Der Weg des Christkinds

Schwäbisch Gmünd

Foto: Uwe Kunze / pixelio.de

Früher war die Sache klar: Strom wohnte hinterm Lichtschalter und wartete, bis endlich jemand klingelte. Und wenn damals jemand vom Sparen sprach, ging’s um Geld. Heute weiß man, dass die Angelegenheit doch etwas komplexer, da internationaler ist.

Sonntag, 25. September 2022
Rems-Zeitung, Redaktion
124 Sekunden Lesedauer

Der Krieg in der Ukraine, die damit verbundenen Verwerfungen auf dem Energiemarkt schärfen mittlerweile das Bewusstsein dafür, dass Strom nicht bloß aus der Steckdose kommt und irgendwo auf eigenartige Weise geboren wird. Da geht es um Atomkraft, die länger am Netz bleiben soll, Wind-​, Sonnenenergie und vor allem um Gas, dessen Preis mittlerweile so hoch ist, dass Firmen am Rande der Existenz arbeiten, der Bund Deutschlands größten Gasimporteur retten muss und sich Millionen Haushalte fragen, wie sie den Winter über heizen sollen. Düstere Zeiten, trübe Aussichten, dennoch gibt es gute Nachrichten: Alle können helfen, um Schlimmes zu vermeiden. Das Kollektiv hat es in der Hand. Und der Staat.

Der ist „um des Menschen Willen da“, formulierten Experten aus Politik und Justiz im August 1948 auf Schloss Herrenchiemsee, als es um die Grundzüge der künftigen Verfassung ging. Gerade in der Krise darf man sich dieses Diktums erinnern. Bürgerinnen und Bürger sind aufgerufen, Energie zu sparen, Raumtemperaturen werden abgesenkt, das Duschwasser wird kälter – jede gesparte Kilowattstunde Strom verhindert, dass Kraftwerke notfalls Gas verbrennen, um daraus Strom zu erzeugen. Es sind gute, dienliche Methoden, die man aushalten kann, so wie das Licht, das man hinter sich löscht. Aber auch Städte und Gemeinden könnten mehr unternehmen, um beispielhaft in der Krise voranzugehen. Auch Schwäbisch Gmünd. Je näher der Dezember rückt, desto mehr muss man sich fragen, ob die Weihnachtsbeleuchtung unbedingt sein muss? In der Adventszeit darauf zu verzichten, wäre eine der einfachsten Methoden, Energie zu sparen.

Dunkle Weihnachten in den Straßen und Gassen Gmünds. Freilich kann man sich das kaum vorstellen. Weil Weihnachten Licht ist, weil es das noch nie gab, weil Emotionen damit verbunden werden. Und überhaupt: Die Weihnachtsbeleuchtung besteht aus tausenden stromsparender LED-​Lämpchen. Verglichen mit dem Energiebedarf von Hallenbäder, sind leuchtende Weihnachtssterne in Gmünd also kaum der Rede wert. Andererseits sprachen die Gmünder Stadtwerke in einer Präsentation vor dem Integrationsausschuss von den vielen Stand-​by-​Geräten, die zusammen viel Strom bräuchten. Wer genauer hinsieht, wird feststellen: Das stimmt.

Obwohl elektrische Geräte in der EU im Stand-​by-​Modus bloß maximal 1 Watt und damit weitaus weniger als manche LED verbrauchen dürfen, fressen 5000 Fernseher zusammen 5000 Watt. Dieses banale Beispiel zeigt, dass auch Lichterketten in den Straßen und Gassen, auf den Marktplätzen in der Krise enormes Sparpotenzial innewohnt, vor allem im Kollektiv. Wenn nur Gmünd auf Weihnachtsbeleuchtung verzichtet, könnte man von einem symbolischen Akt sprechen. Beteiligen sich jedoch alle Städte und Gemeinden daran, kommt deutschlandweit eine beträchtliche Menge an Energie zusammen, die gespart wird, damit am Ende weniger Gas verbrannt wird. Damit Energiepreise sinken. Für Menschen, die heute noch nicht wissen, wie sie über den Winter kommen sollen. Dem Weihnachtsfest an sich macht der Verzicht auf Licht übrigens nichts. Das Christkind findet trotzdem seinen Weg. Auch im Dunkeln. (Franz Kaspar)