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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Werkstatt-​Lohn: Die Moral der Marktwirtschaft

Foto: tv

In Werkstätten für Menschen mit Behinderung wird Arbeit schlecht bezahlt. Beschäftigte verdienen dort rund 1,87 Euro pro Stunde. Wie kann das sein? Was wie Dumpinglohn klingt, liegt am System selbst. Denn wenn es um Teilhabe geht, stößt die soziale Marktwirtschaft an Grenzen. Ein Besuch in der Vinzenz von Paul-​Werkstatt der Stiftung Haus Lindenhof in Schwäbisch Gmünd.

Sonntag, 08. Oktober 2023
Thorsten Vaas
1 Minute 31 Sekunden Lesedauer

Bis das Brett zum Brettchen wird, sind viele Handgriffe nötig. Sägen, stapeln, etikettieren. Was einfach klingt, dauert in der Vinzenz von Paul-​Werkstatt in Schwäbisch Gmünd seine Zeit. Hier arbeiten Menschen mit Behinderung, jede und jeder so, wie es geht. Die Beschäftigten stellen Holzkisten und Paletten her, sie fräsen Tischplatten, binden Kabelbäume für den Fahrzeug– und Maschinenbau. Auf Wunsch mähen sie den Rasen, kochen für Mensen in der Region, oder sägen lange Bretter klein. Irmen Bächle und Manuel Dangelmaier sind seit Jahren hier, heute beladen sie die Säge, ein anderer Kollege stapelt die Abschnitte. Später werden Zettel an die Brettchen getackert, dann haben die Holzstücke einen Namen: „Tiroler Fichte in Altholzoptik“. Sobald genug beisammen sind, holt ein Laster die Hölzer ab und bringt sie zum Baumarkt. 60-​Zentimeter-​Stücke kosten dort je 8,70 Euro, die längeren 11,40 Euro. Die Beschäftigten der Werkstatt, die die Brettchen herstellen, verdienen hingegen im Schnitt 1,87 Euro. Pro Stunde. Völlig legal.
Rund 170 Menschen mit Behinderung schaffen in der Vinzenz von Paul-​Werkstatt, die zur Stiftung Haus Lindenhof gehört. Wer kann und will, soll in einer solchen Einrichtung der Rehabilitation und Eingliederung stufenweise fit gemacht werden für den allgemeinen Arbeitsmarkt. „Auch vor dem Hintergrund des hohen Fachkräftebedarfs ist es geboten, Menschen mit Behinderungen darin zu unterstützen, einer Erwerbsarbeit nachgehen zu können“, heißt es aus dem Landratsamt Ostalbkreis. Erst Eingangsverfahren, dann Berufsbildung, Arbeitsbereich, und möglichst bald einen Job in der freien Wirtschaft – die Idealvorstellung der UN-​Behindertenrechtskonvention, in der es um das Recht auf selbstbestimmte Arbeit geht, von der Menschen mit Behinderung leben können. Es nennt sich Teilhabe. Deutschland ist davon ein großes Stück entfernt.
Das liegt weder an Werkstätten, noch an Auftraggebern. Der Fehler verbirgt sich in ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, also Gesetzen, die den Markt regulieren und den Lohn vorschreiben.

Wie könnte die Situation für Werkstatt-​Beschäftigte verbessert werden? Darum geht es am Montag in der Rems-​Zeitung.

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