Fußballer in Pyjamas und die Suche nach dem Jugendwort
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Blanker Brustring – nein, das ist nicht etwa der Titel eines frisch gedrehten Schwabenpornos, sondern vielmehr der momentane Zustand des VfB-Trikots. Dadurch, dass für die Bundesliga-Saison 2023/24 noch kein Hauptsponsor feststeht, ist unterhalb des Vereinswappens derzeit noch „Raum für Notizen“. In Internetforen wird die Spielkleidung derweil häufig mit einem Schlafanzug verglichen. Was ist da dran? Und was hat das mit dem Jugendwort des Jahres zu tun? Ein Kolumnist klärt auf.
Sonntag, 30. Juli 2023
Benjamin Richter
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In diesem Punkt dürfen sich die Anhänger des VfB damit trösten, dass die Spielkleidung, mit der der SV Werder Bremen ab August auflaufen wird, aus ganz ähnlichen Gründen durch den Kakao gezogen wird. Leidensgenossen von Schlafanzugs Gnaden, könnte man quasi sagen. Bis man mit der Erklärung fertig ist, dass das Werder-Jersey mit den feinen Längsstreifen in verschiedenen Grüntönen des dänischen Ausstatters Hummel eine Hommage an das Trikot der dänischen Nationalelf bei der WM 1986 in Mexiko ist, hört eh keiner mehr zu.
Davon darf man sich jedoch nicht irritieren lassen und fährt unbeirrt fort, dass Dänemark damals die Gruppe mit dem späteren Vizeweltmeister BRD gewann und dann im Achtelfinale an Spanien scheiterte – olé! Und die Moral von der Geschicht’? Vermutlich, dass dem deutschen Fußballfan heuer jegliches Überstehen einer Gruppenphase schon als Vorbild dienen muss – zumindest was den Männerfußball angeht.
Für jene, die es mit dem SVW halten – zu denen sich der Kolumnist bekanntermaßen selbst zählt –, wird der ganze Klamotten-Klatsch aber bald zweitrangig sein. Dann zählt nur noch, dass „Werder geil“ spielt. Was es mit den Anführungszeichen auf sich hat? Das ist schnell erklärt: Zurzeit läuft wieder einmal die Jahr für Jahr aufs Neue polarisierende Abstimmung über das Jugendwort des Jahres.
Noch wenige Tage, bis 2. August, kann man auf der Webseite des Langenscheidt-Verlags Vorschläge einreichen. Und Werder? Die Fangemeinde des Nordclubs hat dazu aufgerufen, den Schlachtruf „Werder geil“ einzutragen, mit dem die Grün-Weißen in der vergangenen Saison einige teils verrückte Siege feierten.
Würde der Wahlspruch von der Weser tatsächlich das Rennen bei dem bis in den Herbst andauernden Votum machen, wäre das ein ziemlicher Stilbruch mit den Siegern der Vorjahre. Mancher mag sich erinnern: „Smash“ war 2022 das Jugendwort des Jahres, im Jahr davor war es „cringe“ und davor wiederum „lost“. Neudeutsche Sprache, schwere Sprache: Die obigen Begriffe drücken in dieser Reihenfolge sexuelle Anziehung, Fremdscham und Ahnungslosigkeit aus.
Aber auch generationenübergreifend verständliche Wörter wie „Macher“ und „Ehrenmann“ schaffen es immer wieder unter die Top drei. Heiße Anwärter auf den Titel sind in diesem Jahr auch „Hak“, was den rechtmäßigen Anteil bezeichnet – „Gönn ihm sein Hak!“ –, „Zwambo“, womit ein ganz alltäglicher 20-Euro-Schein gemeint ist, und „knorke“.
Sie lesen richtig: „Knorke“, was ausgehend von Berlin schon seit 100 Jahren synonym mit „toll“ und „klasse“ verwendet wird, könnte 2023 Jugendwort des Jahres werden. Sollte das eintreten, dürfen sich die Bremer Kicker in ihrem WM-86-Trikot mit Fug und Recht als futuristische Pioniere der Sportmode fühlen. (Robert Mirko)
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