Marginalie: Käthe Arnolds Weihnachtswunderland
Foto: hs
Es wird zusehends kälter, Lebkuchen und Schokonikoläuse liegen bereits seit Monaten in den Regalen, auch die Deko in den Läden wurde angepasst — Weihnachten naht! So nah, dass man gleich „Frohe Weihnachten!“ wünschen müsste, wie es das Forum am Donnerstagabend tat, aber doch nicht. Steckt dahinter mal wieder ein ausgeklügelter Marketing-Plan der Stadt? Der Verfasser der samstäglichen Marginalie weiß mehr.
Sonntag, 12. November 2023
Sarah Fleischer
2 Minuten 14 Sekunden Lesedauer
„Steht auf dem Forum Gold und Silber“, setzte er in diesem Moment hinzu, was zunächst für Erleichterung sorgte, weil klar wurde: Es geht ihm gut! Und natürlich eignet sich das Forum perfekt als Projektionsfläche für allerlei Wünsche und Träumereien. Bietet es doch viel Fassade und einen gehörigen Abstand zum eigentlichen Inhalt.
Allerdings bemächtigte sich nach einigen Minuten des stillen Nachdenkens wieder spürbare Verwirrung der Redaktion. Warum wünscht irgendwer bereits am 9. November „Frohe Weihnachten“?
Gibt es vielleicht einen Knick im Raum-Zeit-Kontinuum? Hatte doch ein Kindergarten bereits am 6. November zum Martinsritt geladen. Rabimmel-Rabammel-Rabumm! Schon da begannen einige Redaktionsmitglieder, an der eigenen Zeitwahrnehmung zu zweifeln, Blicke irrten zum Wandkalender, doch auch hier – der Kalender bestätigte, was man ohnehin angenommen hatte.
Möglicherweise orientiert sich aber der Beginn der Weihnachtszeit nicht mehr am Kirchenjahr sondern dem Auftauchen von Spekulatius und Schoko-Weihnachtsmännern in Supermärkten. Das passiert ja auch jedes Jahr gefühlt früher. Zuletzt schien ein fließender Übergang zwischen Schokohasen und ihren Weihnachtsmann-Pendants zum Standard zu werden. Könnte natürlich sein, dass demnächst aus Spargründen eine gemeinsame Projektion „Frohe Ostern und Frohe Weihnachten“ in einem Aufwasch wünscht.
Und dazu noch alle paar Jahre eine „Blühende Gartenschau“.
Allerdings ist auch denkbar, Weihnachten als ganzjähriges Event zu installieren. Gibt es unter anderem in Rothenburg ob der Tauber: „Käthe Wohlfahrts Weihnachtswunderland“. Massen von Touristen suchen dies alljährlich heim, für Touristiker ein Traum – sämtliche Maßnahmen der Touristik und Marketing GmbH wären überflüssig, Weihnachtsland statt Stauferland, Krippenspiel statt Staufersaga. Die Möglichkeiten scheinen unbegrenzt.
Sogar der sonst eher nüchterne Baubürgermeister Julius Mihm bewegt sich bereits im Lamettarausch. Träumt er doch seit Jahren von einer Markthalle.
Was er aber verschweigt: Es soll eine Weihnachtsmarkthalle werden. Tägliche Märchenstunden mit namhaften Politikern inbegriffen. Die Engelschöre werden abwechselnd von den unterschiedlichen Gemeinderatsfraktionen bestückt. Allerdings nur bis zu den nächsten Kommunalwahlen, dann erringt die WEG, die Weihnachtseinheitsliste Gmünd 100 Prozent der Gemeinderatssitze und beantragt die Umbenennung der Stadt in Schwäbisch Bethlehem. Groß Werk braucht bekanntlich Einigkeit.
Derweil bastelt OB Richard Arnold an einer großen Leuchtreklame, die auf der Markthalle montiert wird: „Käthe Arnolds Weihnachtswunderland!“ Ihr Touristen kommet, oh, kommet durch all!
Gefahr für diese Vision droht nur noch durch die Gema oder – ganz unspektakulär – vielleicht war die Projektion schlichtweg ein schnöder technischer Test. Darauf einen Schokohasen!
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