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Ukraine und Türkei: Ernste Gedanken mitten in den tollen Tagen

Grafik: rz

Während hierzulande der Fasching gefeiert wird, bei Veranstaltungen eine „Bombenstimmung“ herrscht und die Konfetti-​Kanone kleine Papierstücke unters Volk mischt, schlagen in der Ukraine echte Bomben ein; und in der Türkei suchen Rettungsmannschaften verzweifelt nach Überlebenden, und Angehörige trauern um die Opfer. Aus diesem Grund befasst sich die RZ diese Woche in den Marginalien trotz Jubel, Trubel und Heiterkeit in den tollen Tagen mit einem ersten Thema. Die Marginalien können Sie hier gratis und in voller Länge lesen!

Sonntag, 19. Februar 2023
Gerold Bauer
2 Minuten 41 Sekunden Lesedauer


Die Bilder gleichen sich und man muss bei einigen schon genau hinschauen, um zu sehen, ob es sich um das Erdbebengebiet in der Türkei beziehungsweise in Syrien handelt, oder ob die Fotos im Kriegsgebiet in der Ukraine aufgenommen wurden. Hier wie dort sieht man große Schuttberge, wo einst Häuser standen, in denen Menschen ihr zu Hause hatten. Und in beiden Gebieten stehen Menschen fassungslos vor den Trümmern, versuchen das Leben von Verletzten zu retten oder weinen um ihre Angehörigen. Eine weitere Gemeinsamkeit: Im Gmünder Raum reagieren die Menschen nicht nur für einen Augenblick betroffen, um dann wieder zur Tagesordnung über zu gehen. Weil Mitleid allein nicht hilft, sondern daraus die Bereitschaft zum Helfen erwachsen muss, öffnen Leute ihr Herz und ihr Portemonnaie.
Aber trotz dieser Liste an Gemeinsamkeiten könnte der Unterschied zwischen den Tragödien im Orient und in der Ukraine nicht größer sein. Denn beim Erdbeben handelt es sich um eine Naturkatastrophe. Ob man die Anzeichen dafür hätte früher erkennen und die Menschen noch rechtzeitig warnen können, ob man die Häuser vielleicht aufgrund von geologischen Erkenntnissen hätte stabiler bauen können (so wie es die von Erdstößen häufig geplagten Japaner machen) – Diskussionen in dieser Art werden ja gerne und ausgiebig geführt, wenn irgendwo etwas Schlimmes passiert und hinterher Experten alles ganz genau und mit erhobenem Zeigefinger erläutern. Aber mit „hätte“ und „müsste“ macht man Menschen nicht wieder lebendig und baut keine zerstörten Häuser auf.
Der viel wichtigere Gedanke in diesem Zusammenhang ist ein ganz anderer. Bei allen etwaigen Versäumnissen oder vielleicht gemachten Fehlern – siehe die Flutkatastrophe im Ahrtal – bleibt eine Naturkatastrophe ein Ereignis, das niemand gewollt hat. Ganz im Gegensatz zu einem Krieg, bei dem es immer jemanden gibt, der ihn angezettelt hat und der deshalb auch die Schuld daran trägt. Das soll jetzt keine Schwarz-​Weiß-​Malerei im Sinne „Das sind die Guten und das die Bösen“ sein. Denn es gibt ja durchaus Konflikte, in denen sich gegnerische Parteien im Laufe der Zeit immer tiefer hineinsteigern – solange, bis es am Ende knallt. Politiker verhalten sich in solchen Fällen manchmal wie jemand, der im Auto mit steigendem Tempo auf eine massive Betonwand zufährt, aber weder vom Gas geht noch auf die Bremse tritt oder umkehrt. Man manövriert sich auf diese Weise quasi sehenden Auges in die Katastrophe hinein.
Im Falle des russisch-​ukrainischen Konflikts ist allerdings klar, wer dort den ersten Schuss abgefeuert hat. Und während in der Türkei und in Syrien die Menschen das Opfer von „höherer Gewalt“ wurden, werden Menschen in der Ukraine zum Opfer von Egoismus und – man kann es nicht anders sagen – von unglaublicher Dummheit und Rücksichtslosigkeit. Als gäbe es in der Geschichte nicht genug Anschauungsbeispiele, um zu sehen, dass Kriege zu beginnen keine Heldentaten sind, sondern Leid bringen. Dies gilt auch für alle, die zum Militärdienst und zur Aggression gezwungen werden.
Bei allem Leid, das derzeit das Geschehen in der Welt prägt (auch jenes, das so weit weg liegt, dass wir es hierzulande nicht oder kaum zur Kenntnis nehmen) gibt es auch ein Phänomen, das den Glauben an das Gute im Menschen stärkt. Wenn es darum geht, jemandem in Not zu helfen, dann treten viele Vorurteile oder fehlende Sympathie in den Hintergrund. Man sieht nicht mehr den Türken, den Syrer oder den Ukrainer, sondern man sieht Menschen, die Hilfe brauchen. Nationalität, Religion, Hautfarbe und vieles mehr werden dann endlich zur Nebensache. Und das sollte eigentlich immer so sein. (pilatus)

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