Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Gmünd und Brünn: 70 Jahre Patenschaft

Foto: tv

Vor 70 Jahren hat die Stadt Schwäbisch Gmünd die Patenschaft über den deutschen Teil der Stadt Brünn übernommen. Bei einer Gedenkfeier im Rathaus wurde daran erinnert. Denn die Lehren aus dieser Zeit sind noch heute aktuell.

Sonntag, 30. Juli 2023
Thorsten Vaas
1 Minute 52 Sekunden Lesedauer

Am Ende der Veranstaltung steht ein Mann aus der ersten Reihe auf. Es ist Horst Herrmann, 86 Jahre alt. Als kleiner Junge hat er den Brünner Todesmarsch miterlebt. Er möchte etwas sagen. „Es gibt keinen guten Krieg. Jeder Krieg ist von der ersten Sekunde an ein Verbrechen.“ Es ist ein Gänsehautmoment zum Abschluss einer Gedenkfeier, die an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert, als tausende heimatlos gewordene Menschen am Schwäbisch Gmünder Bahnhof eintrafen. Sie kamen aus den früheren deutschen Ostgebieten und fanden in der Stauferstadt eine neue Heimat. Notunterkünfte und Wohnraum musste für die Neuankömmlinge geschaffen werden — eine Herkulesaufgabe. Am 30. Juli 1953 übernahm die Stadt die Patenschaft für die Bruna, den Verband der Deutschen aus Brünn. An diesen Tag erinnerten am Sonntag Gmünds Erster Bürgermeister Christian Baron und der Bundesvorsitzende der Bruna, Rudolf Landrock aus Bonn.
„Millionen Deutsche wurden vertrieben. Eine Zeit, die wir uns heute nicht mehr ausmalen mögen“, sagte Baron. Es habe sich gezeigt, dass Gewalt und Unrecht zu immer neuer Gewalt und zu neuem Unrecht führen. Ein Bekenntnis für ein vereintes Europa mit gemeinsamen Werten stellte und stellt die Charta der Heimatvertriebenen dar, in der der offizielle Verzicht auf Rache und Vergeltung festgehalten wurde. Noch heute ist sie aktuell. „Es war eine Brücke aus der dunklen Vergangenheit in eine ungewisse, aber friedlichere Zukunft“, so Gmünds Erster Bürgermeister. Dieses Jubiläum solle deshalb nicht nur Anlass sein, auf sieben Jahrzehnte zurück-​, sondern besonders nach vorne zu blicken. Denn Flucht und Vertreibung seien durch den Krieg in der Ukraine gegenwärtig. Bis vor zwei Jahren habe man geglaubt, dass dies in Europa nicht mehr passieren kann. Und nun? „Es ist unsere Aufgabe, hier die Stimme zu erheben.“
Rudolf Landrock zitierte einen Chronisten, der 1956 „die Gastfreundschaft der Gmünder“ notierte. Es sei damals eine Herzenssache gewesen, den Vertriebenen zu helfen, die Familienmitglieder, Haus, Hof und Heimat verloren hatten. Das kollektive Erlebnis des Terrors gegen alles Deutsche in Brünn, das Durchleiden des Todesmarsches — all das und mehr habe die Brünner zusammengeschweißt. Es wäre einfach für sie gewesen, die Hände in den Schoß zu legen und sich aushalten zu lassen. Doch sofort nach ihrer Ankunft hätten sie damit begonnen, sich zu in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft zu integrieren. „Man wollte das Schicksal selbst in die Hand nehmen“, sagte der Bundesvorsitzende der Bruna und erinnerte an Gemeinsamkeiten, die Gmünd und Brünn verbinden. Es sind Menschen, es ist die Kunst, es sind Farben. Rot und Weiß, die Stadtfarben von Gmünd. Und auch von Brünn.

Interesse an der kompletten Digitalausgabe?
Die Rems-Zeitung gibt es auch online im Direktkauf bei iKiosk

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

2281 Aufrufe
448 Wörter
53 Tage 21 Stunden Online

Beitrag teilen


QR-Code
remszeitung.de/2023/7/30/gmuend-und-bruenn-70-jahre-patenschaft/