Graue Wölfe in Gmünd: Allen war’s bekannt
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Der Tag der Kulturen naht. Am Sonntag, 15. Oktober, wird in Schwäbisch Gmünd das Miteinander gefeiert. Etwas daran wird anders sein als im vergangenen Jahr: der Blick auf den Türkisch-Islamischen Kulturverein. Seine Nähe zur türkisch-rechtsextremen MHP und den Grauen Wölfen ist offensichtlich. Und war es schon immer.
Dienstag, 03. Oktober 2023
Thorsten Vaas
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Seither geht es um die Frage, wie man mit dem Verein aus der Graf-von-Soden-Straße umgeht, wie Integration gelingen kann, ob die Stadtverwaltung genug gegen die Ideologie unternimmt, die sich im Vereinsgebäude offenbart: Bilder von heulenden Wölfen, MHP-Schriftzüge samt Porträts des Parteigründers, ein Schrank voller Devotionalien. Darf, soll und wird der Verein in diesem Jahr erneut beim Tag der Kulturen auftreten? „Wir gehen davon aus, dass er nicht teilnehmen wird“, sagt a.l.s.o.-Chef Ali Nagelbach. Und selbst wenn, wolle man sich den eigenen Platz nicht nehmen lassen.
Graue Wölfe – so werden die rund 11.000 Sympathisanten der türkisch-rechtsextremistischen „Ülkücü Hareketi“ (übersetzt: „Bewegung der Idealisten“) in Deutschland genannt. Anhänger der Bewegung eifern verfassungskritischen Zielen nach: Sie träumen von der Rückkehr eines pantürkischen Reichs von China bis zum Balkan mit einer „ethnisch homogenen Gesellschaft“, vermeintliche Gegner wie etwa Armenier, Griechen, Juden, Kurden oder die USA würden herabgesetzt, berichtet der Verfassungsschutz, der die Vereinigung seit mehr als zwei Jahrzehnten unter der Rubrik „Auslandsbezogener Extremismus und Terrorismus“ beobachtet. Auch der Gmünder Verein spielt dabei eine Rolle, denn er ist Mitglied der „Türk Federasyon“, einer Kurzform für „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland“. Diesem größten „Ülkücü“-Dachverband gehören aus Baden-Württemberg rund 40 Vereine mit etwa 2200 Mitgliedern an, rund 100 davon organisieren sich im Türkisch-Islamischen Kulturverein in der Graf-von-Soden-Straße. Der Umgang mit ihnen zeigt, wie schwierig Integration sein kann.
Die Gmünder Stadtverwaltung setzt auf Dialog, der Verfassungsschutz habe es empfohlen. Immer wieder war Gmünds Oberbürgermeister Richard Arnold bei den Mitgliedern im Vereinsheim, etwa beim Fastenbrechen. Bilder dieser Besuche findet man in sozialen Netzwerken. „Entweder verweigere ich mich, weil es Graue Wölfe sind. Dann hat man morgen eine Parallelgesellschaft. Oder ich gehe dorthin und versuche, mich einzumischen – das ist meine Herangehensweise“, so der Rathaus-Chef im Mai dieses Jahres, als die Rems-Zeitung über die Verbindung des Türksch-Islamischen Kulturvereins zu den Grauen Wölfen und der MHP berichtet. Als Wölfe seien ihm, Arnold, die Vereinsmitglieder aber nie begegnet.
Etwas anderes sagt Landrat Joachim Bläse, ehemals Gmünds Erster Bürgermeister, der heute eine andere Sicht auf die Dinge hat: „Dass sie zu den Grauen Wölfen zählen, war bekannt. Es war allen bekannt, die damals in der Verantwortung standen. Wir können nicht mit Organisationen zusammenarbeiten, die unsere Werte nicht respektieren.“ Dennoch betont er, wie wichtig der Dialog mit dem Verein sei. Es stelle sich bloß die Frage, wie man ihn organisiere. Anders formuliert: Genügt es, wenn Kommunalpolitiker zum Teetrinken dort sind?
Mehr darüber lesen Sie am Mittwoch in der Rems-Zeitung — und hier
Graue Wölfe in Gmünd: Genügt Teetrinken?