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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Graue Wölfe in Gmünd: Genügt Teetrinken?

Foto: tv

Die Diskussion um den Türkisch-​Islamischen Kulturverein in Schwäbisch Gmünd geht weiter. Die Mitglieder stehen den Grauen Wölfen sowie der türkisch-​rechtsextremen Partei MHP nahe. Nun wollen drei Gemeinderatsfraktionen das Thema im Sozial– oder Verwaltungsausschuss besprechen.

Dienstag, 11. Juli 2023
Thorsten Vaas
4 Minuten Lesedauer

Es ist ein unauffälliges Gebäude in der Graf-​von-​Soden-​Straße, wo der Türkisch-​Islamische Kulturverein sein Domizil hat. Drinnen sind die Räume mit allerlei Symbolen geschmückt, die für Außenstehende harmlos wirken mögen, für den Verfassungsschutz jedoch Anlass sind, den Verein zu beobachten. Überall finden sich Abzeichen der MHP, einer türkisch-​rechtsextremen Partei, dazu Bilder von Wölfen, die in diesem Kontext zweifellos als „Graue Wölfe“ gedeutet werden muss. Bei eben jenen Grauen Wölfen handelt es sich um Sympathisanten der türkisch-​rechtsextremistischen „Ülkücü Hareketi“ (übersetzt: „Bewegung der Idealisten“). Anhänger der Bewegung eifern verfassungskritischen Zielen nach: Sie träumen von der Rückkehr eines pantürkischen Reichs von China bis zum Balkan mit einer „ethnisch homogenen Gesellschaft“, vermeintliche Gegner wie etwa Armenier, Griechen, Juden, Kurden oder die USA würden herabgesetzt, berichtet der Verfassungsschutz, der die Vereinigung seit mehr als zwei Jahrzehnten unter der Rubrik „Auslandsbezogener Extremismus und Terrorismus“ führt. In einem Artikel unter dem Titel „Wölfe mitten in Gmünd“ thematisierte die Rems-​Zeitung am 22. Mai die Verbindungen des Gmünder Vereins zum Extremismus und den Bemühungen der Stadtverwaltung um Integration. Kurze Zeit später wandten sich die Gemeinderatsfraktion der Grünen, der SPD und der Fraktion sozial.ökologisch.links mit einem Fragenkatalog an Oberbürgermeister Richard Arnold.
Den Fraktionen ging es besonders um das Thema Integration und einer mögliche nationalistischen Ideologie, und ob diese durch eine öffentliche Präsenz gemeinsam mit anderen Kulturvereinen salonfähig gemacht wird? Die Antwort aus dem Rathaus: „Wir haben, genau wie der Verfassungsschutz, keine Hinweise dafür, dass es im Verein politische Arbeit gibt. Da wir intensiv in Kontakt sind mit dem Verein, haben wir einen sehr guten Einblick in die Aktivitäten des Vereins. Aus unserer [Sicht] handelt es sich um einen reinen Kulturverein, der Treffpunkt für viele Gmünderinnen und Gmünder mit türkischen Wurzeln ist. Der Verein möchte Teil der Stadtgesellschaft sein und sich aktiv einbringen. Dies beweist er Jahr für Jahr aufs Neue.“ Tatsächlich bestätigt auch das Landesamt für Verfassungsschutz auf Anfrage der Rems-​Zeitung, dass es keine „sicherheitsrelevanten Vorkommnisse“ in Verbindung mit dem Gmünder Verein gebe. Doch die Aussage, es handle sich um einen reinen Kulturverein ohne politische Ambition, ist nahezu blauäugig; weil die Ambition offensichtlich ist. Als würde man behaupten, im Sitzungssaal des Rathauses werde keine Politik gemacht – jeder würde bloß den Kopf schütteln. Sie ziehen weitere Fragen nach sich, die die drei Gemeinderatsfraktionen nun erneut an Oberbürgermeister Arnold und den Ersten Bürgermeister Christian Baron geschickt haben. Erneut geht es ihnen um Integration und den Jugendraum, der mit städtischer Unterstützung aufgebaut wurde. Die Jugendarbeit dort war, obwohl vereinbart, nie in Gang gekommen.
Das Rathaus schiebt es auf die Corona-​Pandemie. Es gebe Ansätze in Form einer Kooperationsvereinbarung mit der offenen Jugendarbeit Schwäbisch Gmünd. Dort seien die Grundsätze und Rahmenbedingungen einer Kooperation vereinbart und von allen unterschrieben worden. Doch die „Corona-​Pandemie und personelle Wechsel ließen die Kooperation im Jugendbereich ruhen. Diese muss neu aufgestellt werden“, heißt es im Antwortschreiben aus dem Rathaus. Insider berichten jedoch, dass es schon zuvor schwierig gewesen sein soll, Zugang zum Jugendraum zu finden. Oft sei man vor verschlossener Türe gestanden. Nun soll es anders werden. Sobald der Jugendraum auf Vordermann gebracht sei, sollen wieder städtische Mitarbeiter vor Ort sein, kündigte Arnold bei einem Gespräch mit der Rems-​Zeitung an. Er setzt beim Thema Integration auf Dialog als Extremismusprävention. Das habe ihm auch der Verfassungsschutz empfohlen. „Wir besuchen den Verein in der Regel einmal pro Jahr und zum Fastenbrechen, oder zum Teetrinken. Dort werden Themen angesprochen, bei denen wir behilflich sein können.“ Genügt das? Zunächst geht es um die Fragen, die Sebastian Fritz (söl) im Namen von Sigrid Heusel (SPD) und Gabriel Baum (Grüne) verschickt hat:

