idee! Der rote Florian in Schwäbisch Gmünd wird damit zum Treffpunkt und so zur Blaupause für eine Lösung des Nachwuchsproblems, mit dem sich Hilfsorganisationen wie Vereine seit Langem plagen. Alles vom Dach abwärts sollte man sich jedoch nochmal gut durchs Oberstübchen gehen lassen.

Nicht, dass man sich bei der Gmünder Baukunst einmal fragen muss: Ist das Kunst, oder kann das weg? Das ist nämlich bei Joseph Beuys passiert. Irgendwann um 1982 installierte der Künstler in seinem Atelier der Düsseldorfer Kunstakademie in fünf Metern Höhe mit fünf Pfund bester Markenbutter eine Fettecke in Form eines gleichschenkligen Dreiecks. Wenige Monate nach Beuys’ Tod erlangte die bebutterte Ecke Bekanntheit. Jemand kratzte das Zeug von der Wand und warf des Künstlers klebriges Vokabular weg. Einfach so. Es sah einfach nicht nach Kunst aus. Und roch wahrscheinlich auch nicht danach. (Franz Kaspar)

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Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 723 Tagen veröffentlicht.


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