Turnen: Bundestrainer Andreas Hirsch spricht im Prediger über den Leistungssport und die Trainerrolle in der Nachwuchsarbeit

Sport

Rems-Zeitung

Andreas Hirsch ist ein Mensch, der bedingungslos für seinen Sport lebt. Er hat das Männerturnen seit 2001 als Bundestrainer auf einen Erfolgsweg gebracht. Am Mittwoch war der Bundestrainer der Männer-​Nationalmannschaft zu Gast in Schwäbisch Gmünd.

Freitag, 27. Juni 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
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Von 1976 bis 1983 war er Mitglied der Turn-​Nationalmannschaft der DDR. Seit vielen Jahren trägt Andreas Hirsch maßgeblich zum Erfolg der deutschen Turner bei. Seit dem 1. November 2001 ist er Cheftrainer des Turn-​Teams Deutschland der Männer, vorher war der frühere Leistungssportler mit klaren Ansagen sechs Jahre lang erfolgreicher Juniorentrainer.
Oberbürgermeister Richard Arnold begrüßte einen Menschen, der für den Sport lebt und bei der Definition des Sports im Leistungsbereich eine klare Philosophie vertritt. Der OB stellte dem Gast Schwäbisch Gmünd als Sportstadt mit erfolgreichen Sportlern und Mannschaften vor. So zum Beispiel den TV Wetzgau als amtierenden Deutschen Meister im Gerätturnen, aber auch die Gold-​Skispringerin Carina Vogt, die Hand– und Volleyballer, die Schwimmer und die PH Gmünd als Deutscher Fußball-​Hochschulmeister.
Andreas Hirsch machte in seinem Impulsvortrag gleich zu Beginn deutlich, wie wichtig er die Unterstützung der Sportler in einer Kommune hält. Ein starkes Plädoyer gab der Bundestrainer für seine Kollegen in allen Sportarten ab. Auch für Paul Schneider, Trainer beim TV Wetzgau und einer der drei Stadtsportlehrer. Schneider hatte maßgeblichen Anteil daran, dass Trainer und Sportler Hirsch in Gmünd begegnen konnten. „Wenn im Ausland ein Trainer in eine Bank kommt, weil er einen Kredit benötigt, heißt es auf die Frage zum Beruf: Schön. Und welchen Sportler trainieren sie? In Deutschland heißt die nächste Frage, wenn man sagt, man ist Trainer: Und was arbeiten sie richtig?“ Dies seien die unterschiedlichen Wahrnehmungen und der unterschiedliche Respekt vor dieser wichtigen Funktion auf allen Ebenen. Hinsichtlich der Trainerstellen – auch in den Landesverbänden des Sports – kritisierte Hirsch, dass es mehr Verwaltungs– als Gestaltungsstellen gebe, was für den Sport nicht förderlich sei.
Zur Rolle des Trainers in der Nachwuchsarbeit hat Andreas Hirsch ebenso klare Vorstellungen. Er erwartet das Kennen des Sportlers und das sportliche Können. „Ein Trainer, der sich nicht weiterbildet und Wissen von vor 50 Jahren weitergibt, kann kein erfolgreicher Trainer sein.“ Ein Trainer müsse den Körper des jungen Sportlers kennen, müsse Hilfestellungen geben und korrigieren. Er müsse mitwirken, dass Verletzungen verhindert werden und einen Stab führen, eine soziale Rolle übernehmen. Nach außen deutlich gemacht werden muss in Deutschland laut Andreas Hirsch, dass der Sport kein Kostenfaktor, sondern eine Investition in die Zukunft ist. „Wir brauchen Vorbilder, wir brauchen Elite.“
Interessantes erfuhren die Zuhörer bei der von Sportbürgermeister Joachim Bläse als Moderator interessant gestalteten Podiumsdiskussion, bei der sich neben Hirsch der frühere Schwimmer und heutige Leiter des Olympiastützpunktes in Stuttgart, Thomas Grimminger, Turner Helge Liebrich, die Schwimmer Lisa Schulz und Per Kleinschmidt sowie die Leichtathletin Svenja Sickinger hinzugesellten. Schon bei der ersten Frage an Hirsch wurde deutlich, dass es einen leistungsorientierten Breitensport, um Erfolge zu erzielen, nicht geben kann. Die Intensität der notwendigen Trainingseinheiten und Regeneration sei ausschließlich der Leistungssport. Dies bestätigte auch Grimminger. Es gebe eine genau definierte Zielvereinbarung des Bundes und der Verbände, in der die Medaillenausbeute bei Olympischen Spielen, Welt– und Europameisterschaften dargestellt sei. 4800 Athleten sind in Deutschland in A-​, B– und C-​Kadern, nicht einmal 1,70 Euro pro Kopf der 80 Millionen Einwohner Deutschlands fließen in den Sport. „Eigentlich sollten es vier bis fünf Euro sein“, meinte Grimminger, ehe er die rhetorische Frage stellte: „Was ist uns der Sport wert?“
Helge Liebrich, Nationalmannschaftsmitglied und Gmünder Botschafter des Turnens, betonte die Wichtigkeit des Trainers – persönlich und fachlich. „Die Trainer haben mich geführt, von den Anfängen im Turnen über den Stützpunkt mit Valerie Belenki und Rainer Arnold bis nach Kienbaum zu Andreas Hirsch.“
Mächtig schlucken mussten die vielen Zuhörer bei den Aussagen von Lisa Schulz und Per Kleinschmidt vom Schwimmverein Gmünd. Bläse fragte sie, wie sie die Schule, das Training und ihre Freizeit unter einen Hut bringen. Ihre Antworten zeugten von einem beispielhaften Willen. Per Kleinschmidt: „Wenn unsere Freunde ausgehen, gehen wir zur Regeneration, also meist ins Bett.“ Bei neun Trainingseinheiten in der Woche gehe es mehrmals schon um 5.45 Uhr ins Becken im Hallenbad und danach um 7.30 Uhr in die Schule. Manchmal bis um 16.40 Uhr. Dann kurz nach Hause, dann folgen die weiteren Einheiten vom Krafttraining bis zu Schwimmeinheiten.
Die bei der LG Staufen beheimatete Leichtathletin Svenja Sickinger von der SG Bettringen betonte, wie wichtig ein gutes Training im sozialen Umfeld der Familie und von Freunden sei. Ein Wechsel des Sports wegen in Leichtathletikhochburgen wie Leverkusen wäre wohl eher nichts für Sickinger.