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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

ÖPNV in Schwäbisch Gmünd: „Goldstandard“ oder eher „gemündisches Silber“?

Foto: gbr

Vom Nahverkehrsexperten des Ostalbkreises gab es für den Busverkehr in Gmünd ein dickes Kompliment, bei Stadträtinnen und Stadträten hielt sich der Überschwang der Freude in Grenzen. Und von Bürgerseite hört man in Sachen ÖPNV-​Angebot ohnehin eher Kritik als Lob. Was stimmt denn nun? Erfüllt der ÖPNV in Gmünd wirklich den „Goldstandard“ oder handelt es sich vielmehr — frei nach Goethe — um „gemündisches Silber“, das den Prüfstein fürchten muss. Die „Marginalien“ der Rems-​Zeitung widmen sich in der Ausgabe vom 22. Juli dieser Frage.

Sonntag, 23. Juli 2023
Gerold Bauer
2 Minuten 48 Sekunden Lesedauer

Gut oder nicht gut?
Der Nahverkehrsexperte des Ostalbkreises attestiert dem Busverkehr in Gmünd einen „Goldstandard“ – was zur traditionellen Gold– und Silberstadt ja perfekt passt. Aber mit Edelmetallen ist es halt so eine Sache. Es ist nicht alles Gold, was glänzt; und schon der große deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe verwendete die Formulierung „gemündisches Silber“ als Synonym für jemanden, der nicht hält, was er vorgibt zu sein (und deshalb den schwarzen Probierstein fürchten muss).
Auf der Facebook-​Seite der Rems-​Zeitung kommentierte ein Leser die Meldung, dass der Gmünder ÖPNV als gut eingestuft wurde, mit den Worten: „Gut ist offenbar Ansichtssache. Sie suchen Beispiele für guten ÖPNV? Schauen sie sich im VVS um!“ Ein anderer Kommentator hängt den Brotkorb für einen guten ÖPNV ebenfalls deutlich höher als der Fachmann aus dem Landratsamt: „Da müsste schon morgens um 4:00 Uhr der erste Bus fahren in allen Linien des Stadtverkehrs. Des weiteren müsste der letzte Bus um 0:00 fahren“.
Und schon ist man in Sachen ÖPNV beim Kernpunkt aller Probleme: Der „schwarze Probierstein“, den Goethe zitiert, existiert offenbar nicht als allgemeingültiges Maß aller Dinge bei der Bewertung des Nahverkehrs. Jede Einschätzung ist irgendwie nicht rein skalar greifbar, sondern relativ – soll heißen, sie nutzt zum Beispiel den Vergleich zwischen früher und jetzt oder zwischen Gmünd und einer anderen Stadt als Maßstab. Das funktioniert so, wie wenn man die sportliche Leistung von Jugendlichen einstuft. Ein Junge aus Gmünd, der in der Leichtathletik einen württembergischen Rekord aufstellt, hat ohne Zweifel eine sehr gute Leistung erbracht. Verglichen mit all jenen, die er im Wettkampf hinter sich gelassen hat. Würde man seine gelaufene Zeit aber ohne Berücksichtigung der Umstände allein daran messen, wie schnell der amtierende Olympia-​Sieger die gleiche Strecke zurücklegt, ergäbe sich ein falscher Eindruck. Auf den Nahververkehr bezogen bedeutet das: Es ist unfair, Busangebote im ländlichen Raum am ÖPNV in Ballungsräumen zu messen und dann darüber zu urteilen, ob die Gmünder Verhältnisse gut sind. Das alte Lied von den Äpfeln und Birnen eben.
Es heißt zwar „öffentlicher Personennahverkehr“, aber „öffentlich“ bedeutet nicht, dass Staat, Land oder Kommunen sämtliche Kosten für alle Busse bezahlen, die über den Tag verteilt unterwegs sind. Die Linien werden hier bedient von privaten Unternehmen, die ihre Fahrzeuge, den Diesel und den Lohn des Personals auch mit dem Verkauf von Fahrkarten finanzieren müssen. Mit einem leeren Bus mehr oder weniger mitten in der Nacht über Landstraßen zu kutschieren lohnt sich nicht und wird deshalb von einem Unternehmen der freien Wirtschaft eben nicht gemacht. Solange das so ist, wird es jene Zeiten geben, in denen man auf dem Land vom Stundentakt nur träumen kann.
Und solange muss zum Beispiel eine junge Frau aus Iggingen, wenn sie am Sonntagvormittag ohne Auto nach Gmünd möchte, bis Herlikofen zu Fuß gehen. Beschäftigte der großen Firmen, die zur Frühschicht pünktlich am Arbeitsplatz sein und nach der Spätschicht wieder irgendwie nach Hause fahren müssen, nutzen aus dem gleichen Grund häufig ihre Privatautos. Obwohl es im Grunde sowohl für den Geldbeutel als auch für die Umwelt völliger Blödsinn ist, wenn Hunderte von Leuten zur gleichen Zeit die gleiche Strecke mit dem Auto zurück legen – und in jedem Wagen sitzt nur eine Person. Mancher erinnert sich vielleicht noch daran, dass früher „Schichtbusse“ der großen Arbeitgeber verkehrten; die „Repa“ in Alfdorf hatte sogar werkseigene Omnibusse und fest angestellte Fahrer. Was damals ging, könnte/​sollte im Sinne des Klimaschutzes eine Renaissance erleben! (meltemi)

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