1. Wenn der Gmünder Verein sich so positiv ins Stadtleben einbringt und es aus Sicht der Verwaltung keinerlei Zweifel an der Akzeptanz der hier geltenden demokratischen Grundordnung gibt, warum wird dann weiterhin in den Vereinsräumen einer rechtsextremen, ultranationalistischen Partei in der Türkei wie der MHP gehuldigt? Wir möchten nochmals an die Corona-​Proteste in Schwäbisch Gmünd erinnern, als es unter anderem klare Belege dafür gab, dass die NPD mitgelaufen ist und ein Banner getragen hat. Da haben Sie, Herr Baron, völlig zu Recht öffentlich deutlich Stellung bezogen und gesagt, dass wir in Gmünd so etwas nicht wollen. Sicherlich hinkt der exakte Vergleich zwischen MHP und NPD, aber es gibt Parallelen. Bei der MHP beziehungsweise bei Mitgliedern der MHP gibt es sogar Belege, dass sie in der Vergangenheit an Anschlägen und auch Morden beteiligt war. Warum wird dann bei diesem Verein nicht deutlich Stellung bezogen beziehungsweise eine Zusammenarbeit von der Distanzierung abhängig gemacht? Das wäre aus unserer Sicht dringend notwendig!

2. Unabhängig von der ersten Frage, wollen wir nochmals auf den Jugendraum zu sprechen kommen. Dem Ansatz, einen Anlaufpunkt für Jugendliche zu geben, können wir, wie bekannt, viel abgewinnen. Allerdings fragen wir uns schon, warum es ein separates Angebot geben muss und nicht wie für alle das Jugendhaus beziehungsweise die Jugendräume in den Stadtteilen ausreichen? Wenn man das weiterdenkt, könnten ja auch andere Gruppen auf die Idee kommen und einen auf die eigene Klientel ausgerichteten Jugendraum fordern. Außerdem fragen wir uns: Wenn man die Aussagen, im Jugendraum ein Angebot machen zu wollen, ernst nimmt, braucht es dafür Personal. Aktuell steht dafür keins zur Verfügung. Wird jetzt eine Stelle ausgeschrieben und extra für diesen Jugendraum in Zeiten von Fachkräftemangel und finanziellen Herausforderungen Personal eingestellt oder versucht man nicht viel lieber ein Angebot für alle Jugendliche der Stadtgesellschaft zu machen, um wirklich Integration und Aufklärung betreiben zu können?

3. Vielleicht wäre es auch zielführend, wenn wir dieses Thema auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen des Sozial– oder Verwaltungsausschusses setzen würden, um darüber zu sprechen? Dies auch mit Blick auf den Tag der Kulturen, wo das Thema möglicherweise wieder aktuell wird.

Hier geht es zum Artikel — Extremismus: Graue Wölfe in Gmünd

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