Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Ostalb

Marginalie: Was ist schon ein weiteres Jahr?

Grafik: RZ

Lichter aus, Jungen weinen – nein, dies ist keine Vorschau auf die Stimmung in der Stuttgarter Mercedes-​Benz-​Arena am Samstag nach Abpfiff. Es ist eine Vorschau darauf, was wenige Stunden später beim Eurovision Song Contest in Turin zu hören sein wird: Denn dort treten Tschechien und die Schweiz in diesem Jahr mit den Beiträgen „Lights Off“ und „Boys Do Cry“ an. Ob die Anhänger des VfB Stuttgart dann schon vor Freude über den Bundesliga-​Klassenerhalt im Takt zu Armeniens Lied „Snap“ mitschnippen können, entscheidet sich erst kurz zuvor.

Samstag, 14. Mai 2022
Benjamin Richter
2 Minuten 1 Sekunden Lesedauer

Holt die Berliner Hertha, seit vielen Wochen Leidensgenossin der Stuttgarter im Abstiegskampf, im Dortmunder Signal-​Iduna-​Park bloß einen Punkt – wofür ein torloses Unentschieden gegen den nicht mehr von Platz zwei zu verdrängenden BVB genügen würde –, können die Schwaben machen, was sie wollen: An der Relegation gegen den Dritten der Zweiten Liga führt dann kein Weg mehr vorbei. Nein, der VfB braucht einen Heimsieg gegen Köln bei gleichzeitigem Hertha-​Versagen, um den Nichtabstieg schon dieses Wochenende zu besiegeln. Die Gefahr des direkten Abstiegs bereitet dagegen wohl kaum einem Stuttgart-​Fan schlaflose Nächte, müsste Tabellennachbar Arminia Bielefeld doch selbst bei einer Niederlage des VfB noch eine klaffende Differenz von derzeit sieben Toren überbrücken – innerhalb eines Spiels, gegen Champions-​League-​Anwärter RB Leipzig.

Dass sich von der Ostalb dieser Tage so viele gespannte Blicke nach Bad Cannstatt richten, hat sicher auch damit zu tun, dass für die meisten Spitzenteams aus dem Fußballbezirk der eigene Drops inzwischen gelutscht ist. Der 1. FC Heidenheim hat sich vor Wochen aus dem Aufstiegsrennen der Zweiten Bundesliga verabschiedet, der VfR Aalen zuletzt genügend Punkte für den Verbleib in der Regionalliga zusammengekratzt. Die Aufstiegschancen der Gmünder Normannia sind in der Verbandsliga aller Wahrscheinlichkeit nach nur noch theoretischer Natur. Einzig die Sportfreunde Dorfmerkingen zittern noch im Abstiegskampf der Oberliga Baden-​Württemberg – und sind ganz ähnlich wie der VfB auf ein Stolpern der Mitbewerber angewiesen, haben fürs Überholen aber immerhin noch vier Spieltage Zeit.

Dem (Noch-?)Erstligisten aus der Landeshauptstadt bleiben hingegen lediglich noch 90 Minuten plus Nachspielzeit. Nicht gerade viel Zeit, um nach zuletzt sechs sieglosen Partien – unter denen zwar immerhin ein Remis gegen die Dauer-​Meister aus Bayern war – „wie der Phönix aus der Asche zu steigen“, um es mit Conchita Wurst zu sagen. Nachdem Stuttgarts letzter Heimsieg gegen das Geißbock-​Team aus dem Rheinland bereits vom 13. Oktober 2017 datiert, dürften auch in puncto Wiedergutmachung drei Punkte das anvisierte Ziel sein, um der gebeutelten Fanseele wieder „ein bisschen Frieden“ zu bescheren. Johnny Logans Frage „What’s Another Year?“ – „Was ist schon ein weiteres Jahr?“ stellt sich dagegen am Samstagnachmittag in der Cannstatter Kurve wohl kaum jemand, weil die Antwort glasklar ist: Ein weiteres Jahr Erstklassigkeit bedeutet alles. Wer spielt schon gerne gegen Düsseldorf, Magdeburg und – Gott bewahre – Karlsruhe? Nichtsdestotrotz schaffte es Logan 1980 mit dem Song auf den ersten Platz beim Song Contest – und der VfB im selben Jahr auf den dritten der Bundesliga. Der Ersten, wohlgemerkt.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

1284 Aufrufe
487 Wörter
706 Tage 3 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 706 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2022/5/14/marginalie-was-ist-schon-ein-weiteres-jahr/