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Nachrichten Lorch

Fast wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Foto: deondo

Um „Lieblingslieder: Ein Abend mit Songs und Lyrics“ ging es am Samstag beim Runden Tisch Lorch. Gemeinsam mit Gitarrist Benny Eisel trat Jürgen Hörig dieses Mal als Sänger, Songwriter und ein bisschen als Geschichtenerzähler vor sein Publikum. Dafür wurde er gefeiert.

Sonntag, 05. Februar 2023
Thorsten Vaas
2 Minuten 4 Sekunden Lesedauer

Hörig gesteht: „Ich liebe Julia Roberts. Und ein bisschen auch Richard Gere.“ Ein Geständnis von Jürgen Hörig, um damit überzuleiten zu „It must have been love“ von Roxette. Erklärtermaßen ist es eines seiner Lieblingslieder aus dem Film „Pretty Woman“ von 1990, in dem beide Schauspieler zu sehen sind.
Der 57-​Jährige ist den meisten als Moderator des SWR-​Fernsehens bekannt. Inzwischen ist die Musik ein zweites Standbein geworden, bei dem nicht nur eigene Songs vorgetragen werden. Für den Abend in Lorch hatte er breites Repertoire mitgebracht, das von den Beatles über Rio Reiser, Sting bis Billy Joel reichte. Und zu jedem Song wusste er eine Geschichte zu erzählen. Oft verblüffende Geschichten, denn wer weiß schon die Verbindung zwischen Billy Joel und dem deutschen Kaufhauskönig und Dressurreiter Josef Neckermann? Jürgen Hörig.
Billy Joel ist der Enkel von Karl Amson Joel. Der jüdische Kaufmann besaß in Nürnberg einen Versandhandel und musste wegen der Verfolgung der Juden 1938 Deutschland verlassen: „Neckermann hat ihn über den Tisch gezogen und für Appel und’n Ei das Unternehmen abgekauft“, klärte Hörig auf. Ob „Honesty“ (Ehrlichkeit), einer der erfolgreichsten Titel von Billy Joel, seine Wurzeln womöglich in diesem dunklen Kapitel seiner Familiengeschichte hat? Die Frage blieb unbeantwortet.
Aber Hörig beantwortete die Frage, warum er englisch singt. Viele der von ihm geschriebenen Liedtexte sind auf englisch verfasst. „Ich habe auf englisch begonnen, weil ich mich auch dahinter verstecken wollte.“ Das hat er nicht mehr nötig und zum Beweis, dass es auch auf deutsch geht, sang er „Junimond“ von Rio Reiser. Und wer hier die knarzige, raue Stimme des 1996 im Alter von 46 Jahren verstorbenen Musikers im Ohr hatte, wer auf den Rebellen hoffte, bekam den brav und bürgerlich klingenden Hörig zu hören. Was nicht am Sänger liegen muss, sondern eher am Vorbild Reiser. Es diesem gleich zu tun, ist dann doch eine große Herausforderung. Andererseits gelang es Hörig bei „Fields of Gold“ von Sting tatsächlich, ein stimmliches Sting-​Feeling aufkommen zu lassen. Mit Benny Eisel als Gitarrist war eine sehr gute Wahl getroffen. Ob mit Akkustik-​, E-​Gitarre oder Ukulele, Eisel traf immer den richtigen Ton und überraschte mit einem Solo in George Harrisons „While my Guitar gently weeps“, das in dem 1968 auf dem „White Album“ der Beatles erschienen Song tatsächlich Eric Clapton spielte. Jürgen Hörig personifiziert zwei sehr unterschiedliche Seiten. Fast wie ein Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Da ist auf der einen Seite der Fernsehmoderator mit seiner über den Bildschirm ausgestrahlten Seriosität, die er auf der Bühne ablegt und seine bubenhafte Freude und Begeisterung an seinem Tun dem vorwiegend reifen Publikum vermittelt. In seiner ganzen manchmal nassforschen Art macht sich Hörig damit ganz offensichtlich selbst eine große Freude. Was die Zuschauer zu schätzen wissen: „Der Abend hat sich auf jeden Fall gelohnt,“ sagte eine begeisterte Besucherin.

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Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 439 Tagen veröffentlicht.


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