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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Marginalie: Das Gmünd-​Game

Foto: Pixabay

„Gamification“ ist einer jener seltsamen Begriffe, die im Zeitalter der Digitalisierung an die Oberfläche gespült und die ernsthaft auf Kongressen und in Fachseminaren diskutiert werden. Grob gesprochen handelt es sich dabei um die Übertragung von Konzepten aus Computerspielen in die Realität. Was dies beinahe für die Stadt Gmünd bedeutet hätte, lesen Sie in der Marginalie.

Sonntag, 17. September 2023
Franz Graser
2 Minuten 24 Sekunden Lesedauer

„Gamification“ ist einer jener seltsamen Begriffe, die im Zeitalter der Digitalisierung an die Oberfläche gespült und die ernsthaft auf Kongressen und in Fachseminaren diskutiert werden. Grob gesprochen handelt es sich dabei um die Übertragung von Konzepten aus (Computer)-Spielen in die Realität. Das kann sich auf die Gestaltung von Benutzeroberflächen beziehen, die wie bei einem Computerspiel unmittelbar einsichtig und intuitiv sein müssen, aber auch auf die Übernahme von spielerischen Konzepten in den Alltag.

Wer jemals das Städtebauspiel „Sim City“ in einer seiner verschiedenen Versionen gespielt hat, weiß, was gemeint ist: In der simulierten Stadt muss zum Beispiel darauf geachtet werden, dass genug Bäume und Grünflächen vorhanden sind, denn sonst werden die virtuellen Stadtbewohner unzufrieden. Die Bevölkerungszahl sinkt, die kommunalen Einnahmen auch. Was auch in der Realität nicht unbedingt wünschenswert ist.

Kürzlich kam es nun zu einer Wiederbegegnung mit einem alten Bekannten, der sich früher regelmäßig im Gmünder „Horten“-Kaufhaus herumgetrieben hatte, um dort Ausschau nach den damals aktuellen Computerspielen zu halten. Der Kumpel, der als „Gollum“ bekannt ist, weil er zwanghaft das Tageslicht meidet, ist zwar älter geworden, aber im Herzen immer ein Gamer geblieben. Eines seiner Hobbies ist es, alte Computerspiele wieder zum Laufen zu bringen. Dazu hegt und pflegt er einen 17 Jahre alten Laptop, auf dem er immer wieder kleine Juwelen aus der Computer-​Frühzeit installiert. Ganz besonders begeistert er sich für Simulationsspiele wie das bereits genannte „Sim City“.

Für das kürzliche Treffen hatte er eine Perle namens „Mobility“ aus der Zeit um das Jahr 2000 ausgegraben, eine Verkehrssimulation mit angeblich wissenschaftlicher Grundlage. An ihrer Entwicklung hatten unter anderem ein großer schwäbischer Automobilkonzern und die Verkehrsverbünde Rhein-​Main und Rhein-​Ruhr mitgewirkt. Gollum meinte, man könne doch einfach am Bildschirm ein Verkehrskonzept für eine Stadt wie Gmünd basteln.

Zu zweit, mit Kaffee und Keksen ausgestattet, spielten Gollum und ich drauflos. Wir verlegten Schienen, bauten Straßen (das Schicke ist ja, dass Straßen und Schienen bei solchen Spielen einfach so per Mausklick auf dem Bildschirm erscheinen, ohne Dreck und mit nur minimalen Nebengeräuschen) und knobelten aus, wo Bushaltestellen platziert werden mussten, um möglichst viele virtuelle Menschlein erreichen zu können. Manches funktionierte gar nicht, und die Gmünder Topographie ließ sich nur vage auf das Bodenraster des Spiels übertragen. „Wie wäre es“, meinte Gollum schließlich, „wenn wir an den Enden der Stadt jeweils große Park & Ride-​Flächen anlegen?“

„Und dann bringen wir die Leute mit dem Bus in die Innenstadt“, kam meine Antwort: „Gute Idee, probier mal.“ Er pflasterte an den Stadtgrenzen große Parkflächen und stellte dazwischen in regelmäßigen Abständen Bushaltestellen auf.

„Sieht gut aus“, meinte Gollum: „Schau mal, die Zahl der Buspassagiere geht durch die Decke.“ Und auch die Einnahmen der virtuellen Verkehrsbetriebe. Die Stadt wuchs und gedieh, die Innenstadt war verkehrsberuhigt und lud zum Flanieren ein, das Stadtsäckel wurde wegen der Parkgebühren runder und runder.
„Sollten wir das Ergebnis nicht auch mal abspeichern?“, überlegte ich schließlich. „Gute Idee“, meinte Gollum. „Das Ergebnis könnten wir vielleicht sogar der Stadt zur Verfügung stellen.“ Es handelte sich aber leider nur um eine Demo-​Version. Einen Registrierungsschlüssel, mit dem eine Speicherung möglich gewesen wäre, hatten wir nicht. Und so wartet die Stadtverwaltung immer noch vergeblich auf unsere Erkenntnisse. (Hans Riedl)

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