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In Waldhausen: Podiumsdiskussion zur 380-​kV-​Leitung

In der vollen Remstalhalle von Waldhausen wimmelte es vor gelben T-​Shirts und Kappen mit dem Aufdruck „Energiewende – ja aber fair“. Fair ging es bei der Podiumsdiskussion der Bürgerinitiative Weitmars zu.

Donnerstag, 18. Juli 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 43 Sekunden Lesedauer

LORCH-​WALDHAUSEN (rw). „Information vor Protest“ hatte zu den Regeln gehört, welche die Moderatoren Dr. Alexander Jung und Holger Knobloch (BI Weitmars) vorgegeben hatten. Die ungeteilte Aufmerksamkeit der Zuhörer galt den Ausführungen der Männer und einer Frau auf dem Podium: Joachim Pfeiffer (MdB, CDU, Rems-​Murr-​Kreis und bis 2010 Koordinator für Energiefragen), Gabriele Seefried (Erste Landesbeamte, Ostalbkreis), Dietmar Hermann, stellvertretender Lorcher Bürgermeister, Heinz-​Jürgen Scheid (Bundesnetzagentur), Rainer Joswig (Transnet BW), Edwin Nutto (Regierungspräsidium). MdB Norbert Barthle (CDU) kam ziemlich spät noch hinzu. Fragen konnten unmittelbar nach den Vorträgen gestellt werden. Über den politischen Rahmen und die Begründung des Netzausbaus sprach Joachim Pfeiffer. In Baden-​Württemberg als Stromverbrauchs-​Land seien nach dem Krieg Kraftwerke gebaut worden, entsprechend wurde das Netz ausgebaut. Seit Ende der 90-​er Jahre trete mit den erneuerbaren Energien aus Windkraft und Photovoltaik eine „fluktuierende Erzeugung“ auf, die ans Netz gehe, „sehr schnell zeigte sich, die Netze reichen nicht.“ Bis 2008 sollte das Stromnetz bereits um 850 Kilometer ausgebaut sein, de facto waren es 90 Kilometer. Zur Beschleunigung beschloss der Bundestag das Energieleitungsausbaugesetz, 24 Projekt sollten nach neuem Planungsrecht verwirklicht werden. Nach dem Atomausstieg und dem Ende der Kohlesubventionierung 2018 habe Baden-​Württemberg künftig Lücken zu befürchten, wenn das Netz nicht ausgebaut werde. Auch die Verteilnetze müssten optimiert werden, eine gigantische Aufgabe.
„Erdkabel sind keine Alternative“, antwortete er auf eine Frage. Zwei bis zehnfach so teuer wie eine Freileitung, bedeuteten sie einen Eingriff in die Landschaft, die von Bewuchs frei gehalten werden muss, die Lebensdauer sei deutlich geringer. Nach seiner Position zum dezentralen Ausbau der Stromerzeugung befragt, antwortete der Abgeordnete mit einem „Sowohl als auch“: „Ich kann nur warnen vor einem gegeneinander Ausspielen. Wir brauchen die kluge Kombination von beiden.“ Heinz-​Jürgen Scheid ging auf die Netzentwicklung ein und erläuterte diverse Szenarien. Bis 2050 soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung auf 80 Prozent steigen. Der massive Ausbau der erneuerbaren Energien führe zu einer veränderten Leistungsbilanz, Windenergie werde „schlicht und ergreifend“ im Norden und Osten Deutschlands erzeugt. Der Netzausbau sei eine dringliche Aufgabe. Dazu gehöre die Fähigkeit, mit großen und kleinen Anlagen zu Rande zu kommen, ein Netz aufzubauen, das auf die Volatilität der Erzeugung reagieren könne. Als Beispiel für den Umfang der Aufgabe zog der Vertreter der Bundesnetzagentur den Strombedarf der Region Stuttgart mit ihren 2,6 Millionen Einwohnern heran. Die Spitzenlast von 3000 Megawatt entspreche der Leistung von 600 000 Photovoltaikanlagen, der Jahresenergiebedarf von 20 Terawattstunden müsste von 11 000 Onshore-​Windkraftanlagen gedeckt werden. Der Netzausbau sei nötig, Korrekturen könne man machen, wenn sich energiewirtschaftliche Gegebenheiten verändern. Die Leitung Bünzwangen – Goldshöfe sei schon vor der Offshore-​Einspeisung in die drei HGÜ-​Korridore als notwendig angesehen worden, sie sei im Netzentwicklungsplan 2013 erneut beantragt und werde aktuell geprüft.
Dem Vorwurf, dass die Netzagentur die Optimierung bestehender Trassen zugunsten des Neubaus vernachlässige, widersprach Scheid. Veränderungen am Netz an einer Stelle bedeute aber dessen Neujustierung. An der Fortentwicklung der Speichertechnik werde gearbeitet, der Bund gebe Forschungsmittel.
Über die Neugestaltung der Energielandschaft äußerte sich Transnet-​Manager Rainer Joswig. Auch er nahm die die Ziele, bis 2020 den Anteil der erneuerbaren Energien auf 35 Prozent, bis 2050 auf 80 Prozent an der Stromerzeugung zu steigern, zum Ausgangspunkt. Im Süden würden der Reihe nach die Atomkraftwerke abgeschaltet, „das Netz folgte der Erzeugung“, es finde eine „Nordwanderung“ statt. Das Netz sei zudem noch aus anderen Gründen auszubauen, nicht nur für den Stromfluss zum Verbraucher. Man benötige Nahreserve, müsse die Stabilität für Schaltungen erreichen und das Kurzschlussniveau halten. Diverse Ausfallszenarien seien zu berücksichtigen. Es handle sich um eine „extrem komplexe Rechenaufgabe“. Sein Fazit: die Leitung von Bünzwangen nach Goldshöfe sei nötig.
Einem Gutachten der Kommunen zur Notwendigkeit dieser Leitung räumten die Bundestagsabgeordneten Barthle und Pfeiffer wenig Chancen ein, ebenso der Vertreter der Bundesnetzagentur. Sie gehen davon aus, dass die 380-​kV-​Leitung notwendig ist und auch kommen wird.

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