Agenten, Atomraketen und Aktivisten: Der „Kalte Krieg“ im Raum Gmünd
Archiv-Bild vom Geschichtspfad auf der Mutlanger Heide (Foto: gbr)
Als „Gleichgewicht des Schreckens“ beschrieb die Friedensbewegung in Gmünd und Mutlangen die Zeit des „Kalten Krieges“, in der im Westen und Osten als Drohkulisse immer mehr und immer gefährlichere Massenvernichtungswaffen stationiert und gegeneinander gerichtet wurden. Während man sich im Gmünder Raum an die Proteste gegen die Atomraketen vor 40 Jahren erinnert, laufen im Fernsehen als Wiederholung die alten James-Bond-Filme, in denen der Ost-West-Konflikt sehr oft thematisiert wurde. Die Marginalien der Rems-Zeitung blicken diese Woche auf jenes Kapitel der Weltgeschichte. Einfach anklicken und hier gratis in voller Länge lesen!
Sonntag, 03. September 2023
Gerold Bauer
2 Minuten 30 Sekunden Lesedauer
Während die Rems-Zeitung in einer Serie an die Proteste gegen Atomraketen vor 40 Jahren erinnert, läuft im Fernsehen die Wiederholung alter James-Bond-Filme. Beides gehört zum „Kalten Krieg“. Zwar wurde damals in Europa nicht aufeinander geschossen, aber es gab durchaus eine „Front“ zwischen den Westmächten und dem „Ostblock“. Wurden Amerikaner und Russen während des Zweiten Weltkriegs durch den gemeinsamen Feind in Gestalt des deutschen Nationalsozialismus noch zusammengeschmiedet, entwickelte sich bald nach Kriegsende eine Konfrontation der politischen Systeme, die zu einem „Säbelrasseln“ sondersgleichen führte. Von 1947 bis 1989 dauerte dieser „Kalte Krieg“, bei dem der Aufbau von Drohkulissen zum permanenten Wettrüsten führte.
Während die Konkurrenz zwischen Kapitalismus und Kommunismus in Kriegen, die von den Großmächten „befeuert“ wurden, in Afrika und Asien zu Blutvergießen führten, glich Europa einem Pulverfass, das der kleinste Funke zur Explosion hätte bringen können. Es war eine Zeit, in der auf beiden Seiten Spione versuchten, dem jeweils anderen heimlich in die Karten zu schauen. Über Jahrzehnte lebte die James-Bond-Reihe um den britischen Super-Agenten von dieser Konstellation und schürte im Westen (genau wie die Rambo-Filme) fleißig das Feinbild vom „bösen Russen“.
Aber auch der Osten hatte seine Agenten, die genau wie ihr Gegenspieler vom „Secret Service“ sehr gut bei Frauen ankamen und durch Vorspiegelung der großen Liebe im Bett Informationen bekamen, die eigentlich strengster Geheimhaltung unterlagen. Zudem erinnert man sich an Günter Guillaume – ein 1927 in Berlin geborener und 1995 verstorbener Stasi-Offizier der DDR. Sein Inkognito war so gut, dass er von 1972 bis 1974 persönlicher Referent von Bundeskanzler Willy Brandt war und seine Enttarnung den SPD-Politiker schließlich zum Rücktritt zwang. In jener überhitzten Phase der Weltpolitik machten sich viele Menschen große Sorgen um den Frieden. Zumal einige Jahre danach Atomsprengköpfe nicht nur auf den amerikanischen Pershing-II-Mittelstreckenraketen in Richtung Moskau zielten, sondern die Gegenseite mit ihren SS-20-Raketen das deutsche Staatsgebiet im Visier hatte.
„Wenn es losgeht, dann werden die Russen als erstes Mutlangen platt machen, um die Pershings auszuschalten. Da bleibt nichts von uns übrig!“ Solche Ängste waren sogar für manche ansonsten CDU-treue Leute eine Motivation, sich der Friedensbewegung anzuschließen. Ein damals knapp 60-Jähriger beteiligte sich zwar nicht an Blockaden, nahm aber an genehmigten Kundgebungen und Protestveranstaltungen teil. Als Jugendlicher hatte sich jener im naiven Glauben, sein „Vaterland“ verteidigen zu müssen, sogar freiwillig zum Fronteinsatz im Zweiten Weltkrieg gemeldet. Später wurde ihm klar, dass er durch die Nazi-Propaganda instrumentalisiert worden waren. „Die haben mir damals meine Jugend gestohlen, ich möchte nicht, dass mir nun auch noch jemand meinen Ruhestand nimmt“, begründete er sein Engagement als Friedensaktivist.
Während politisch Konservative im Westen unter dem Stichwort „Balance of Power“ die Stationierung weiterer Raketen auf dem Gebiet der NATO rechtfertigten, war selbst manchem Freund der USA das Risiko dieser Strategie zu groß. Unter jenen, die sich gegen Atomraketen positionierten, waren zudem manche, die mit der sozialistischen Ideologie sympathisierten und denen der Kapitalismus suspekt war. Ihnen sprach SPD-Politiker Erhard Eppler aus der Seele, als er vor 40 Jahren auf der Mutlanger Heide sagte: „Ich weiß nicht, ob die Russen kommen. Aber eines weiß ich: Die Amerikaner sind schon da!“ (pilatus)