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Jugendarbeit der Vereine mit Schnapsverkauf finanzieren?

Grafik: RZ

In manchen Vereinen sind die Einnahmen aus dem Schnapsverkauf bei Veranstaltungen eine nennenswerte Säule der Finanzierung. Gerne wird dafür das Argument genannt, dass man ja irgendwie Geld für die Jugendarbeit erwirtschaften muss. Der Heubacher Bürgermeister wollte bei Faschingsveranstaltungen den Ausschank von Hochprozentigem im Hinblick auf Gesundheit und Sicherheit verbieten — und erntete damit kein Lob, sondern eine Schelte. Die RZ beleuchtet das Thema in den Marginalien, die Sie hier gratis und in vollem Wortlaut lesen können!

Sonntag, 29. Januar 2023
Gerold Bauer
2 Minuten 30 Sekunden Lesedauer

Promille für die Jugendarbeit?
Da hat der Heubacher Bürgermeister in ein Wespennest gestochen, als er kraft Amts den Ausschank von hochprozentigem Alkohol bei Faschingsveranstaltungen in Heubach verbieten wollte. Dazu hatte er im Hinblick auf die Zuständigkeit das Recht – und darüber bekommt er „Schützenhilfe“ durch Handlungsempfehlungen, die sich auf Statistiken und Erfahrungen berufen. Der Tenor ist allenthalben gleich: Wenn Veranstaltungen aus dem Ruder laufen, dann sind dabei häufig Drogen oder reichlich Promille im Spiel. Aufgrund von Protesten hat er die Verordnung zunächst auf Eis gelegt und will mit dem Gemeinderat nochmal alles in Ruhe besprechen.
Dr. Joy Alemazung, der seit gut einem Jahr im Chefsessel des Heubacher Rathauses sitzt, ist schon im Wahlkampf und auch in der Amtsführung immer wieder dadurch positiv aufgefallen, dass er bei Entscheidungen nicht primär durch die Verwaltungsbrille schaut, sondern die Nächstenliebe in den Vordergrund stellt. Es soll den Menschen in „seiner“ Stadt gut gehen, unter dieser Prämisse hat er sein Amt angestrebt und angetreten. Teil dieses Wohlergehens sind für ihn nicht zuletzt die Gesundheit und die Sicherheit.
Das gilt für den Heubacher Schultes auch für Veranstaltungen im öffentlichen Raum. Er möchte nicht, dass das DRK dort reihenweise „Schnapsleichen“ abholt oder nach heftigen körperlichen Auseinandersetzungen Verletzte medizinisch versorgen muss. Somit dachte er sich, dass er den Heubacherinnen und Heubachern mit seinem „Schnapserlass“ etwas Gutes tut. Doch offensichtlich möchten sich nicht alle zu ihrem Glück zwingen lassen. Gegenwind bekam das Stadtoberhaupt auch von jenen Vereinen, die auf den satten Erlös aus dem Verkauf von „harten Sachen“ nicht verzichten wollen. Mit dem Ausschank von „Branntwein oder branntweinhaltigen Getränken“, wie es im Behördendeutsch heißt, lässt sich nämlich ziemlich viel Geld verdienen. Es geht dabei um vierstellige Beträge, die in der Vereinskasse fehlen, wenn es bei einer Veranstaltung für junge Leute nur Bier, Wein und Soft-​Drinks gibt.
Groß sind die Unterschiede auch in der Wirkung auf die Gäste. Um sich eine „Alkoholvergiftung“ anzutrinken, muss jemand beim Konsum von Bier schon gewaltige Mengen in sich hineinschütten. Und die kommen in den meisten Fällen oben wieder raus, bevor jemand reif fürs Koma ist. Dies läuft beim Schnaps völlig anders. Aufgrund des hohen Alkoholgehalts reichen schon sehr überschaubare Mengen, um das Promille-​Niveau hochzutreiben. Wenn dann noch – und das ist die übliche Praxis – der eigentlich gar nicht so gut schmeckende Fusel in süßen Mixgetränken „versteckt“ wird, merken Betroffene erst viel zu spät, wie viel sie schon „intus“ haben. Zudem sorgt der hohe Zuckergehalt dafür, dass der Alkohol besonders schnell seine verheerende Wirkung entfaltet.
Es mag für Zuschauer ja noch in gewisser Weise belustigend sein, wenn sich jemand unter dem Einfluss „geistiger Getränke“ jeglicher geistiger Fähigkeiten entledigt, herumtorkelt und sich deutlich freizügiger verhält als im Normalzustand. Verletzungen bei schweren Stürzen oder tödliche Unfälle im Straßenverkehr sind dann überhaupt nicht mehr lustig. Hinzu kommt, dass der „Genuss“ von hochprozentigem Alkohol vor allem in der Kombination mit aufputschenden Substanzen (vom hochdosierten Energy-​Drink über kleine bunte Pillen mit entsprechender Wirkung) bei nicht wenigen Menschen die Aggressivität fördert. Dann fliegen aus nichtigen Anlässen die Fäuste. Vor diesem Hintergrund den Ausschank von Schnaps damit zu rechtfertigen, dass der Erlös für die Finanzierung der Jugendarbeit notwendig ist, erscheint bei genauer Betrachtung dann schon reichlich paradox. (meltemi)

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